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Nutzenbewertung von Parodontitistherapien

Ausgabe 10/2018

28 Fortbildung Abb. 3a

28 Fortbildung Abb. 3a Abb. 3b Okklusale Ansicht von Oberkiefer (Abb. 3a) und Unterkiefer (Abb. 3b) des zweieinhalbjährigen Kindes direkt nach der Behandlung in Narkose. Im Oberkiefer wurden die Zähne 54, 52, 51, 61, 62, 64 extrahiert und die beiden kariösen Eckzähne mittels Frasaco-Strip-Kronen mit Kompomer restauriert. Im Unterkiefer wurden die Milch-Vierer mit einer Stahlkrone versorgt. Die zweiten Milchmolaren im Ober- und Unterkiefer wurden mit Glasionomerzement (temporär) versiegelt. deshalb in der Regel nicht erfolgen. Bei Zähnen, die für die Gebissentwicklung sehr wichtig sind, kann es aber gerechtfertigt sein, einen größeren therapeutischen Aufwand zu betreiben. In diesem Fall wurden die tief kariösen Zähne 54, 52, 51, 61, 62, 64 extrahiert. Die Indikation zur Extraktion der zerstörten oberen Schneidezähne war aus unserer Sicht neben der Schmerzanamnese die klinisch offene Pulpa und auch die sichtbaren Fisteln vestibulär. Eine Behandlung mittels Pulpotomie bzw. Pulpektomie und nachfolgender Stahlkronenversorgung wäre bei 54 und 64 ggf. möglich gewesen, aber die Prognose für die beiden Zähne erschien uns bezüglich der Wertigkeit für die Gebissentwicklung nicht hoch genug, um das Risiko einzugehen, bei einem Misserfolg eine zweite Narkose zur Zahnentfernung durchzuführen. Stahlkronen. Im Unterkiefer wurden die ersten Milchmolaren mit Stahlkronen versorgt. Alternativ könnte eine einflächige Läsion auch mit Kompomer versorgt werden. Konfektionierte Stahlkronen gewährleisten jedoch in der Kinderzahnheilkunde einen besseren klinischen Erfolg im Vergleich zu Füllungen [Santamaría et al. 2017], denn sie verringern das Risiko von Misserfolgen und folglich von Zweitbehandlungen deutlich [Innes et al. 2015]. Die Entscheidung für eine Kompomerfüllung anstelle einer Krone, insbesondere bei Kariesrisikokindern und bestehender Kariesaktivität wie in diesem Fall, hat häufigere Komplikationsraten sowie Nachbehandlungen zur Folge. Dies wird durch eine einfache Berechnung klar: Bei einer Annahme von zwei behandlungsbedürftigen Zähnen mit einer achtzigprozentigen Zweijahres-Erfolgsrate pro Milchzahnfüllung [Quist et al. 2010] im Gegensatz zur niedrig angesetzten Erfolgsquote von 90 Prozent pro Stahlkrone [Messer und Levering 1988] beliefe sich der Zweijahreserfolg auf Patientenebene bei den zwei Füllungen auf 64 Prozent und bei den Stahlkronen auf mindestens 81 Prozent. Bei einer Annahme von vier behandlungsbedürftigen Zähnen beliefe sich der Zweijahreserfolg auf Patientenebene bei den Füllungen auf 0,8 4 = 0,41 (41 Prozent) vs. immerhin noch 0,9 4 = 0,66 (66 Prozent) bei den Stahlkronen. Die zweiten Milchmolaren im Ober- und Unterkiefer wurden mit Glasionomerzement (GIZ) versiegelt, denn das Kariesrisiko bei diesem Kind wurde als sehr hoch eingestuft. Die Trockenlegung ist aufgrund der sich z. T. noch im Durchbruch befindlichen Zähne (Schleimhautkapuze) schwierig und zeitintensiv, sodass GIZ gewählt wurde, was eher als Übergangslösung angesehen werden kann. Lückenmanagement mittels Kinderprothese. Die Entscheidung zur Anfertigung einer Kinderprothese beim Kleinkind sollte nach sorgfältiger Abwägung erfolgen. Auch wenn neben der Ästhetik mitunter die Sprache und die Kaufunktion verbessert werden können [Sacramento 2011], gelingt dies nur, sofern die Prothese auch tatsächlich getragen wird. Der ausdrückliche Wunsch und der Wille des Kindes, die Kinderprothese zu tragen, sind dafür sehr wichtig. Die Mitarbeit bei der Abformung ist ein möglicher Indikator dafür, ob ein größerer Fremdkörper im Mund potenziell toleriert wird. Laut Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) zur Indikation und Gestaltung von Lückenhaltern nach vorzeitigem Milchzahnverlust wird ein Lückenhalter erst empfohlen, wenn sich nach Abwarten über sechs Abb. 4 Angepasst. Kinderprothese im Oberkiefer auf dem Modell (Abb. 4). ZBW 10/2018 www.zahnaerzteblatt.de

Fortbildung 29 Abb. 5a Abb. 5b Abb. 5b Verbesserungen. Frontale Ansicht (Abb. 5a) sowie okklusale Ansicht von Oberkiefer (Abb. 5b) und Unterkiefer (Abb. 5c) des zweieinhalbjährigen Kindes zum Zeitpunkt des Einsetzens der Kinderprothese. Monate eine Lücken einengung von unter einem Millimeter ereignet [DGZMK 2004]. Dies steht im Widerspruch zu der amerikanischen Leitlinie, die generell den Einsatz von Lückenhaltern zur Vermeidung von Platzeinengung empfiehlt. Studien zeigen, dass zudem der Hauptteil der Lückeneinengung in den ersten Monaten geschieht [Padma Kumari und Ret nakumari 2006; Cuoghi et al. 1998]. Ungenügende Evidenz liegt zurzeit darüber vor, bei welchen Patienten die Wahrscheinlichkeit für Lückeneinengung am größten ist und wann ein Lückenmanagement folglich zwingend erfolgen sollte. Bei grober Abwägung von Kosten und Nutzen sind die Kosten selbst bei einer Vielzahl an „unnötig präventiv“ eingesetzten Lückenhaltern für die Krankenkassen insgesamt geringer als bei den in der Regel sehr kostenintensiven KFO-Behandlungen nach Lückeneinengung für vergleichsweise wenige Patienten. Diesem Mädchen konnte über die Anfertigung einer Kinderprothese zugleich die Chance auf den Platzerhalt und die ästhetische Rehabilitation gegeben werden, wenn sie regelmäßig getragen wird. Fotos: Dr. J. Schmoeckel, ZA M. Baider Präventionsmaßnahmen. Das Kind wurde vom Erstbesuch an in der Individualprophylaxe betreut. Aspekte der spezifischen Ernährungsberatung bei ECC (hochfrequenten Konsum zuckerhaltiger Getränke unterlassen), Fluoridierung der Zähne mit hochdosierten Präparaten in der Praxis und eine höhere Fluoridnutzung beim häuslichen Zähneputzen sind wichtig. Die alleinige Beratung ist jedoch meist nicht nachhaltig. Daher sollte z. B. die Beratungstechnik der motivierenden Gesprächsführung angewandt werden, denn sie stellt einen erfolgreichen und wissenschaftlich untersuchten Beratungsansatz dar [Miller und Rollnick 2015]. Ziel ist es, die intrinsische Motivation zur Verhaltensänderung, also auch die Selbstwirksamkeit, zu stärken und dadurch beim Patienten bzw. bei den Eltern einen nachhaltig positiven Einfluss auszuüben. Eine regelmäßige und verhältnismäßig engmaschige Kontrolle sollte insbesondere bei Kindern nach Narkose erfolgen, um die Mundhygiene zu kontrollieren und ggf. Remotivation zur Verbesserung anzubieten und Fluoridapplikationen durchzuführen. Auch das frühzeitige Erkennen und die Behandlung neuer kariöser Läsionen sind wichtig, denn auch wenn es vermeidbar ist, ist das Auftreten neuer Karies bei Kariesrisikokindern zumindest wahrscheinlich. So stellt Karieserfahrung im Milchgebiss einen guten Vorhersagefaktor für Karieszuwachs im bleibenden Gebiss dar [Schmoeckel et al. 2013]. Dem Vertrauensaufbau bzw. dem Abbau von Zahnarztangst durch regelmäßige einfache Prophylaxebesuche kommt bei den Kindern im Recall nach der Narkosebehandlung auch eine wichtige Rolle zu. Fazit. Zahnbehandlungen in Narkose stellen nur einen ersten Schritt zum Ziel hoher oraler Lebensqualität dar, welche erst durch ein nachfolgendes langfristiges Management erreicht werden kann. Das Literaturverzeichnis finden Sie unter www. zahnaerzteblatt.de oder kann beim IZZ bestellt werden unter Tel: 0711/222966-14, Fax: 0711/222966-21 oder E-Mail: info@zahnaerzteblatt.de. Dr. Julian Schmoeckel, ZA Mohamed Baider, Prof. Dr. Christian H. Splieth, Abt. für Präventive Zahnmedizin und Kinderzahnheilkunde, Universitätsmedizin Greifswald Dr. J. Schmoeckel ZA M. A. Baider Abt. für Präventive Zahnmedizin & Kinderzahnheilkunde Universitätsmedizin Greifswald Abt. für Präventive Zahnmedizin & Kinderzahnheilkunde Universitätsmedizin Greifswald www.zahnaerzteblatt.de ZBW 10/2018

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