12_TITELTHEMA ZBW_7/2022 www.zahnaerzteblatt.de Foto: AdobeStock/Ocskay Mark Verantwortliches Handeln GRUNDLAGEN DER In der Zahnheilkunde und hier im Bereich der endodontischen Therapie können im Wesentlichen die Nachhaltigkeitsziele 3, 12 und 13 der WHO als vom Zahnarzt unmittelbar beeinflussbar angesehen werden. Da die endodontische Therapie auf Gesundheit und Wohlergehen der Patienten ausgerichtet ist, ist diese per se als nachhaltig einzuordnen. Darüber hinaus können aber sowohl die WHO-Ziele „Nachhaltiger Konsum“ als auch „Maßnahmen zum Klimaschutz“ vom Zahnarzt durch sein verantwortliches Handeln mitgestaltet werden. Im vorliegenden Artikel werden wesentliche Ansatzpunkte für nachhaltige Endodontie aufgezeigt. Zwar sind die siebzehn Nachhaltigkeitsziele der WHO letztlich miteinander zusammenhängend, jedoch lassen sich drei wesentliche Nachhaltigkeitsziele identifizieren, die im Zusammenhang mit endodontischer Therapie ein realistisches Potenzial bergen, vom Zahnarzt mit seinem Handeln beeinflusst werden zu können. Dieses sind das Ziel 3: „Gesundheit und Wohlergehen“, das Ziel 12: „Nachhaltiger Konsum und Produktion“ sowie das Ziel 13: „Maßnahmen zum Klimaschutz“. GESUNDHEIT UND WOHLERGEHEN Das klassische biologische Ziel der endodontischen Therapie ist die Beseitigung von Infektion oder deren Verhinderung und die damit zusammenhängende Ausheilung der apikalen Parodontitis, bzw. Verhinderung von deren Entstehen. Das Erreichen dieses biologischen Ziels wurde in zahlreichen Studien der letzten Jahrzehnte hinlänglich mit einer hohen Erfolgsquote von ca. 85 Prozent belegt (Friedman und Mor 2004). Patientenzentrierte Ziele der Therapie sind darüber hinaus aber auch der langfristige Zahnerhalt, die Beseitigung von endodontisch bedingten Schmerzen und die Verbesserung der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität. Sowohl der langfristige Erhalt von Zähnen durch endodontische Therapie als auch die zuverlässige Beseitigung endodontisch bedingter Schmerzen entsprechen nicht nur der allgemeinen Behandlungserfahrung der Zahnärzte, sondern spiegeln sich auch in der entsprechenden wissenschaftlichen Literatur wider (Pak und White 2011). In neuerer Zeit mehren sich auch die Studien, die nachweisen, dass endodontische Therapie die Lebensqualität verbessert (Bartols et al. 2016). Endodontische Therapie erfüllt daher per se das Nachhaltigkeitsziel 3: „Gesundheit und Wohlergehen“.
ZBW_7/2022 www.zahnaerzteblatt.de 13_TITELTHEMA NACHHALTIGER KONSUM UND PRODUKTION Im Sinne der Schonung von Ressourcen können Zahnärzte einen Beitrag zur Vermeidung von Abwurf beitragen. Im Zentrum der Diskussion steht hierbei in der Endodontie die Aufbereitung und Weiterverwendung von Nickel-Titan-Instrumenten (NiTi) oder deren Entsorgung nach einmaliger Benutzung. Zusätzlich zur Tatsache, dass Hersteller ihre NiTi-Instrumente zunehmend als Einmal-Artikel deklarieren, wurde nachgewiesen, dass die Dekontamination von endodontischem Instrumentarium nicht vollständig möglich ist (Sonntag und Peters 2007). Entsprechend zeichnet sich ein zunehmender Trend in Richtung „Singleuse“-Instrumentarium ab, um Hygiene-Lücken zu schließen und die Aufbereitung von Instrumenten zu vermeiden. Moderne NiTi-Instrumentensysteme mit reduzierter Feilenzahl bis hin zu sogenannten Einfeilensystemen haben mittlerweile sowohl in Laborstudien (Christofzik et al. 2017) als auch in klinischen Studien gezeigt, dass die Präparationsqualität und Sicherheit mit Mehrfeilensystemen vergleichbar ist oder die Anwendung sogar vorteilhaft ist (Bartols et al. 2016 und 2017). Entsprechend kann der Konsum von NiTi- Instrumentarium verringert werden, wenn Systeme mit reduzierter Feilenzahl angewendet werden. Ein weiteres Reduktionspotenzial liegt darin, die Kanalpräparation in einer Behandlungssitzung abzuschließen, um zu vermeiden, dass weitere Instrumente in folgenden Behandlungssitzungen verschlissen werden. Eine Möglichkeit, nachhaltige Produktion von Instrumentarium zu beeinflussen, liegt im Einkauf von endodontischem Instrumentarium bei Herstellern, die sich um die Reduktion von Umweltbelastung in ihrer Produktion bemühen. Einer der ersten Hersteller, der einen Nachhaltigkeitsreport vorgelegt hat, ist Dentsply Sirona. Dem Report kann man entnehmen, dass zumindest versucht wird, Emissionen unter anderem an Standorten zu senken, an denen endodontisches Instrumentarium produziert wird. Fraglich bleibt allerdings, ob es sich hierbei lediglich um die Sanierung von Produktionsstätten handelt, die ohnehin hohe Emissionen aufweisen, oder ob es sich um besonders fortschrittliche Projekte handelt, die Vorbildcharakter für die Branche haben können. Pendelverkehr Mitarbeiter 30,3 % CO2-FUSSABDRUCK ZAHNÄRZTLICHER LEISTUNGEN IM ENGLISCHEN GESUNDHEITSSYSTEM Lachgas 0,9 % Anreise Patienten 31,1 % Fußabdruck. Der jährliche CO2-Fußabdruck zahnärztlicher Leistungen im englischen Gesundheitssystem beträgt ca. 676 tCO2eq. Ein Großteil der Treibhausgasemissionen entfällt dabei auf Reisewege (> 60 Prozent) (Abb. 1). Für den Zahnarzt bietet das Grundprinzip der Vermeidung von Material- bzw. Instrumenteneinsatz wohl das größte Nachhaltigkeitspotenzial neben dem Effekt der Kostenreduktion im Bereich des Nachhaltigkeitsziels 12. NACHHALTIGKEITSZIEL 13: MASSNAHMEN ZUM KLIMASCHUTZ Eine umfangreiche Kalkulation des zahnmedizinischen Anteils am Gesamt-CO2-Fußabdruck des britischen Gesundheitssystems ergab, dass bei der Erbringung von zahnärztlichen Leistungen mit je ca. 30 Prozent die Anreisewege von Mitarbeitern und Patienten (Abb.1) den Hauptanteil an Treibhausgasemissionen bilden (Public Health England 2018). Dies liegt vor allem daran, dass sowohl nach britischen Daten als auch nach Daten der Studie „Mobilität in Deutschland“ (Nobis und Kuhnimhof 2018) ab einem Anreiseweg von mehr als einem Kilometer bereits fast die Hälfte der Bevölkerung auf das Auto zurückgreift. Entsprechend groß werden die Emissionswerte aus den Anreisewegen. Während der Einfluss des Zahnarztes auf das Transportmittel von Patienten Wasser 0,1 % Müll 0,2 % Elektrizität 7,7 % Beschaffung Material inkl. Verwaltung 19,0 % Mitarbeiterfahrten für die Arbeit 3,1 % als gering einzustufen ist, kann dieser aber sehr wohl die Anzahl der Termine bis zum Abschluss einer Therapie beeinflussen, um Treibhausgasemissionen zu senken. Die wissenschaftliche Literatur zeigt deutlich, dass die Therapie in einer oder mehreren Behandlungssitzungen weder einen signifikanten Einfluss auf die Erfolgsquoten der endodontischen Therapie bezüglich der Ausheilung der apikalen Parodontitis noch auf die Beseitigung von endodontisch bedingten Schmerzen hat (Manfredi et al. 2016). Auch in Bezug auf den langfristigen Zahnerhalt ohne unerwünschte Ereignisse wie Revisionen, Wurzelspitzenresektionen oder Zahnentfernungen lassen sich keine signifikanten Unterschiede in der Erfolgsquote zwischen einer und mehreren Behandlungssitzungen finden (Bartols et al. 2020). Im Hinblick auf die Reduktion von Treibhausgasemissionen bei den Patientenwegen sollte daher der endodontischen Behandlung in einer Sitzung mit sofortiger postendodontischer Versorgung wann immer möglich der Vorzug gegeben werden. PD Dr. Andreas Bartols Quelle: Public Health England (2018)/IZZ
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