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MVZ – Kapitalinvestoren beschränken

Ausgabe 8-9/2018

16 Berufspolitik

16 Berufspolitik Geschäftsmodelle deshalb konsequent unterbinden. Bestehende MVZ sollten darüber hinaus nicht mehr zur Gründung weiterer MVZ berechtigt sein dürfen. Kürzlich haben Sie Bundesgesundheitsminister Spahn die detaillierte KZBV-Analyse zu Fremdinvestoren im Bereich zahnärztlicher MVZ zur Verfügung gestellt. Welche Wirkung erwarten Sie sich von solchen Daten? Wird es dazu einen Dialog geben? Anlässlich unseres diesjährigen Frühjahrsfestes hat der Minister in seinem Grußwort der Zahnärzteschaft explizit seine Dialogbereitschaft angeboten. Dieses Angebot haben wir gerne angenommen. Wir stehen mit Herrn Minister Spahn und etlichen Politikern aller Parteien in einem ständigen Austausch. Die mit den arztgruppengleichen MVZ eingeleitete politische Fehlsteuerung zu korrigieren, konkrete Versorgungsverbesserungen zu erzielen und die vertragszahnärztliche Versorgung zukunftsfest zu machen das ist und bleibt die Richtschnur für das Handeln der KZBV. Gerade beim Thema MVZ weisen wir konsequent auf bekannte Fehlentwicklungen hin und unterbreiten praktikable Lösungsvorschläge. Unsere Position ist dabei sehr klar: Wenn die Regierung das selbstgesteckte Ziel tatsächlich weiterverfolgt, möglichst gleichwertige Lebensbedingungen in ganz Deutschland zu schaffen, dann darf sie vor einer solchen fatalen Entwicklung wie der Kommerzialisierung und Kettenbildung bei arztgruppengleichen MVZ nicht einfach die Augen verschließen! Das bedeutet konkret, dass MVZ künftig ausschließlich fachübergreifend ausgestaltet werden dürfen und insbesondere der Spielraum für Finanzinvestoren konsequent beschränkt werden muss, bevor schädliche Veränderungen in Versorgungsstrukturen eintreten, die unumkehrbar sind. Noch ist es nicht zu spät, aber die Zeit drängt! Um den notwendigen Dialog konstruktiv zu führen und unseren Standpunkt sachlich zu Spielregeln. Gleiche Spielregeln für alle, „es wird also dringend Zeit, die ganz erheblichen Wettbewerbsvorteile arztgruppengleicher Zahnarzt-MVZ abzuschaffen und gleiche Anstellungsgrenzen für Praxen und MVZ zu verankern“, bekräftigt der KZBV- Vorstandsvorsitzende. untermauern, helfen uns unsere vorgelegten Analysen und belegbaren Daten. Diese Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache und können von der Politik kaum ignoriert werden. Sie zeigen, dass der Trend zu Zahnarzt-MVZ anhält und sich weiter verstetigt, dass zunehmend viele Fremdinvestoren in einer Art gold rush in den deutschen Dentalmarkt drängen mit allen entsprechenden versorgungspolitischen Kollateralschäden. Wie sieht die Situation auf dem Land denn heute konkret aus? Gibt es bereits Versorgungsengpässe? Auf Ebene der Planungsbereiche haben wir aktuell noch keine Versorgungsprobleme, in wenigen lokal begrenzten Fällen in Flächenländern lässt sich aber durchaus bereits heute von Unterversorgung sprechen. Diese Entwicklung wird sich verstärken und in absehbarer Zeit wird Unterversorgung auf der Mittelbereichsebene fast aller Kassenzahnärztlichen Vereinigungen in bestimmten Regionen Realität sein. Schon heute ist es eine Tatsache, dass Praxen in ländlichen und strukturschwachen Gegenden nicht mehr veräußerbar sind, wenn nicht schon früh eine junge Kollegin oder ein junger Kollege als Nachfolger in die Bestandspraxis integriert werden konnte. Findet sich kein Nachfolger, entsteht sofort und unwiderruflich konkrete Unterversorgung. Das ist inzwischen Realität auf dem Land und lässt das Gespenst einer Unterversorgung auf größeren Ebenen Realität werden, zumal in den nächsten Jahren demografiebedingt zahlenmäßig starke Zahnarztjahrgänge in den Ruhestand gehen. Mit der Konzentration reiner Zahnarzt-MVZ in gut bis sehr gut versorgten Gebieten wird also ein Ziel der Politik verfehlt: Die Ansiedelung von Praxen im ländlichen Raum mit dem Effekt der Vermeidung von Unterversorgung. Welche Maßnahmen würden Sie umsetzen, um die aktuelle Entwicklung umzukehren und die Berufsausübung auf dem Land auch für junge Kolleginnen und Kollegen interessant zu machen? Zunächst ist es ja so, dass angehende Zahnärztinnen und Zahnärzte übrigens anders als die jungen Ärzte den ländlichen Raum als Arbeitsort durchaus in Betracht ziehen. Einer Studie des Instituts der Deutschen Zahnärzte zum Berufsbild junger Zahnärzte zufolge, wollen zudem 80 Prozent der Befragten gerne in ihrer Heimatregion tätig sein. Die MVZ ziehen jedoch Nachwuchs aus ZBW 8-9/2018 www.zahnaerzteblatt.de

Berufspolitik 17 den ländlichen Regionen ab in die Ballungsgebiete. Um dem entgegenzuwirken, müssen mit einem gemeinsamen Kraftakt von Politik und Selbstverwaltung vor allem adäquate Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dazu zählen unter anderem Planungssicherheit, eine auskömmliche Honorierung sowie eine gute Infra struktur. Die Versorgung durch eine freiberuflich tätige Vertragszahnärzteschaft in bewährten Praxisstrukturen muss gefördert und die Degression als erhebliche Hürde für eine gute Versorgung endlich abgeschafft werden. Den jungen Zahnärzten muss also ein berufliches Umfeld nach ihren Vorstellungen abseits von Großversorgerstrukturen ermöglicht werden. Nur so lässt sich langfristig die flächendeckende und wohnortnahe Versorgung auch auf dem Land sichern. Muss hier auch der Gesetzgeber eingreifen? Selbstverständlich! Wir benötigen zur Schaffung der Rahmenbedingungen notwendigerweise auch den Gesetzgeber. Was wir im Rahmen der Selbstverwaltung leisten können, sind wir bereit zu tun. Vor allem benötigen wir vom Gesetzgeber eigenständige Steuerungselemente und gesetzliche Lösungen, die für unseren Versorgungsbereich passgenau sind. Dass Steuerungsinstrumente im ärztlichen und im zahnärztlichen Bereich gleich gut funktionieren, war schon immer ein Märchen. Die zahnärztliche Versorgung benötigt und verdient vielmehr eigenständige Steuerungsmechanismen. Das muss von der Politik endlich anerkannt und bei künftiger Gesetzgebung dann auch berücksichtigt werden. Dafür haben wir dem Minister konkrete Vorschläge unterbreitet. Bei MVZ und Ketten steht die Gewinnmaximierung über Therapiefreiheit und Qualität. Ist diese Befürchtung begründet? Ja, durchaus. Die zahnmedizinische Versorgung von mehr als 70 Millionen GKV-Versicherten droht derzeit zum Spielball von Kapitalinteressen und den ungezügelten Kräften des Marktes zu werden. Bei Investoren herrscht eine Goldgräberstimmung in der Hoffnung auf möglichst satte Gewinne. Im Unterschied zu tradierten Praxisformen, die nur zwei angestellte Zahnärztinnen und Zahnärzte pro zugelassenem Zahnarzt beschäftigen dürfen, können in MVZ ja beliebig viele angestellte Zahnärzte tätig werden. Dort gibt es im Unterschied zu tradierten Praxisformen keine Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung. Dazu fehlen derzeit Vorschriften für die MVZ, die eine regelmäßige fachliche Anleitung und Überwachung angestellter Zahnärzte bewirken. Nur wenn aber für die MVZ die gleichen Regelungen und Voraussetzungen gelten wie für traditionelle Einzel- und Mehrbehandlerpraxen, lässt sich eine vergleichbare Qualität in der Versorgung erreichen. Es wird also dringend Zeit, die ganz erheblichen Wettbewerbsvorteile arztgruppengleicher Zahnarzt-MVZ abzuschaffen und gleiche Anstellungsgrenzen für Praxen und MVZ zu verankern. Qualitätssichernde Maßnahmen müssen schließlich für beide Praxisformen gleichermaßen gelten. Sonst kann von einem fairen Wettbewerb endgültig keine Rede mehr sein. Vielmehr würden sich zwei unterschiedliche Arten von Zahnärzten in ungleichen Praxisformen etablieren, was versorgungspolitisch völlig inakzeptabel ist. Großversorger im Schutze eines MVZ auf der einen Seite und die Kollegen, die die restliche Versorgung leisten müssen: Ihr markanter Ausspruch vor den Delegierten der Vertreterversammlung hallt nach. Keine besonders erfreuliche Perspektive, oder? Ich hätte mich gerne einer etwas nüchterneren Wortwahl bedient, aber es ist schließlich wichtig, Klartext zu reden und die aktuellen Vorgänge nicht zu verharmlosen. Es zeichnet sich in der Tat ab, dass in Zukunft immer mehr Groß- investoren ihr Kapital im Dentalmarkt vermehren wollen und MVZ gut situierte Menschen in Städten und Ballungsgebieten versorgen, während wenige Zahnärztinnen und Zahnärzte mit Mühe und Not versuchen, auf dem Land und in strukturschwachen Regionen eine zunehmend prekäre Versorgung sicherzustellen. Das sind die beiden unterschiedlichen Arten von Zahnärzten, von denen ich gesprochen habe. Wenn reine Zahnarzt- MVZ dort Unterversorgung befeuern und in urbanen und einkommensstarken Regionen Überversorgung verstärken, dann ist das im Übrigen der direkte Weg in die berüchtigte Zwei-Klassen-Versorgung, von der ja immer behauptet wird, dass sie um jeden Preis verhindert werden müsse. Für ein derart düsteres Zukunftsszenario darf sich der Berufsstand nicht missbrauchen lassen. Ich persönlich bin auch unter keinen Umständen bereit, eine solche eklatante Fehlentwicklung einfach hinzunehmen. Es geht beim Thema MVZ um nicht weniger als um die Sicherstellung der flächendeckenden und wohnortnahen vertragszahnärztlichen Versorgung sowie um den Erhalt der Freiberuflichkeit! Dafür machen wir uns als KZBV auch weiterhin ohne Abstriche stark. Ich werde zusammen mit meinen Vorstandskollegen und allen konstruktiven Kräften des FVDZ und der BZÄK dafür sorgen, dass die Politik unseren Weckruf hört so lange es noch nicht zu spät ist. Herzlichen Dank für das Gespräch! Die Fragen stellte Guido Reiter. Info Beschlüsse der VV der KZBV im Internet: einfach QR-Code scannen! Link: https:// www.kzbv.de/ beschlusse-der- 4-vertreterver- sammlung-am- 22-und.1228. de.html www.zahnaerzteblatt.de ZBW 8-9/2018

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