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Nutzenbewertung von Parodontitistherapien

Ausgabe 10/2018

12 Titelthema

12 Titelthema IQWiG-Abschlussbericht Nutzenbewertung von Parodontitistherapien Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) untersuchte im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) welche Vor- und Nachteile verschiedene Behandlungen bei entzündlichen Erkrankungen des Zahnhalteapparates (Parodontopathien) bieten. Diese Bewertung aus wissenschaftlicher Sicht liefert die Grundlage für die Entscheidung des G-BA über die Aufnahme neuer Behandlungsmethoden in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Nun liegt der Abschlussbericht des IQWiG vor und Dr. med. dent. Martina Lietz, IQWiG erläutert die Ergebnisse. Abschlussbericht. Welche Vor- und Nachteile verschiedene Behandlungen bei entzündlichen Erkrankungen des Zahnhalteapparates (Parodontopathien) bieten, war Gegenstand einer Untersuchung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Für die Nutzenbewertung wurde in einer systematischen Übersichtsarbeit die geschlossene mechanische Therapie (GMT) als Standardtherapie bei Parodontitis paarweise verglichen mit einer Reihe von anderen Therapieformen, die allein oder als Ergänzung zur GMT durchgeführt wurden. Es waren dies Laserbehandlungen, fotodynamische Therapien, verschiedene chirurgische Verfahren, systemische und lokale Antibiotikabehandlungen und andere. Dabei wurde jeweils untersucht, welche der jeweils verglichenen Behandlungsformen zu einem besseren Ergebnis führte, die GMT oder die jeweils andere Therapie. Therapieverfahren. Wir fanden zu einer ganzen Reihe von Therapieverfahren Nachweise, dass sie den Patienten nützen. Zunächst untersuchten wir die geschlossene mechanische Therapie (GMT) als Standardverfahren im Vergleich zu keiner Behandlung. Dies galt für die GMT allein, aber auch für die GMT verknüpft mit nachfolgenden chirurgischen Maßnahmen, nämlich mit einer offenen Therapie unter Verwendung der modifizierten Widmanlappentechnik und mit einer Osteoplastik. In allen drei Fällen ergaben sich Nachweise, dass die Patienten von der GMT profitieren. Darüber hinaus wurden andere Therapieverfahren jeweils paarweise verglichen mit der GMT als Standardtherapie. Hierbei wurde jeweils unterschieden zwischen einer alternativen Therapie allein und der alternativen Therapie, die zusätzlich Foto: IQWiG zur GMT angewendet wird. Beispielsweise wurde die Lasertherapie mit der GMT verglichen, aber auch eine Lasertherapie in Ergänzung zur GMT mit einer alleinigen GMT. Auch hier ergaben sich mehrere Nachweise für einen höheren Nutzen, immer zugunsten der jeweils anderen Therapieverfahren, nämlich für die alleinige Lasertherapie, die ergänzende Lasertherapie, für ein ergänzendes Kombinationsverfahren aus fotodynamischem und fotoablativem Laser, für die ergänzende systemische Antibiotikatherapie und für ein individualisiertes Mundhygieneschulungsprogramm im Vergleich zur Standard-Mundhygieneunterweisung. Hierbei muss aber erwähnt werden, dass aus den Studien jeweils nur ein Anhaltspunkt für einen höheren Nutzen abgeleitet werden konnte. Der Anhaltspunkt ist die schwächste Form des Nutzennachweises. Einen stärkeren Nutzennachweis mit einem „Hinweis“ auf einen (höheren) Nutzen als mittlere Form zeigte sich nur für zwei Therapien, nämlich einmal für die alleinige GMT im Vergleich zu keiner Behandlung und einmal für die ergänzende systemische Antibiotikatherapie im Vergleich zur alleinigen GMT. Für andere Antibiotikatherapien konnten wir keinen Nutzen ableiten, weder für die systemische Antibiotikatherapie allein, noch für die ergänzende lokale Antibiotikatherapie. Auch für alle anderen Verfahren fehlt ein Nutzennachweis. Dies betrifft die ergänzende Behandlung mit Schmelz-Matrix-Derivaten, die ergänzende Behandlung mit hyperbarem Sauerstoff oder die ergänzende lokale Taschenspülung mit Antiseptika ebenso wie das subgingivale Air-Polishing mit Chlorhexidin-Erythritolpulver als Alternative zur GMT oder die ergänzende Behandlung mit Chlorhexidin-Gel und Chlorhexidin-Mundspülung. Dr. med. dent. Martina Lietz ZBW 10/2018 www.zahnaerzteblatt.de

Titelthema 13 Interwiew mit Dr. med. dent. Martina Lietz Bessere Versorgung für Patienten? Der IQWiG-Bericht zur Bewertung der systematischen Behandlung von Parodontopathien berücksichtigt im Vergleich zum Vorbericht, der Anfang 2017 veröffentlicht wurde, deutlich mehr Studienergebnisse. Wie es zu dieser Bewertung kam und warum es bessere Ergebnisse vor allem im Hinblick auf den sogenannten Attachmentlevel gibt erfuhr das ZBW im Interview mit Dr. med. dent. Martina Lietz, die die Nutzenbewertung als Projektleiterin wissenschaftlich betreute. Für welche Therapien hat sich das Bewertungsergebnis verbessert? Der geschlossenen mechanischen Therapie (GMT) im Vergleich zu keiner Behandlung konnte das IQWiG statt des „Anhaltspunkts“ jetzt einen Hinweis auf einen Nutzen bescheinigen. Mit Ausnahme des individualisierten Mundhygieneschulungsprogramms waren alle anderen Nutzennachweise im Abschlussbericht erstmalig abgeleitet worden. Wie werden die chirurgischen Maßnahmen beurteilt? Obwohl im Abschlussbericht für einige der chirurgischen Maßnahmen mehrere Studien in die Auswertung einbezogen werden konnten, zeigte sich auch bei mehrjähriger Nachbeobachtung kein statistisch signifikanter und klinisch relevanter Effekt im Vergleich zur alleinigen GMT. Bei der ergänzenden chirurgischen Taschen elimination ergab sich ein Anhaltspunkt, aber für einen geringeren Nutzen. Das heißt, dass das Behandlungsergebnis des ergänzenden chirurgischen Verfahrens schlechter ausfällt als bei der alleinigen GMT. In der mündlichen Erörterung konnten sich Institut und externe Fachleute auf einen Schwellenwert verständigen, ab der ein Behandlungseffekt als gesund- Wie kann man den Nutzen von Paro dontitisbehandlungen bewerten? Wir haben bei der Recherche in verschiedenen Literaturdatenbanken nach Publikationen zu Evidenz. „Für den Bericht wurde die Evidenz weltweit aus Publikationen zusammengetragen und ausgewertet“, erläutert Dr. med. dent. Martina Lietz. Studien gesucht, die weltweit erschienen waren. Für alle Fragestellungen des Berichts waren sogenannte randomisierte, kontrollierte Studien (randomized controlled trials – RCTs) möglich und zumeist auch vorhanden. Daher wurden nur Studien mit RCT- Design eingeschlossen, da diese die höchste Ergebnissicherheit besitzen. Die Ergebnisse zu den einzelnen Vergleichen wurden dann zusammengefasst. Für den Bericht wurde also die Evidenz weltweit aus Publikationen zusammengetragen und ausgewertet. Bei den identifizierten Studien wurden dann die Daten zu den Ergebnissen zu patientenrelevanten Endpunkten ausgewertet, wobei nach Möglichkeit pro Endpunkt alle Ergebnisse zu einem Vergleich zusammengefasst bewertet wurden. Als patientenrelevante Endpunkte haben wir Daten unter anderem zu Zahnverlust, Zahnlockerung, Attachment level, symptomatische Gingivitis, mundgesundheitsbezogene Lebensqualität und unerwünschte Ereignisse auswerten können. Allerdings wurden in den Studien zu den meisten Endpunkten nur vereinzelt Daten berichtet. Eine positive Ausnahme stellt der Attachmentlevel und zu gewissem Grade auch die symptomatische Gingivitis dar. In acht Fällen zeigten sich dabei Nutzennachweise, wobei zwischen Foto: IQWiG „Anhaltspunkten“ als schwächste Form, „Hinweisen“ als mittlere und „Belegen“ als stärkste Form unterschieden werden muss. „Belege“ für einen Nutzen haben wir bei diesem Bericht nicht gefunden, „Hinweise“ nur vereinzelt, nämlich für zwei Therapien. www.zahnaerzteblatt.de ZBW 10/2018

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