28 Berufspolitik Foto: shutterstock/CandyBox Images „Grenzenloses Vertrauen?“ KZV Baden-Württemberg befragt Versicherte „Grenzenloses Vertrauen“ klingt überaus spirituell, beinahe religiös – aber nicht nach einer empirisch messbaren Größe. Knapp 100 Prozent oder ganz exakt 97 Prozent Vertrauen dagegen sind messbar und aussagekräftig. Denn dies ist eines der Ergebnisse einer aktuellen Befragung von gesetzlich und privat Versicherten zur zahnärztlichen Versorgung in Baden-Württemberg. Und so gaben eben jene 97 Prozent der Befragten an, zu ihrem Zahnarzt großes bis sehr großes Vertrauen zu haben, 98 Prozent sind mit ihrem Zahnarzt zufrieden bis äußerst zufrieden. Auch die weiteren Zahlen, die der Vorstand auf der Vertreterversammlung Ende Juni erstmals präsentierte, waren von beeindruckender Deutlichkeit. Damit liegt ganz aktuell eine umfassende, von einem renommierten Forschungsinstitut repräsentativ durchgeführte Umfrage zur zahnärztlichen Versorgung in Baden- Württemberg vor – nicht jedoch anhand von Niederlassungsstatistiken oder Abrechnungspositionen, sondern aus der subjektiven Sicht der Versicherten. „Es gibt ganz offensichtlich einen deutlichen Unterschied zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung“, kommentierte Dr. Ute Maier die Ergebnisse in der Vertreterversammlung angesichts vielfältiger medial transportierter Kritik in den letzten Monaten. „Unser Berufsstand macht trotz steigender gesetzlicher Regulierungen und einer hohen Bürokratielast einen phantastischen Job in stürmischen Zeiten. Das bestätigen uns die Patientinnen und Patienten in Baden-Württemberg.“ Ergebnisse. Abgefragt wurden in dieser Umfrage sämtliche Aspekte, die die zahnmedizinische Versorgung betreffen. Gleichzeitig wurde dabei nach unterschiedlichen Kriterien wie u. a. Versicherungsform, Geschlecht, Altersgruppe oder der Größe des Wohnorts differenziert. Betrachtet man die wesentlichen Ergebnisse – etwa die generelle Zufriedenheit mit dem eigenen Zahnarzt, das Vertrauen in dessen fachliche Fähigkeiten, die Zufriedenheit mit der Versorgung vor Ort oder die Disziplin der Patientinnen und Patienten bei der Vorsorge – könnte man sich relativ entspannt zurücklehnen und die reinen Zahlen für sich selbst sprechen lassen. Dass neun von zehn Befragten ihre eigene Zahngesundheit für gut oder sehr gut halten, ist ebenfalls als starkes Zeichen für die zahnärztliche Versorgung und gerade auch für die Präventionsarbeit der Zahnärzteschaft zu werten. Dennoch wurde ZBW 8-9/2018 www.zahnaerzteblatt.de
Berufspolitik 29 diese Umfrage nicht durchgeführt, damit sich ein Berufsstand und seine Körperschaften der Selbstverwaltung in ihrem eigenen Glanz sonnen können, sondern um konkrete Hinweise zu bekommen, was den Versicherten wirklich wichtig ist, wo im Sinne des Versorgungsauftrags und der Patientenzufriedenheit nachgesteuert werden muss und welche Themen für die Versorgungsplanung in den kommenden Jahren besonders im Fokus stehen müssen. Persönliches Verhältnis. Mit den ausgezeichneten Werten bei der generellen Zufriedenheit und dem Vertrauen in die fachliche Fähigkeiten korrespondiert die oft langjährige Treue zu einer Praxis: Über drei Viertel der Befragten werden demnach seit mindestens fünf Jahren in derselben Praxis versorgt, 54 Prozent sogar schon seit zehn und mehr Jahren. Die gezielte Frage, welche Aspekte den Versicherten besonders wichtig sind, hat dementsprechend ergeben, dass eine große Mehrheit von 87 Prozent viel Wert auf ein persönliches Verhältnis zu ihrem Zahnarzt legt. Für die zukünftige Bedarfsplanung leitet sich daraus eine klare Botschaft ab. Es geht eben nicht nur darum, dass ‚irgendein Zahnarzt‘, der sein Handwerk gelernt hat, möglichst problemlos zu erreichen ist – es geht um ‚meinen Zahnarzt‘, also um den, der seine Patientinnen und Patienten sowie deren persönlichen Gesundheitszustand und die Krankengeschichte gut kennt. Nimmt man diesen Wunsch der Versicherten ernst, wird auch in Zukunft kein Weg an einer dezentralen Versorgungsstruktur mit – gerade im ländlichen Raum – kleineren Praxen vorbeiführen. Bewertungsportale. Auch sind die persönlichen Erfahrungen als Patientin oder Patient deutlich wichtiger als die oft zweifelhaften Aussagen auf kommerziellen Bewertungsportalen im Internet, die nur von 16 Prozent der Befragten schon einmal genutzt wurden. Allerdings zeigt die Befragung nach Altersgruppen auch, dass die junge Generation deutlich häufiger von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, was überdurchschnittlich stark auch auf Versicherte im urbanen Umfeld und mit einem hohen Bildungsniveau zutrifft. Zudem ist das Vertrauen in diese Portale bei den 18-34-Jährigen mit 68 Prozent relativ groß, während in allen anderen Altersgruppen die Skepsis überwiegt. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Bedeutung von Bewertungsportalen für internetaffine Nutzerinnen und Nutzer in den nächsten Jahren weiter zunehmen wird. Insofern wird es für die Zahnärzteschaft geboten sein, einen gemeinsamen modus vivendi zu finden, damit diese Portale nicht einer Entsolidarisierung unter Kolleginnen und Kollegen Vorschub leisten, die sich mithilfe kostenpflichtiger Profile oder gekaufter Bewertungen gegenseitig übervorteilen. GKV – PKV. Eine deutliche Sprache sprechen die Ergebnisse der Befragung gerade auch in Bezug auf vermeintliche Unterschiede bei der Versorgung von gesetzlich und privat Versicherten. Wie häufig in der gesundheitspolitischen Debatte auch die „Zwei-Klassen-Medizin“ beschworen wird – bei der zahnärztlichen Versorgung in Baden-Württemberg ist davon aus Sicht der Patientinnen und Patienten nichts zu spüren. Durch die Erhebung der jeweiligen Versicherungsart lässt sich exakt nachzeichnen, dass in keinem einzigen Bereich nennenswerte Unterschiede in der Behandlung von gesetzlich und privat Versicherten bestehen. So bekommen alle Versicherten, ob privat oder gesetzlich, im selben Zeitraum einen Termin bei ihrem Zahnarzt, wenn kein Notfall vorliegt. Auch die Wartezeiten auf einen Termin bei akuten Zahnschmerzen oder Zahnproblemen bewegen sich auf demselben Niveau – diesen bekommen beide Gruppen zumeist ohne oder nur mit sehr geringer Wartezeit, fast 75 Prozent innerhalb eines Tages. Der Vorwurf, PKV-Versicherte würden direkt ins Behandlungszimmer durchgewinkt, während gesetzlich Versicherte im Wartezimmer schmoren müssten, entbehrt in baden-württembergischen Zahnarztpraxen ebenfalls jeder Grundlage. Die Wartezeiten in der Praxis sind fast exakt deckungsgleich – für beide Versicherungsarten gaben 95 Prozent der Befragten an, weniger als 30 Minuten warten zu müssen. Auch bei den regelmäßigen Zahnarztbesuchen wie bei der Bewertung der fachlichen Fähigkeiten decken sich die Ergebnisse zwischen privat und gesetzlich Versicherten. Ländlicher Raum. Großes Interesse gilt nicht zuletzt den Ergebnissen der Befragung zur wohnortnahen zahnärztlichen Versorgung, nachdem analog zur allgemeinmedizinischen Versorgung auch die Besetzung von Zahnarztsitzen insbesondere im ländlichen Raum zunehmend schwieriger wird. Mit Blick auf die Bedarfsplanung der KZV Baden-Württemberg wird klar, dass es aus heutiger Sicht zwar keinen einzigen unterversorgten Landkreis gibt, wohl aber einige Gebiete, in denen es langsam knapp wird. Dazu passt die Wahrnehmung der Versorgungslage außerhalb der Ballungszentren bei den Versicherten: Heute sind 85 Prozent der Befragten in kleineren Kommunen der Meinung, dass die Anzahl der Zahnarztpraxen „eher ausreichend“ bis „voll und ganz ausreichend“ ist. Sieben Prozent halten sie für „eher nicht ausreichend“, zwei Prozent für „ungenügend“. In Kommunen mit mehr als 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern sind es lediglich drei Prozent, die die Anzahl der Zahnarztpraxen in Wohnortnähe für nicht ausreichend halten. Fazit. Die derzeitige zahnärztliche Versorgung in Baden-Württemberg befindet sich für die Befragten qualitativ auf einem exzellenten, in Bezug auf die Erreichbarkeit einer Praxis auf einem überwiegend guten Niveau. Dennoch besteht für eine dauerhafte Sicherstellung einer guten wohnortnahen Versorgung in allen Landesteilen, gerade unter veränderten strukturellen Bedingungen, Handlungsbedarf. Hier ist die KZV aktiv – unter anderem über das Kommunalportal – und im Dialog mit allen Akteuren des Gesundheitswesens, um die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen. » holger.simon-denoix@kzvbw.de www.zahnaerzteblatt.de ZBW 8-9/2018
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