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Parodontologie – zurück in die Zukunft

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Ausgabe 7/2017

18 Titelthema

18 Titelthema Berufspolitische Stellungnahme von Dr. Torsten Tomppert Problematische Nutzenbewertung mit gefährlichen Folgen Der Vorbericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zur Nutzenbewertung von Parodonthopathien hat sowohl in der wissenschaftlich-parodontologischen Fachwelt als auch in der gesamten Zahnärzteschaft Kopfschütteln und große Proteste ausgelöst. Das IQWiG ist ein vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) oder vom Bundesgesundheitsministerium beauftragtes, wissenschaftlich unabhängiges Institut, das 2015 den Auftrag erhielt, die systematische Behandlung von Parodontopathien zu überprüfen. Der Vorbericht dazu war Ende Januar fertiggestellt. Erstaunlicherweise hat das Institut nur diejenigen wissenschaftlichparodontologischen Studien mit dem höchsten Evidenzgrad und mit höchster Ergebnissicherheit als nutzbringend bewertet. Alle anderen 573 Paro-Studien weisen einen niedrigeren Evidenzlevel auf und wurden deshalb vom IQWiG als nicht relevant beurteilt. Meines Erachtens ist das methodische Vorgehen und das daraus resultierende Ergebnis absolut nicht nachvollziehbar. Allein aus fehlenden RCT-Studien, sogenannte randomisierte kontrollierte Studien mit höchstem Evidenzlevel, zu schließen, alle anderen Paro-Studien wären nutzlos, ist illegitim und anmaßend zugleich. Man stellt damit nicht nur weltweit wissenschaftlich anerkannte Publikationen und Therapieformen in Frage. Man negiert auch die jahrzehntelange erfolgreiche Behandlung der Patienten. Zudem unterscheidet man auch nicht zwischen Forschungsanforderungen imArzneimittelbereich und im nichtmedikamentösen therapeutischen Bereich. Hier ist es, und da bilden die Paro-Studien keine Ausnahme, insgesamt schwieriger, kausale Aussagen zum Stellenwert einer therapeutischen Intervention zu treffen. Dies gibt das IQWiG sogar selbst zu, wenn man in den hauseigenen Veröffentlichungen zu den „Allgemeinen Methoden“ näher nachschaut. Darin wird u. a. formuliert, dass selbstverständlich auch Studien mit niedrigerem Evidenzgrad „… Anhaltspunkte für einen (Zusatz-) nutzen“ liefern können. Nur warum werden diese dann von vornherein ausgeschlossen? Wenn nur die theoretisch bestmögliche Evidenz und nicht die bestverfügbare Evidenz, die den Versorgungsalltag und seine Schwierigkeiten widerspiegelt, als Entscheidungsgrundlage für die Nutzenbewertung herangezogen wird, negiert Evidenz die gesellschaftliche Realität und die bisherigen Erfolge weltweit systematisch erbrachter Parodontitistherapien sowie einer unterstützenden strukturierten Nachsorge. Die vom IQWiG gelieferten Ergebnisse dienen dem G-BA als Entscheidungsgrundlage. Würden daraus gesundheitspolitisch falsche Schlüsse gezogen, die zum Beispiel Kürzungen oder Streichungen bisheriger Leistungen aus dem GKV- Leistungskatalog zur Folge hätten, obwohl sie aus konsentierter Sicht der wissenschaftlichen Zahnmedizin lege artis sind, entstünde ein hohes Schadenspotential für die gesetzlich versicherten Patienten. Das dürfen und werden wir nicht zulassen. Deshalb haben die zahnärztlichen Spitzenkörperschaften KZBV und BZÄK bereits Ende Februar ihre Stellungnahmen zum IQWiG-Vorbericht abgegeben und das Institut aufgefordert, diesen zu überarbeiten. Es ist zumindest als ein kleiner standespolitischer Erfolg zu werten, das IQWiG davon überzeugt zu haben, seinen Vorbericht hinsichtlich methodischer Änderungen und der Zulassung weiterer Paro-Studien mit niedrigerem Evidenzlevel nochmals zu modifizieren. Das heißt, das IQWiG muss weitere wissenschaftliche Paro-Studien auf ihren therapeutischen Nutzwert prüfen. Da die Thematik standespolitisch wie wissenschaftlich weiterhin höchst brisant ist und mit einer weiteren Nutzenbewertung des IQWiG in anderen zahnmedizinischen Fachgebieten gerechnet werden muss, war dies Anlass für den BZÄK-Vorstand, sich mit der Thematik auf seiner Klausurtagung Mitte Juni intensiv zu beschäftigen. Als Ergebnis wurde ein 5-Thesen-Papier erarbeitet, das zeitnah veröffentlicht werden wird. Meinungskonsens bestand bei den Teilnehmern zu den Ausführungen des Referenten und Direktors der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe, Prof. Winfried Walther, wonach die klinische Entscheidung des Zahnarztes maßgeblich bestimmt wird durch die Trias aus aktueller wissenschaftlicher Fachliteratur (externe Evidenz), der individuellen klinischen Erfahrung des Zahnarztes (interne Evidenz) und den Wünschen der Patienten. Natürlich wirkt dieser IQWiG- Vorbericht auch wie ein Warnsignal. Professionsintern müssen wir uns fragen, ob wir tatsächlich in Sachen Evidence Based Medicine in allen Fachbereichen über ausreichende Studien im Goldstandard bzw. mit hervorragender wissenschaftlicher Begründbarkeit verfügen, so dass wir weiteren IQWiG-Nutzenbewertungen gelassen entgegensehen können. Oder besteht nicht doch auf so manchem zahnmedizinischen Fachgebiet wissenschaftlicher Forschungsbedarf, der mit adäquaten personellen und finanziellen Mitteln stärker als bisher unterstützt werden sollte? Dr. Torsten Tomppert Präsident der Landeszahnärztekammer ZBW 7/2017 www.zahnaerzteblatt.de

Titelthema 19 Behandlungsoptionen Parodontitistherapie was gibt es Neues Parodontitis ist eine hoch prävalente chronische Entzündungserkrankung. Auch wenn die Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie eine Abnahme der Parodontitisprävalenz zeigt, bleibt dennoch nach den Bewertungen der DG PARO eine hohe Behandlungslast in Deutschland von über elf Millionen parodontal schwer Erkrankten. Eine schwere Parodontitis ist laut der aktuellen Global-Burden-Disease-Studie die sechsthäufigste Erkrankung [1] und die häufigste Ursache für Zahnverlust. Dank zahlreicher Fortschritte in der Parodontitistherapie hinsichtlich der Instrumentierung und der Anwendung standardisierter Behandlungsprotokolle sind gute Ergebnisse durch die nicht-chirurgische Therapie zu erzielen. Weiterhin gibt es eine Vielzahl von parodontalchirurgischen Behandlungsoptionen, die bei Persistenz von Resttaschen zu deren Beseitigung führen. Neuerungen. Das hohe Aufkommen der Parodontitis verdeutlicht, dass parodontale Erkrankungen durch regelmäßige Screenings als solche möglichst frühzeitig identifiziert werden müssen. Im Rahmen der zahnärztlichen Kontrolle ist der Parodontale Screening Index (PSI) eine schnelle und effektive Methode, um eine parodontale Behandlungsbedürftigkeit zu identifizieren. Als diagnostisches Mittel zur Überprüfung des parodontalen Behandlungserfolgs oder während der unterstützenden Par- odontitistherapie ist der PSI ungeeignet und ersetzt nicht die Erhebung eines vollständigen Attachmentstatus. MMP-8-Test. Es gibt zahlreiche weiterführende diagnostische Tests mit dem Ziel, das Spektrum der konventionellen Parodontitisdiagnostik zu erweitern. So gibt es unter anderem Testverfahren zur Bestimmung von Biomarkern zur Beurteilung des vorliegenden Gewebeabbaus. Abb. 1 Parodontitistherapie. Schematische Darstellung der systematischen Parodontitistherapie mit den jeweiligen therapeutischen Phasen und Zielen. www.zahnaerzteblatt.de ZBW 7/2017

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