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Parodontologie – zurück in die Zukunft

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Ausgabe 7/2017

20 Titelthema Besonders

20 Titelthema Besonders für die Matrixmetalloproteinase-8 (MMP-8) existieren zahlreiche kommerzielle Chairside-Tests, deren diagnostischer und therapeutischer Mehrwert jedoch kritisch zu hinterfragen ist. So kann zwar mithilfe des MMP-8-Tests vorhergesagt werden, ob die Parodontitis einen stabilen oder progressiven Verlauf nimmt, dies allerdings nur in Kombination mit den klinischen Parametern und der subgingivalen Keimbestimmung. Wenn MMP-8-Konzentrationen allerdings nur mit klinischen Parametern aussagekräftig sind, ist der Test nicht nötig, da man einfach mit diesen arbeiten kann, um die Krankheitsprogression zu beurteilen. Mit Hilfe des MMP-8-Tests kann zwischen parodontal entzündeten und gesunden Bereichen unterschieden werden, ebenso kann er Gingivitis und Parodontitis abgrenzen, allerdings nicht gesund und Gingivitis. Auch hier ist der diagnostische Mehrwert fraglich, da hierfür lediglich eine Parodontalsonde benötigt wird [2]. Mikrobiologische Analyse. Die sicherlich am häufigsten durchgeführte weiterführende Diagnostik ist die Analyse der subgingivalen Bakterienbesiedlung. Allerdings ist hier die therapeutische Konsequenz zu hinterfragen [3]. So konnte in zahlreichen Studien nachgewiesen werden, dass sich die Kombination aus Metronidazol und Amoxicillin am besten zur Reduktion der Taschentiefen bewährt [4] und zwar unabhängig vom mikrobiologischen Testergebnis [5, 6]. Durch verfeinerte molekularbiologische Verfahren werden zudem weitere Parodontalpathogene identifiziert, für die es noch keine kommerzielle Testung gibt. So scheint das erst kürzlich identifizierte Bakterium F. alocis einen wichtigen Stellenwert bei der Entstehung einer Parodontitis einzunehmen [7]. Dennoch kann ein mikrobiologischer Test im Einzelfall zur Bestätigung des klinischen Befundes oder zur Verlaufskontrolle die Diagnostik sinnvoll ergänzen. Systematisches Behandlungskonzept Die systematische Parodontitistherapie beinhaltet mehrere aufeinander aufbauende Therapiephasen, deren Einhaltung entscheidend für den Therapieerfolg ist (s. Abb. 1). Das Ziel der Parodontitistherapie ist die Beseitigung der Bakterienlast, der Entzündung und der Zahnfleischtaschen, um weiteren Abbau des Zahnhalteapparates zu verhindern. Initialtherapie. Professionelle mechanische Plaqueentfernung, Optimierung der häuslichen Mundhygiene. Zu Beginn jeder Parodontitisbehandlung sollte eine professionelle mechanische Plaqueentfernung durchgeführt werden. Durch die Entfernung supragingivaler und gingivaler Beläge kommt es zu einer kurzzeitigen Reduktion der Entzündung. Die Zahnfleischtaschen bleiben bei dem Vorgehen zunächst unberührt. Bewusst wird hier der Terminus professionelle mechanische Plaqueentfernung und nicht professionelle Zahnreinigung verwendet. Der Unterschied liegt darin, dass die professionelle Zahnreinigung häufig eine kos- Abb. 2a Abb. 2b Paro-Endo-Läsion des Zahns 41. Klinisch imponierte lingual eine Sondierungstiefe bis zum Apex: röntgenologische Situation (2a), röntgenologische Situation nach endodontischer und parodontaler Behandlung, deutliche apikale Knochenregeneration erkennbar, klinisch waren keine erhöhten Sondierungstiefen mehr vorhanden (2b). metische Behandlung impliziert, welche auf die Entfernung von Verfärbungen abzielt. Die professionelle mechanische Plaqueentfernung besitzt therapeutischen und präventiven Charakter. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Behandlungssitzung ist die Mundhygieneinstruktion. Dem Patienten sollte verdeutlicht werden, dass die regelmäßige und vor allem gründliche häusliche Mundhygiene zu den entscheidenden Voraussetzungen für den Therapieerfolg und die Langzeitprognose der Zähne zählt. Zu Beginn der Initialtherapie erfolgen daher individuelle Mundhygienedemonstrationen mit geeigneten Hilfsmitteln. Die praktische Durchführbarkeit muss in mehreren Anwendungstrainings mit dem Patienten geübt und gefestigt werden. Reduktion irritierender Faktoren. Parallel zu den ersten Sitzungen müssen irritierende Faktoren wie insuffiziente Füllungen, kariöse Läsionen und Restaurationsüberhänge entfernt bzw. erneuert werden, um potenzielle Keimreservoirs zu eliminieren (s. Abb. 3). Weiterhin sollte die Okklusion überprüft werden, da okklusale Diskrepanzen bei bestehender Parodontitis die Progression der Parodontitis fördern können [8]. Gelockerte Zähne können, wenn der Kaukomfort des Patienten eingeschränkt ist, geschient werden. Bei Paro-Endo-Läsionen sollte in Abhängigkeit von den klinischen Parametern eine endodontische Behandlung durchgeführt werden (s. Abb. 2). Attachmentstatus. In den Attachmentstatus werden die wichtigsten Befunde der parodontalen Diagnostik dokumentiert. Dies sollte sorgsam erfolgen, da sich nur so die zu therapierenden Bereiche und der Verlauf einer Parodontitis hinsichtlich des Therapieerfolgs sowie rekurrierender Bereiche bei der unterstützenden Parodontitistherapie identifizieren lassen. Da die subgingivale Instrumentierung flacher Taschen bis drei mm zu einem iatrogenen Attachmentverlust und Rezessionsbildung führt [9], sollte der Attachmentstatus exakt und an sechs ZBW 7/2017 www.zahnaerzteblatt.de

Titelthema 21 Abb. 3a Abb. 3b Irritierender Faktor. Entzündung mit assoziierter Tasche (Abb. 3a), sichtbarer Füllungsüberhang als Ursache (Abb. 3b). Stellen pro Zahn aufgenommen werden. Es ist sinnvoll, den Attachmentstatus erst am Ende der Initialtherapie zu erheben oder vor dem subgingivalen Debridement noch einmal zu kontrollieren, um bereits durch die Initialtherapie nivellierte Taschen nicht zu instrumentieren. Subgingivales Debridement. Wenn der Patient eine optimale Mundhygiene aufweist, kann mit der subgingivalen Instrumentierung der pathologischen Taschen begonnen werden. Das subgingivale Debridement besteht darin, den mineralisierten und nicht mineralisierten Biofilm von den Wurzeloberflächen zu entfernen. Die Begriffe Scaling und Wurzelglättung oder Kürettage werden fälschlicherweise häufig synonym verwendet. Diese Begriffe implizieren den Abtrag von kontaminiertem Wurzelzement sowie die zusätzliche Entfernung des Granulationsgewebes, was nach heutigem Kenntnisstand allerdings für die parodontale Ausheilung nicht nötig ist [10]. Die Instrumentierung kann gleichwertig mithilfe von Hand-, Schall- oder piezo elektrischen oder magnetostriktiven Ultraschallinstrumenten durchgeführt werden [11]. Der Zahnhartsubstanzabtrag mit maschinellen Instrumenten ist jedoch geringer als bei der manuellen Bearbeitung [12]. Antimikrobielle photodynamische Therapie. Seit ein paar Jahren verbreitet sich die antimikrobielle photo dynamische Therapie (aPDT) als weitere Methode zur subgingivalen Biofilmentfernung. Die aPDT kann entweder allein oder in Kombination mit der subgingivalen Instrumentierung angewendet werden. Das Prinzip der aPDT besteht darin, dass ein Photosensibilisator in die parodontale Tasche appliziert wird und die anschließende Belichtung mit einem niedrigenergetischen Laser zur Abtötung parodontaler Bakterien führt. Bislang konnte jedoch nur ein kurzzeitiger klinischer Effekt in Kombination mit der subgingivalen Instrumentierung gezeigt werden [13]. Antibiotika. Bei einer schweren generalisierten chronischen sowie aggressiven Parodontitis ist die Empfehlung der DGZMK und DG PARO, adjuvant zum Debridement ein systemisches Antibiotikum zu verordnen. Die Einnahme des Antibiotikums sollte im direkten zeitlichen Zusammenhang zur subgingivalen Biofilmentfernung stehen, da das Antibiotikum nur in zwingender Kombination mit der Zerstörung des Biofilms wirksam ist. In einen bestehenden Biofilm kann ein Antibiotikum nur eingeschränkt eindringen und ist somit nicht effektiv. Insgesamt führt der Einsatz von adjuvanten systemischen Antibiotika bei Patienten mit einer schweren Parodontitis zu einer weiteren Reduktion der Anzahl von Taschen, die nach der antiinfektiösen Therapie einer weiterführenden korrektiven parodontalchirurgischen Therapie benötigen [14]. Die Entscheidung, ob zusätzlich Antibiotika verschrieben werden, sollte allerdings immer eine Einzelfallentscheidung sein. Guided Pocket Recolonization. An das Konzept der full mouth disinfection lehnt sich das Konzept der gezielten Rekolonisierung der gereinigten Wurzeloberflächen mit Probiotika an, was als Guided Pocket Recolonization bezeichnet wird [15]. So scheint der Einsatz von L. reuteri nach dem Debridement kurzzeitig klinisch relevante positive Effekte zu haben [16]. Allerdings ist die Studienlage noch nicht ausreichend, um eine generelle Empfehlung für den Einsatz von Probiotika auszusprechen. Reevaluation nicht-chirurgische Therapie. Eine optimale Mundhygiene des Patienten und die effektive Wurzeloberflächenbearbeitung sind grundlegende Voraussetzungen für eine erfolgreiche parodontale Heilung. Nach dem subgingivalen Debridement benötigt das parodontale Gewebe Zeit für Reorganisationsvorgänge. Der Großteil der Heilung ist nach drei Monaten abgeschlossen, findet jedoch noch zu einem leichten Ausmaß bis zu neun Monate statt [17]. Der Erfolg zeigt sich in einer Reduktion der Sondierungswerte, Ergebnis eines Gewinns an klinischem Attachment sowie der Ausprägung von Rezessionen (s. Abb. 4). Pulverstrahltechnik. In diesem Zusammenhang sei auf die Pulverstrahltechnik eingegangen, welche www.zahnaerzteblatt.de ZBW 7/2017

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