42 Fortbildung 25. Sommer-Akademie des ZFZ Stuttgart Märchen – Moden – Mythen in der (Zahn-)Medizin Das Thema „Fake News“ ist derzeit in aller Munde. Auch in der Zahnund Allgemeinmedizin halten sich bestimmte Mythen wacker. Zeit damit aufzuräumen, fand Prof. Dr. Johannes Einwag, und stellte die 25. Sommer-Akademie des Zahnmedizinischen Fortbildungszentrums Stuttgart (ZFZ) Anfang Juli in Ludwigsburg unter das Motto „Märchen, Moden und Mythen in der (Zahn)-Medizin“. Neun namhafte Experten aus Medizin, Zahnmedizin, Wissenschaft und Journalismus beleuchteten das Thema zwei Tage lang aus den unterschiedlichsten Bereichen, um dem Publikum die Frage zu beantworten „Was wissen wir wirklich?“. Märchenhaft. Tanzende Elfen eröffneten die Sommer-Akademie. Prof. Dr. Johannes Einwag, Direktor des ZFZ Stuttgart, verkleidet als Zauberer Gandalf, eröffnete die Sommer- Akademie im Ludwigsburger Forum in einer Märchenszenerie, begleitet von Musik, Blitz, Donner und Vogelzwitschern. Während kleine Elfen auf der Bühne tanzten, räumte er – aus einem dicken Märchenbuch vorlesend – mit den gängigsten dentalen Märchen auf. Schnell das Gewand abgelegt, verwandelte er sich zurück in den Professor und begrüßte gemeinsam mit dem Verwaltungsratsvorsitzenden des ZFZ, Dr. Eberhard Montigel, die rund 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Netz der Lügen. Der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Schweiger, Universität Stuttgart, bildete den Auftakt der Sommer-Akademie, indem er das Tagungsthema vonseiten der Onlinemedien beleuchtete. In seinem Vortrag „Im Netz der Lügen“ zeigte er, wie erschreckend schnell es passiert, dass der einzelne User im Internet die vermeintlich öffentliche Meinung verzerrt wahrnimmt: Während Algorithmen einem User vermehrt die Inhalte vorschlagen, die er ohnehin gerne liest, und ihn damit in seiner politischen Gesinnung weiter bestärken, verbreiten alternative Medien im seriösen Erscheinungsbild blanke Unwahrheiten. Er empfahl eine kritische Haltung beim täglichen Surfen sowie einen Blick über den Tellerrand: „Im Netz finden wir alles oder nichts, es ist nur die Frage, was wir daraus machen.“ Fotos: Wosilat Ernährung und Medizin. Der Lebensmittelchemiker und Wissenschaftsjournalist Udo Pollmer stellte sich in seinem Vortrag „Gesunde Ernährung“ der Frage nach Märchen und Mythen in der Ernährung. Und die gebe es reichlich: Beispielsweise resultiere die vermeintlich gesunde Ernährung der angeblich so alt werdenden Japaner aus einem simplen Erbbetrug. Der Grund: Japan verfüge über keine Einwohnermeldeämter, so dass 230.000 über 100-Jährige längst verstorben, jedoch nirgendwo gemeldet waren, da die Nachkommen weiterhin Rente beziehen wollten. Dasselbe gelte für die „Mittelmeerkost“. Ob ein Nahrungsmittel vertragen werde oder nicht, sei abhängig von der Genetik der Konsumenten: Während die Jäger- und Sammler-Genetik besser mit Gemüse zurechtkomme, hätten Nachfahren der Nomadenvölker Probleme mit pflanzlicher Kost. Sein Fazit: „Essen Sie was Ihnen bekommt, weil Unbekömmliches nie gesund sein kann!“ Jan Schweizer, Chefredakteur von Zeit Wissen, räumte in seinem Vortrag mit „Mythen aus der Medizin“ mit vermeintlichen medizinischen Weisheiten auf. So entkräftete er auf unterhaltsame Weise zahlreiche altbekannte Thesen, wie „man soll mindestens drei Liter Wasser täglich trinken“ (der menschliche Körper sende nicht ohne Grund das Signal „Durst“), „nächtliches Essen macht dick“ (es komme auf die Gesamtkalorienzahl an) oder „der keimbelastetste Ort ist die Klobrille“ (schlimmer seien das Spülbecken oder die Computertastatur). Klimavorhersagen. Der Physiker Dr. Joachim Bublath, bekannt aus verschiedenen TV-Sendereihen rund um Naturwissenschaft und Technik, widmete sich in seinem gleichnamigen Vortrag den „Klimavorhersagen“. Er begann, indem er einen Handschuh anzog, diesen anzündete und mit einem schnellen Griff in sein Jackett wieder löschte. Hierbei könne man sich auf die Regeln der Naturwissenschaft verlassen, so Dr. Bublath, jedoch gebe es auch viele Situationen, bei denen physikalische Regeln bei der Vorhersage des Ergebnisses an ihre Grenzen kommen. Beispielsweise bei dem „chaotischen System“ der Wettervorhersage: Unscheinbare Faktoren wie etwa Aerosole beeinflussen die Vorhersage nachhaltig. Die Vorhersage des Klimawandels sei noch komplexer. ZBW 8-9/2018 www.zahnaerzteblatt.de
Fortbildung 43 Feurig. Die Firedancer heizten dem Publikum so richtig ein. Glückwunsch. Prof. Dr. Adrian Lussi erhielt den Deutschen Preis für Dentalhygiene 2018. Kleine Veränderungen können auch hier große und nicht so einfach berechenbare Konsequenzen nach sich ziehen. Nicht nur CO 2 , sondern auch Wasserdampf spiele dabei eine große Rolle: „Man sollte die Erde und ihre Ressourcen verantwortungsvoller nutzen und versuchen, sich diese Einflüsse bewusst zu machen und abzustellen“. Rahmenprogramm. Das Publikum erwartete im Rahmen der Sommer-Akademie traditionell noch weitere Highlights. Das Team um Prof. Dr. Einwag präsentierte dieses Jahr eine besonders große Dentalausstellung mit rund 70 Ausstellern und wartete natürlich wieder mit einem vielseitigen Abendprogramm auf. So durften die Teilnehmer im Anschluss an die Fortbildung nicht nur ein üppiges Barbecue genießen, sondern sich auch über ein schwäbisches Mundart-Kabarett von Klaus Birk und eine buchstäblich feurige Performance der „Firedancer“ freuen. Auch wurde der Deutsche Preis für Dentalhygiene verliehen: Der Preis ging dieses Jahr an Prof. Dr. Adrian Lussi, Universität Bern, für seine langjährigen Verdienste in den Bereichen Prävention und Forschung. Sein Freund und Kollege Prof. Dr. Bernd Klaiber hielt die humorvolle Laudatio (mehr über die Preisverleihung auf Seite 54). Dentale Fakten. Während der erste Fortbildungstag der Sommer- Akademie traditionell einen Blick über den Tellerrand gewährt, steht der zweite Tag vor allem im Zeichen der modernen Zahnmedizin. Prof. Dr. Adrian Lussi begann den Samstag mit seinem Vortrag „Prophylaxe – Fake and Facts“. Unter anderem präsentierte er das Für und Wider der neuen Produkte, die für die Prophylaxe angepriesen werden, wie Arginin, Xylitol, Erythritol und Hydroxylapatit. Er empfahl eine Zurückhaltung bei der Einführung neuer, womöglich schlecht oder gar nicht geprüfter Methoden: „Bei der Kariesprophylaxe führt kein Weg an Fluorid vorbei“, so der Berner, und weiter: „Bei der Erosionsprophylaxe sind Zinnverbindungen und eine Ernährungslenkung die Hauptpfeiler.“ Auch natürliche Peptide hätten großes Potential für den Erhalt der Zähne. Prof. Dr. Thomas Attin konzentrierte sich mit dem Vortrag „Zahnerhaltung – Mythen, Fehlerteufel & Fakten“ auf Probleme und deren Vermeidung bei der adhäsiven Restauration. Neben wertvollen Praxistipps rund um die Themen Oberflächenvorbereitung, Kavitäten-Reinigung, Ätzen und Spülen und Verarbeitung des Komposits legte er dem Publikum vor allem eines ans Herz: Die Herstellerangaben in puncto Adhäsiv-Einwirkzeit sowie die Lichthärtungszeit etwas zu verlängern. Wie wenig bisher über die Zusammenhänge zwischen Immunsystem und krankheitsauslösenden Faktoren bekannt ist, zeigte Prof. Dr. Christof Dörfer, Universität Kiel, in seinem Vortrag „Märchen Parodontologie – von guten und bösen Mächten!“. Was man jedoch wisse: Die rund 19.000 verschiedenen „guten“ und „bösen“ Spezies im Biofilm agieren miteinander in einer Art Gemeinschaft. Einzelne pathogene Keime können andere beeinflussen, was den gesamten Biofilm pathogen werden lasse, wie etwa in einem umkippenden Teich. Dauerhaft vorbeugen könne man nur, indem die bedrohenden Elemente durch die Schaffung glatter Oberflächen auf ein Minimum reduziert und gleichzeitig die protektiven Elemente gestärkt werden. Prof. Dr. Reiner Biffar motivierte das Publikum mit dem Vortrag „Prothetik von Ante bis Zentrik – Irrwege oder Leitpfade?“ zur Hinterfragung alter Lehrmeinungen und Dogmen. Während er alte Regeln der Prothetik entkräftete, rief er dazu auf „kritisch, offen und neugierig“ zu sein. So erfasse beispielsweise die Ante- Regel nicht mehr die täglichen Probleme der Prothetik. Ebenso sei die Ruheschwebe keine Determinante, die Totalprothese brauche auch keine balancierte Okklusion. Und eine eckzahngeführte Prothese funktioniere durchaus. Dr. Karl-Ludwig Ackermann schloss den Fortbildungstag mit seinem Vortrag „Chirurgie und Implantologie – ohne ein ,blaues Wunder` zu erleben?“. Wie man selbiges umgeht, sei gar nicht so schwer. Er legte dem Publikum die frühe Zusammenarbeit mit den einzelnen Fachzahnärzten nahe. Er verdeutlichte potenzielle Fehlerquellen und präsentierte Korrektureingriffe aus seinem Praxisalltag als Implantologe und betonte: „No implantology without periodontology – man muss erst wissen, warum der Zahn versagt hat.“ » hauf@lzk-bw.de Info Weitere Bilder und einen Film der ZFZ-Sommer-Akademie finden Sie in unter www.zbw-on.de. www.zahnaerzteblatt.de ZBW 8-9/2018
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