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Nachhaltigkeit in der Zahnmedizin

Ausgabe 7/2022

40_BERUFSPOLITIK

40_BERUFSPOLITIK ZBW_7/2022 www.zahnaerzteblatt.de Pläne der Kommission zur Europäischen Gesundheitsunion VERTIEFUNG DER EUROPÄISCHEN GESUNDHEITSPOLITIK Anfang des Jahres veröffentlichte die EU das zweite EU4Health-Aktionsprogramm. Mit dem nun im Mai vorgestellten Vorschlag zur Einrichtung eines Europäischen Gesundheitsdatenraums (EHDS, engl.: European Health Data Space, s. ZBW-Ausgabe 5-6/2022) treiben Kommission und Parlament die Vorhaben zum Ausbau der Europäischen Gesundheitsunion schnell voran. Eine Vertiefung der gesamteuropäischen Zusammenarbeit im Bereich der Gesundheitspolitik bei gleichzeitigem Beibehalten nationalstaatlicher Kompetenzen wird von der KZV BW unterstützt. zwei Jahren wurden so etwa das Mandat der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) ausgeweitet und die Europäische Behörde für Vorsorge und Reaktion „HERA“ (engl. für Health Emergency Preparedness und Response Authority) eingerichtet. Die Behörde „HERA“ soll im Notfall über Sofortmaßnahmen entscheiden können. Initiativen. In enger Abstimmung mit der KZBV begleitet die KZV BW die europäische Gesundheitspolitik. Ass. jur. Christian Finster: „Wir begrüßen Initiativen, die die gemeinsame Krisenfestigkeit stärken. Eine Verschiebung dieser Kompetenzen auf EU-Ebene lehnen wir ganz klar ab.“ POLITISCHE FOLGEN DER PANDEMIE Als es mit Ausbruch der Pandemie vor über zwei Jahren zu einem akuten Mangel an Masken, Schutzausrüstung und Beatmungsgeräten kam und die Bundesregierung etwa ein Ausfuhrverbot der in Italien so dringend benötigten Artikel verhängte, wackelte die europäische Idee. Nötig war ein Eingreifen der EU und ein Besuch des Bundespräsidenten im von den Bildern überlasteter Kliniken und Krematorien traumatisierten Italien, um das Narrativ der europäische Solidarität wieder aufzunehmen. Die EU-Kommission erkannte schnell die politische Tragweite der Geschehnisse: So gründete etwa die gemeinsame Beschaffung und Verteilung der Impfstoffe auch in diesen Erfahrungen. Für den Integrationsprozess der EU-(Gesundheits-)Politik war dies ein wichtiges Momentum. Andreas Glück (FDP), Mitglied des Europäischen Parlaments (MdEP), erklärt dazu: „Die gemeinsame Beschaffung von Impfstoffen wurde zu Beginn scharf kritisiert und sicherlich gab es hier Startschwierigkeiten. Dennoch war dies ein Schritt in die richtige Richtung.“ Auch der SPD-Abgeordnete Prof. Dr. René Repasi meint: „Bei der Beschaffung von Impfstoffen, Schutzkleidung und wichtigen Arzneimitteln sollte die EU zukünftig mit einer Stimme sprechen.“ Um künftige Gesundheitskrisen von Beginn an effektiv und (pro-)aktiv zu bekämpfen, intensiviert die EU ihre Anstrengungen einer gemeinsamen Gesundheitspolitik. In den vergangenen Foto: M. Stollberg WAS IST EU4HEALTH? Mit Bekanntgabe des Durchführungsbeschlusses hat die EU-Kommission im Januar 2022 das zweite EU4Health-Arbeitsprogramm angenommen. „EU- 4Health“ beruht im Kern und in der Struktur auf dem erstmals 2003 aufgelegten EU-Aktionsprogramm Gesundheit sowie dessen Nachfolgeprogrammen. Für den Zeitraum von 2021 bis 2027 wurde es mit einem Budget von rund 5,3 Milliarden Euro ausgestattet. Das Programm dient dem Ausbau der europäischen Gesundheitsunion: Förderfähige Einrichtungen aus den EU- Staaten erhalten Mittel in Form von Zuschüssen oder Beschaffung spezifischer Dienstleistungen. Ein Beispiel ist etwa die Bewilligung von Fördermitteln für die Weiterbildung medizinischen Personals im Hinblick auf deren digitale Kompetenzen. Die Verwaltung des Programms obliegt der EU-Kommission und der Health and Digital Executive Agency (HaDEA). „Ziel von EU4Health ist die Stärkung des Gesundheitswesens. Die medizinische Versorgung und die Vorbereitung auf Krisen sind in den 27 EU-Ländern unterschiedlich ausgeprägt. Das haben wir in der Coronapandemie erlebt. Mit diesem neuen Gesundheitsprogramm wird die Europäische Union länderübergreifend besser für Gesundheitsgefahren gewappnet

ZBW_7/2022 www.zahnaerzteblatt.de 41_BERUFSPOLITIK sein. Dazu sollen sich die Mitgliedstaaten untereinander abstimmen und ihre Daten austauschen“, meint MdEP Norbert Lins (CDU). René Repasi (SPD) fordert: „Ein gemeinsam koordinierter Beschaffungsmechanismus würde beispielsweise verhindern, dass Pharmaunternehmen aufgrund der Konkurrenz zwischen den Mitgliedstaaten hohe Preise für neue Behandlungsmethoden aufrufen und zudem eine zentrale und gerechte Verteilung zwischen großen und kleinen Mitgliedstaaten ermöglichen.“ Konkret fördert das Programm den Kampf gegen die COVID-19-Pandemie und grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren, den europäischen Plan zur Krebsbekämpfung und die Arzneimittelstrategie für Europa sowie den Aufbau von „HERA“. Laut Kommission werde das EU4Health-Programm aber auch „erhebliche Auswirkungen auf die Patienten*innen, das medizinische und Pflegepersonal und die Gesundheitssysteme in Europa“ haben und „über eine reine Krisenreaktion hinausgehen, um die Gesundheitssysteme krisenfester zu machen“. Norbert Lins betont auf ZBW- Anfrage: „Das Gesundheitswesen hat durch eine Angleichung die Chance, europaweit besser, gerechter und zuverlässiger zu werden. Was mir als Europaabgeordneter allerdings genauso wichtig ist, ist die Beibehaltung von nationalen und regionalen Gegebenheiten. Diese müssen erhalten bleiben.“ Dies betreffe etwa das Prinzip der Freien Berufe in Deutschland. EU-VERTRÄGE Die Vorschläge der Kommission, mit denen in Reaktion auf die Pandemie die Widerstandsfähigkeit der EU gegenüber grenzüberschreitenden Gesundheitskrisen verbessert werden soll, sind bislang von der bestehenden Kompetenzverteilung der EU-Verträge im Gesundheitsbereich (Art. 168 AEUV) gedeckt. Während die Organisation und Finanzierung der Gesundheitssysteme klar eine nationale Kompetenz ist, bestehen ausdrückliche EU- Gesetzgebungskompetenzen etwa in den Bereichen Arzneimittel, Medizinprodukte oder Substanzen menschlichen Ursprungs. Zur Beobachtung, frühzeitigen Meldung und Bekämpfung schwerwiegender grenzüberschreitender Gesundheitsgefahren ist eine EU-Gesetzgebung also zulässig, solange die Vorschriften der Mitgliedstaaten nur ergänzt, aber nicht harmonisiert werden. POSITIONEN VON KZBV UND KZV BW Gemeinsam mit der KZBV beobachtet die KZV BW diesen Prozess in der EU sehr genau. Vor diesem Hintergrund wurden auf der Vertreterversammlung (VV) der KZBV im November 2021 die nationalen Gesundheitskompetenzen bekräftigt. Die Delegierten adressierten an die Regierung und die EU die Forderung, „bei der geplanten europäischen Gesundheitsunion die bestehenden EU-Verträge und das Subsidiaritätsprinzip zu beachten. Grenzüberschreitende EU-Maßnahmen dürfen die nationale Verantwortung und Zuständigkeit für die Festlegung der Gesundheitspolitik, die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung der Mitgliedstaaten nicht einschränken.“ Ass. jur. Christian Finster, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KZV BW, betont: „Eine Vertiefung der gemeinsamen europäischen Gesundheitspolitik und eine weitere Koordination ist im Sinne der Versorgungssicherheit der Patientinnen und Patienten. Maßnahmen der EU sind sinnvoll, wo sie die nationalstaatlichen Systeme unterstützen und ergänzen.“ Diese Forderung hatte die KZV BW auch im Vorfeld zur Bundestagswahl 2021 eingebracht. Nach derzeitigem Stand verfolgt die EU- Kommission keine Kompetenzverlagerung auf die europäische Ebene, auch wenn es unter den EU-Politiker*innen Stimmen gibt, die dies befürworten. Dies würde eine Änderung der EU-Verträge voraussetzen, die derzeit nicht absehbar ist und bei den EU-Mitgliedsstaaten vermutlich keine Mehrheit finden würde. STARKES EUROPA Die Interessen der Zahnärzteschaft auch auf europäischer Ebene zu vertreten, darauf kommt es den Körperschaften an: „Die Mitgliedstaaten sind für die Organisation ihrer Gesundheitssysteme verantwortlich. Die Gesundheitsunion darf keine Vereinheitlichung unseres bewährten Versicherungssystems verfolgen“, stellt Christian Finster klar. Auch MdEP Glück teilt diese Meinung: „Eine europäische Gesundheitsunion darf nicht die Schaffung eines einheitlichen europäischen Gesundheitssystems bedeuten. […] Wie ganz generell gilt es gerade auch im medizinischen Bereich: nicht überall ein bisschen Europa, sondern ein starkes Europa an den richtigen Stellen!“ Alexander Messmer AMTLICHE MITTEILUNGEN WEITERBILDUNGSSTÄTTE Nach § 35 des Heilberufe-Kammergesetzes i. V. m. §§ 9 und 11 der Weiterbildungsordnung wurde folgendes Kammermitglied zur Weiterbildung ermächtigt: Oralchirurgie Dr. Hermann Roers Stückeläckerweg 2a 69168 Wiesloch Die anerkennungsfähige Weiterbildungszeit beträgt gem. § 24 Abs. 1 und Abs. 4 der Weiterbildungsordnung zwei Jahre.

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