34_BERUFSPOLITIK ZBW_7/2022 www.zahnaerzteblatt.de Landesverband der Freien Berufe (LFB BW) LFB-STUDIE ZU FREIEN BERUFEN Für ein aktuelles Bild der Lage der Freien Berufe in Baden-Württemberg ließ der LFB BW durch das Institut der Freien Berufe (IFB) eine breit angelegte Studie durchführen. Nun liegen die Ergebnisse vor. Die statistische Auswertung beschreibt detailreich die Situation der freiberuflich Tätigen und ihrer Angestellten in Baden-Württemberg. Die Resultate der begleitenden Befragungen belegen zudem viele von Fachkreisen vermutete Entwicklungen, beispielsweise in den Bereichen Nachwuchs- und Fachkräftemangel und Digitalisierung. Wir stellen ausgewählte Ergebnisse des 178 Seiten starken Abschlussberichts vor. MEHR SELBSTSTÄNDIGE Den großen Beitrag der Freien Berufe für die Wirtschaftskraft des Landes zeigt ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt, der in zehn Jahren um 0,3 % auf 10,2 Prozent im Jahr 2019 gewachsen ist. Insgesamt waren im Jahr 2020 in Baden-Württemberg 178.223 selbstständige Freiberufler aller Sparten tätig. Der Abschlussbericht stellt hierzu fest, dass diese Gruppe zwischen 2009 und 2019 um knapp 20 Prozent gewachsen ist. Allerdings verlief die Entwicklung sehr unterschiedlich: Während die rechts-, steuer- und wirtschaftsberatenden Berufe deutlich zulegten, wurde für (Zahn-) Ärzte und andere Heilberufler ein Rückgang von durchschnittlich 10 Prozent verzeichnet, für Apotheker gar von fast 25 Prozent. Dies schlägt sich auch in der Versorgungsdichte durch Selbstständige nieder, die im Vergleich mit 2010 rückläufig ist (Abb. 1). Übergabe. LFB-Präsident Dr. Björn Demuth übergibt den „Bericht zur Lage der Freien Berufe in Baden-Württemberg“ an Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut. Mit dem Forschungsprojekt wurden die Freien Berufe im Land erstmals seit Jahrzehnten wieder einer systematischen Bestandsaufnahme unterzogen. „Unser erklärtes Ziel war es, ein wissenschaftlich abgesichertes Gesamtbild der Situation der Freien Berufe zu erhalten und die vielen kleinen und großen Leerstellen im Wissen um die Freiberuflerinnen und Freiberufler im Land zu füllen. Damit kann uns und der Landespolitik im Idealfall eine effektivere und effizientere Förderung der einzelnen freiberuflichen Berufsgruppen gelingen,“ erläutert Dr. Björn Demuth, Präsident des LFB. Finanziell unterstützt wurde das Projekt vom baden-württembergischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus. INHALTE DER STUDIE Ein Forschungsteam des Instituts der Freien Berufe (IFB) an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg untersuchte neben statistischen Daten auch Themen, die für freiberuflich Tätige in den kommenden Jahren wichtig werden. Zu Nachwuchs- und Fachkräftemangel, Europäisierung, Digitalisierung sowie den Auswirkungen der Corona-Pandemie wurden über 1.000 Freiberuflerinnen und Freiberufler online direkt befragt (siehe ZBW 5-6/2022). Die daraus gewonnenen Antworten ergänzen die statistische Auswertung sowie die Ergebnisse einer separat durchgeführten Expertenbefragung. Foto: LFB/F. Potente MEHR ANGESTELLTE Die Studie belegt einen Zuwachs der Angestellten von 28,6 Prozent seit 2013 und folgert: „Die sonst im medizinischen Bereich oftmals eher anekdotisch berichtete Präferenz hin zum Angestelltenverhältnis und weg von der […] Selbstständigkeit lässt sich hier eindeutig mit Zahlen untermauern.“ Dr. Torsten Tomppert, Mitglied des Vorstand des LFB BW, kommentiert: „Damit stützt die Erhebung unsere Einschätzung, dass Medizinische Versorgungszentren immer größere Teile der zahnmedizinischen Versorgung abdecken. Diese Entwicklung beobachten wir im Interesse unserer Patientinnen und Patienten sehr genau“. FACHKRÄFTEMANGEL An der Online-Befragung beteiligten sich 1030 Personen, davon 185 Zahnärztinnen und Zahnärzte. Sie stellen damit die zweitgrößte Gruppe nach den Steuerberatern. Neben der Beschäftigungssituation von Selbstständigen und Angestellten und dem Unternehmenssitz wurden auch Angaben zur Gewinnung von Fachkräften und Auszubildenden erfragt. Dabei bestätigte sich die Annahme, dass in allen Freien Berufen Probleme bei der Gewinnung von geeignetem Personal bestehen. Bei der Suche von Auszubildenden wurden beispielsweise folgende Schwierigkeiten benannt: Zwar haben in den letzten zwei Jahren Angehörige der Heilberufe mit 71,4 Prozent die meisten Ausbildungsplätze im Markt der Freien Be-
ZBW_7/2022 www.zahnaerzteblatt.de 35_BERUFSPOLITIK rufe angeboten. Jedoch zeigt sich gerade in diesen Berufen bereits ein „deutliches Personalproblem“. Alle Mitgliedsgruppen des LFB BW sind sich zudem einig, dass es deutlich zu wenige Auszubildende gibt, um den Bedarf an Fachkräften zu decken. EUROPÄISIERUNG Die Freien Berufe fühlen sich eher unterschiedlich von europäischen Regulierungen betroffen – besonders die Heilberufe bezeichnen diesen Einfluss als „stark“. Es wird allgemein von einer weiteren Zunahme der Regulierung ausgegangen, beispielsweise im Bereich der Berufsqualifikationen. Diese könnten sich nachteilig auf die bestehenden Qualitätsstandards auswirken, welche für die Freien Berufe identitätsstiftend sind (Abb. 2). VERSORGUNGSDICHTE SELBSTSTÄNDIGER FREIBERUFLER IN DEN JAHREN 2010 UND 2020 (ABB. 1) Apotheken Niedergelassene Ärzte Wirtschaftsprüfer Vereidigte Buchprüfer Zahnärzte Rechtsanwälte Steuerberater Tierärzte 0,10 0,09 0,05 0,03 0,22 0,16 0,11 0,12 0,63 0,55 0,78 0,83 1,12 1,19 1,34 1,53 2010 2020 DIGITALISIERUNG UND CORONA Über die Folgen der Digitalisierung äußerten sich die 61 befragten Expertinnen und Experten mehrheitlich positiv. Probleme werden jedoch vor allem beim Datenschutz und in der mangelnden Infrastruktur in Deutschland gesehen, was auch die Teilnehmer der Online-Umfrage bestätigten. Je nach beruflicher Tätigkeit wird der Nutzen der Digitalisierung sehr unterschiedlich beurteilt. So sind medizinischen Berufen natürliche Grenzen beim Homeoffice gesetzt, während andere Berufsgruppen es intensiv nutzen, besonders auch während der Coronapandemie (Abb. 3). Mit Ausnahme der Kulturberufe gaben die meisten Freiberufler für die Jahre 2019 und 2020 an, diese erste Phase der Pandemie gut gemeistert und nur teilweise Finanzhilfen des Staates beansprucht zu haben. Allerdings mussten oft Rücklagen aufgebraucht oder neue Geschäftsfelder erschlossen werden, was Angehörigen der Heilberufe nur sehr begrenzt möglich ist. Konkrete Aussagen zu den Auswirkungen der Pandemie lassen sich erst zu einem späteren Zeitpunkt erheben – ebenso wie zum weiteren Fortschreiten der Digitalisierung. Deshalb plant der LFB BW eine regelmäßige Fortführung der Studie, um den nun gewonnenen Datenstand lückenlos weiter zu aktualisieren. GEFÄHRDUNG DER FREIBERUFLICHEN QUALITÄTSSTANDARDS DURCH DIE EUROPÄISCHE REGULIERUNG (ABB. 2) Heilberufe RSW-Berufe Techn.-natw. Berufe Kulturberufe Insgesamt ANGABEN DER BEFRAGUNGSTEILNEHMER ZUR ETABLIERUNG VON HOMEOFFICE IM UNTERNEHMEN (ABB. 3) Heilberufe schon immer vorhanden und genutzt temporär während Corona genutzt 4,3 7,2 % ja nein 76,1 % 20,6 % 28,6 % 28,1 % 10,0 % neu etabliert und wird beibehalten keine Nutzung n = 34 n = 7 n = 10 n = 6 n = 57 n = 209 Kerstin Sigle RSW-Berufe 19,5 % 15,0 % 15,2 % n = 461 INFO Die Studie ist hier erhältlich: http://presse.freieberufe-bw.de/ Techn.- natw. Berufe Kulturberufe Insgesamt 25,0 % 22,4 % 14,5 % 3,2 3,2 6,5 15,3 % 13,2 % 31,3 % n = 76 n = 31 n = 780 Abbildungen: IFB – Institut für Freie Berufe/IZZ
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