12 Berufspolitik den VV-Delegierten. Teil des Konzepts sei der Verkauf der Zentren nach wenigen Jahren. Im Zentrum des Interesses der Fremdinvestoren stehe die Gewinnmaximierung. Bundesratsinitiative. Eindringlich warnt der Vorstand davor, das gut austarierte System, das seit Jahrzehnten eine exzellente Versorgung sicherstelle, ins Wanken zu bringen. Der Minister wird um eine eindeutige Positionierung gebeten und darum, hier sein bundespolitisches Gewicht in die Waagschale zu werfen und eine Bundesratsinitiative zu initiieren mit folgenden Inhalten: • Der Zutritt von Fremd- und Großinvestoren bei Gründung und beim Ankauf von MVZ-Ketten im Bereich der vertragszahnärztlichen Pressespuren Nach Übermittlung des Briefs an Sozialminister Manne Lucha hat sich Politikredakteur Willi Reiners eingehend mit der Thematik der großen zahnmedizinischen Versorgungszentren in Baden- Württemberg befasst. Berichtet wurde u. a. in den Stuttgarter Nachrichten, der Stuttgarter Zeitung und der Eßlinger Zeitung: „Die Kassenzahnärzte sorgen Versorgung soll verhindert werden. • Einer Vergewerblichung der medizinischen Versorgung und der Heilberufe darf nicht Vorschub geleistet werden. • Zahnmedizinische Versorgungszentren müssen verpflichtet werden, im Rechtsverkehr sowie in der Außendarstellung des MVZ die Gesellschafter sowie die Rechtsform der Trägergesellschaft zu benennen. • MVZ, in denen Zahnärzte tätig sind, sollen ausschließlich fachgruppenübergreifend tätig sein. In den Vertreterversammlungen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (s. Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden Dr. Wolfgang Eßer) debattierten die Delegierten das Thema intensiv. Auf Bundesebene brachte sich die KZV BW innerhalb der AG KZVen mit zahlreichen Redebeiträgen und gemeinsamen, gut ausgearbeiteten Anträgen ein. » guido.reiter@kzvbw.de Info Lesen Sie den Brief des Vorstandes der KZV BW an Sozialminister Manne Lucha: einfach QR-Code scannen! Link: https://newsportal.kzvbw.de/ wp-content/ uploads/Z-MVZ- Schreiben-an- Minister-Lucha.pdf sich um die Versorgung. Der Grund: In Ballungsräumen gibt es immer mehr Großpraxen mit angestellten Zahnärzten – die dann als Freiberufler in der Einzelpraxis auf dem Land fehlen.“ Reiners nennt auch auf die als problematisch angesehenen Aktivitäten von Fremdinvestoren, die Z-MVZ als „lukrative Geldanlage“ sehen, und zitiert KZV-Vorstandsvorsitzende Dr. Ute Maier: Damit drohe die Gefahr, dass künftig die „Gewinnmaximierung der freien Therapieentscheidung des Zahnarztes vorgezogen wird“. Hier geht’s zum Beitrag der Stuttgarter Nachrichten, einfach QR-Code scannen: 400 1200 350 300 1000 250 200 GKV Versorgungsstärkungsgesetz 800 600 150 100 400 200 50 0 0 I/14 II/14 III/14 IV/14 I/15 II/15 III/15 IV/15 I/16 II/16 III/16 IV/16 I/17 II/17 teilnehmende medizinische Versorgungszentren bei medizinischen Versorgungszentren angestellte Zahnärzte Anstieg. An der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmende MVZ und dort angestellte Zahnärzte in Deutschland. Quelle: KZBV Jahrbuch 2017 ZBW 8-9/2018 www.zahnaerzteblatt.de
Berufspolitik 13 Kommentar MVZ – oder wie Kommerz die Versorgungslandschaft verändert Mit dem seit Januar 2004 in Kraft getretenen GKV-Modernisierungsgesetz fing alles an. Erstmals im deutschen Gesundheitswesen wurden fachübergreifende Medizinische Versorgungszentren (MVZ) als zusätzliche Versorgungsform eingeführt. Dann ging die Entwicklung langsam, aber stetig voran. Deutschlandweit gab es bis zum Jahr 2015 knapp 2300 MVZ-Gründungen, davon aber nur 28 mit zahnärztlicher Beteiligung. Mit Verabschiedung des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes im selben Jahr, mit dem arztgruppengleiche MVZ zugelassen wurden, ist die Anzahl rein zahnärztlicher MVZ bis Frühjahr 2018 sprunghaft auf bereits 544 MVZ angewachsen, mit weiter stark steigender Tendenz. Die Hälfte dieser MVZ werden mittlerweile von Großkapitalinvestoren mittels ganzer MVZ-Ketten organisiert und mit attraktiven Renditeversprechen wirtschaftlich betrieben. Damit werden immer mehr und vor allem jüngere Zahnärztinnen und Zahnärzte angelockt, in diesen Großstrukturen im Angestelltenverhältnis zu arbeiten und sich nicht mehr wie früher in selbstständiger Tätigkeit in Einzeloder Gemeinschaftspraxis niederzulassen. Angesichts dieser Entwicklung stellt sich mir die Frage, wie wir, die zahnärztliche Profession insgesamt und die körperschaftlichen Selbstverwaltungen im Besonderen, auf diese Entwicklung reagieren sollen, ohne von ihr überrollt zu werden. Das Mauerwerk einer bis dato auf einem sicheren Fundament stehenden und stabil zementierten (zahn-) ärztlichen Versorgungslandschaft mit gut behüteter Einzelpraxisstruktur wird durch immer mehr MVZ-Rammböcke erschüttert und fängt an, Risse zu bekommen. Ein Flächenbrand droht, den es abzuwenden gilt. Denn eines hat die Entwicklung, vor allem der Politik, drastisch vor Augen geführt: Die neu ermöglichten arztgruppengleichen MVZ siedeln sich hauptsächlich in den Städten und im suburbanen Umland an, weniger auf dem Lande. Das ursprüngliche Ziel der Politik, die medizinische Unterversorgung im ländlichen Raum abzubauen, wurde mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz ins Gegenteil verkehrt. Der Magneteffekt städtischer MVZ-Gründungen forciert somit die Unterversorgung auf dem Land als auch die Überversorgung in der Stadt. Mit dieser Fehlsteuerung will die Politik anscheinend nichts mehr zu tun haben. Zumindest im Referentenentwurf zum Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) finden sich leider keinerlei Regelungen, fachgruppengleiche MVZ zu verbieten, insbesondere den Aufkauf und die Gründung von zahnärztlichen MVZ durch Großinvestoren, die den Markt mit weiteren Dentalketten aufmischen wollen. Die zahnärztlichen Spitzeninstitutionen sind bereits mit der Politik im Gespräch. Mit einheitlicher Stimme wird die Bundesregierung aufgefordert, zeitnahe Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Dabei ist den Verantwortlichen im BMG auch klarzumachen, dass die gesamten freiberuflichen Errungenschaften einer bisher flächendeckenden zahnärztlichen Versorgung der Bevölkerung auf qualitativ hohem Niveau gefährdet sein können, weil die MVZ nicht der Foto: fotolia rcfotostock beruflichen Kammeraufsicht und damit der Einhaltung von Berufspflichten unterliegen. Damit würden auch Patientenschutz und Qualitätssicherung unter Umständen einem kurzsichtigen Renditestreben geopfert. Brandbriefe und MVZ- Verbotsforderungen an die Adresse des Gesetzgebers sind wichtig, aber nur die eine Seite, ganz davon abgesehen, was die EU- Kommission in Brüssel später dazu sagen wird. Für die Zukunft ebenso relevant ist meines Erachtens die Analyse der zahnärztlichen beruflichen Strukturen im Rahmen der gesamtgesellschaftlichen Veränderungen. Der Berufsstand muss sich diesen neuen Anforderungen en detail stellen. Wie gehen wir in Zukunft mit den wachsenden Wünschen vieler junger Kolleginnen und Kollegen, insbesondere der Millennials um, die sich in einem angestellten Arbeitsverhältnis eine bessere Work-Life-Balance wünschen? Sind Genossenschaftsmodelle, eine intensivere Förderung von Einzelpraxen und ÜBAGs zahnärztlich sinnvolle Alternativen zu MVZ-Strukturen? Wie kann der zahnärztliche Notfalldienst so organisiert werden, dass er mit den 24/7-Versprechungen der MVZ mithalten kann? Wir müssen gemeinsam klare Konzepte mit Zukunftsperspektiven entwickeln, überzeugend präsentieren und verantwortungsvoll umsetzen. Dieser professionsinterne Anspruch ist Chance und Aufgabe zugleich. Dr. Torsten Tomppert Präsident der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg www.zahnaerzteblatt.de ZBW 8-9/2018
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