18 Berufspolitik Die Gründung oder Übernahme von MVZ-Ketten oder gut gehenden BAG durch kapitalstarke Investoren ist leider nicht so einfach zu verhindern. Die Gefahr ist groß, dass profitorientierte Großstrukturen wie diese MVZ, die sich überwiegend in Ballungsräumen und deren Randgebieten ansiedeln, junge Kolleginnen und Kollegen anlocken. Die Folge wird sein, dass die Versorgung im ländlichen Raum „austrocknet“, da eine selbstständige Praxistätigkeit in diesen Regionen offensichtlich nicht mehr erstrebenswert scheint. Eine Entwicklung, die uns allen große Sorgen bereiten muss! Aber was ist zu tun, um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten? Der Gesetzgeber als Urheber dieser Entwicklung scheint unsere Bedenken nicht hören zu wollen, obwohl er regelmäßig mit den neusten Entwicklungen von der KZBV durch entsprechende Zahlen konfrontiert wird. Aber nur er kann eine notwendige Gesetzesänderung herbeiführen. Wenn die jungen Kolleginnen und Kollegen sich nicht in die Abhängigkeit dieser MVZ begeben würden, könnten diese auch nicht so erfolgreich agieren. Aber Kommentar Gefahr erkannt, Gefahr gebannt? wir erreichen sie mit unseren Bedenken offensichtlich nicht. Trotzdem dürfen wir nicht nachlassen, ihnen die positiven Perspektiven der freiberuflichen Niederlassung aufzuzeigen. Die Betreiber von kleineren und gut laufenden MVZ, die als frühere BAG nur wegen der durch den Ge- setzgeber bewusst eingeräumten Vorteile ihre Rechtsform geändert haben, werden durch sehr lukrative Übernahmeangebote seitens dieser finanzstarken Investoren fast zum Verkauf gedrängt, obwohl dies – hiervon zeugen Beispiele, nachzulesen in den „Zahnärztlichen Mitteilungen“ (Nr. 12, S. 74-76) – nicht immer zum Vorteil der Abgeber abläuft. Unsere Körperschaften auf Landes- und Bundesebene beschäftigen sich intensiv mit dieser Entwicklung und warnen in zahlreichen Gesprächen die Gesundheitspolitiker. Eine Lösung ist im Moment noch nicht in Sicht. Wichtig bleibt, dass der freie Gesundheitsmarkt, den wir als Freiberufler immer gerne einfordern, nicht eingeschränkt werden darf. Aber es müssen dieselben Regeln für alle gelten. Und das wird schwierig. Dr. Hans Hugo Wilms 80 80 60 62 40 26 20 7 0 2 2014 2015 2016 2017 2018 Quelle: KZV BW Entwicklung Anzahl MVZ. Die Konzentration von reinen Zahnarzt-MVZ (Z-MVZ) erfolgte vornehmlich auf wirtschaftsstarke Ballungsräume und einkommensstarke Regionen wie die Ballungszentren Stuttgart und Karlsruhe sowie die Metropolregion Rhein-Neckar. ZBW 8-9/2018 www.zahnaerzteblatt.de
Berufspolitik 19 Vertreterversammlung der Landeszahnärztekammer BW Tradition und neue Blickrichtung Die Vertreterversammlung der LZK im Sommer ist traditionell dem Erlass und der Änderung von Satzungen vorbehalten. Die Satzungsautonomie ist Ausdruck der Selbstverwaltung. Aber man wolle sich auch „neuen Aspekten öffnen“, so LZK-Präsident Dr. Torsten Tomppert, „und dafür eignet sich aktuell kaum ein Thema besser als die Telemedizin“. Telemedizinische Anwendungen finden in der Patientenversorgung zunehmend Einsatz. Mit „docdirekt“ hat die KVBW als erste Kassenärztliche Vereinigung in Deutschland ein Telemedizin-Projekt auf den Weg gebracht. Über das seit April laufende Modellprojekt berichtete der stv. Vorstandsvorsitzende der KVBW, Dr. Johannes Fechner, in einem Impulsreferat. Satzungsautonomie. Die Delegierten diskutierten gut vorbereitet und engagiert die Änderungen ihrer Satzungen, mit zahlreichen Vorschlägen und vielen Nachfragen. Fotos: Jan Potente sich um einen lebensbedrohlichen Notfall, leiten sie an die in Europa länderübergreifende Notrufnummer 112 weiter. In allen anderen Fällen geht das Gespräch an einen der 40 Tele-Ärzte von docdirekt. Der Tele- Arzt ruft den Patienten dann innerhalb von 30 Minuten zurück, erhebt die Anamnese und klärt das Beschwerdebild. Im Idealfall kann er den Patienten abschließend telemedizinisch beraten. Falls medizinisch erforderlich, leitet der Tele-Arzt den Patienten taggleich an eine verfügbare „patientennah erreichbare Portal-Praxis“, kurz PEP-Praxis, weiter. docdirekt richtet sich ausschließlich an gesetzlich versicherte Patienten in Stuttgart und Tuttlingen. Dr. Fechner zeigte sich überzeugt, dass das Projekt sich durchsetzen wird. „Wenn es die KV nicht macht, machen es andere – besser unter der Hoheit der Körperschaften.“ Und gedanklich ist er bereits einen Schritt weiter, „in einigen Jahren werden sämtliche Anrufe auf die europaweite Referenznummer 116117 geroutet werden“. Die Notaufnahmen in den Krankenhäusern sind überschwemmt. Verschärft wird die Situation in den Notaufnahmen durch den Ärztemangel auf dem Land und zunehmend auch in den Städten. „Wenn sich solche tiefgreifenden Veränderungen am Markt ergeben“, so Dr. Fechner, „ist es Aufgabe der KV vorne mit dabei zu sein und Lösungsansätze zu präsentieren“. Man habe also den Blick über die Landesgrenzen gerichtet, konkret nach Basel. Dort gibt es bereits seit 15 Jahren die Fernbehandlung per Telefon. Die Hälfte aller Schweizer nimmt daran teil und erhält 15 Prozent Beitragsnachlass. „Das System funktioniert und die Patienten nehmen die neuen telemedizinischen Möglichkeiten an“, so Dr. Fechner. Voraussetzung für den Start des Modellprojekts in Deutschland war die Lockerung des Fernbehandlungsverbotes, das in der Berufsordnung und damit im Zuständigkeitsbereich der Kammern geregelt ist. Im Juli 2016 gab die Vertreterversammlung der Landesärztekammer Baden-Württemberg grünes Licht: Modellprojekte, in denen ärztliche Behandlungen ausschließlich über Kommunikationsnetze durchgeführt werden, werden gestattet, bedürfen allerdings der Genehmigung und sind zu evaluieren. Am 16. April 2018 ging das Modellprojekt der KVBW an den Start: Bei akuten Erkrankungen können Patienten, sofern sie ihren behandelnden Arzt nicht erreichen, bei docdirekt anrufen. Die Telefone sind montags bis freitags zwischen 9 und 19 Uhr besetzt. Speziell geschulte Medizinische Fachangestellte erfassen bei jedem Anruf Personalien und Krankheitssymptome und klären die Dringlichkeit. Handelt es Notdienst und Zahnunfall. Gedanklich einen Schritt weiter ist auch LZK-Präsident Dr. Tomppert, dem ein telemedizinisches Projekt in der Zahnmedizin nicht zur Fernbehandlung, sondern „als Steuerungsfunktion im Bereich des Notdienstes und bei Zahnunfällen“ vorschwebt. Bezugnehmend auf die gegenwärtig intensiv geführte Debatte im Berufsstand zu Medizinischen Versorgungszentren sieht der Präsident den Notdienst „als Einfallstor für MVZ“. Erreichbar 24 Stunden am Tag an 365 Tagen im Jahr: Für MVZ ist das kein Problem, denn sie können unbegrenzt viele Zahnärztinnen und Zahnärzte in Voll- und Teilzeit einstellen und sind damit wirtschaftlich deutlich im Vorteil gegenüber den Einzel- und Gemeinschaftspraxen. In Stuttgart bieten Groß-MVZ den Niedergelassenen bereits eine Übernahme des Not- www.zahnaerzteblatt.de ZBW 8-9/2018
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