28 Fortbildung Update Oralchirurgie Ausgeprägtes Odontom im Unterkiefer Das Odontom stellt einen der häufigsten odontogenen Tumore dar. Häufig sind sie mit Störungen des Zahndurchbruchs und Zahnretentionen assoziiert. Kommt es zu einer rechtzeitigen Entfernung des Durchbruchhindernisses ist ein Spontandurchbruch der retinierten Zähne möglich. Im vorliegenden Fall konnte nach Entfernung eines ausgeprägten Odontoms im anterioren Unterkiefer eines kleinen Jungen der weitere Verlauf für über ein Jahr dokumentiert werden. Ein achtjähriger Patient wurde von der Hauszahnärztin aufgrund einer Raumforderung im anterioren Unterkiefer überwiesen. Zum Zeitpunkt der Erstvorstellung wies der Patient keine Allgemeinerkrankungen auf. Der extraorale Befund war unauffällig. Intraoral imponierten, bei altersentsprechender Dentition im Oberkiefer, in der Unterkieferfront die persistierenden Zähne 73, 72, 71 und 81 sowie Zahn 42. Regio 73 bis regio 83 zeigte sich eine vestibulär tastbare, knochenharte, schmerzlose Auftreibung des Knochens bei intakter Mukosa (Abbildung 1). Die Zähne 73, 72, 71, 81 und 42 reagierten positiv auf den Kältetest, die Sensibilität des Nervus alveolaris inferior war nicht beeinträchtigt. Eine Schmerzsymptomatik bestand nicht. Die Raumforderung war bis dato noch nicht aufgefallen, eine durch die Hauszahnärztin angefertigte Panoramaschichtaufnahme zur Abklärung der Lage der bleibenden Unterkiefer Inzisivi hatte zu dem Befund geführt. Auf der Panoramaschichtaufnahme imponierte eine im Durchmesser circa 20 mm große, scharf begrenzte intraossäre Veränderung in der anterioren Mandibula mit zentraler schmelzund dentindichter Verschattung und interponierten Aufhellungsarealen. Die persistierenden Milchzähne 72, 71 und 81 waren apikal deutlich nach lateral verdrängt, die retinierten Zähne 31, 32 und 41 waren deutlich nach lateral-kaudal verdrängt (Abbildung 2). Abb. 1 Abb. 2 Intraorale präoperative Situation mit den persistierenden Zähnen 72, 71 und 81 bei deutlicher Achsabweichung und vestibulärer Auftreibung (Abb. 1). Präoperative Panoramaschichtaufnahme mit der Raumforderung im anterioren Unterkiefer und Verlagerung der retinierten Zähne 31, 32, 41 und den persistierenden Zähnen 71, 72 und 81 (Abb. 2). Abb. 3 Abb. 4 Axiale und sagitale Darstellung der Raumforderung in der DVT mit deutlicher Auftreibung des Unterkieferkorpus und Ausdünnung der Kompakta (Abb. 3 u. 4). Abbildungen: Dr. Georg Huber ZBW 11/2016 www.zahnaerzteblatt.de
Fortbildung 29 Befund. Zur weitergehenden Diagnostik und Lagebestimmung der retinierten Zähne erfolgte die Anfertigung einer dentalen Volumentomographie. Hierbei imponierte der ausgedehnte Befund im anterioren Unterkiefer sowie die Verlagerung der Zähne 31, 32 und 41. Die Wurzel des in die kaudale Kompakta des Unterkiefers verlagerten Zahnes 31 wies eine deutliche Krümmung von 90 Grad bei nahezu abgeschlossenem Wurzelwachstum auf. Die Kompakta des Unterkiefers präsentierte sich im Bereich der Läsion deutlich ausgedünnt und aufgetrieben. Die radiologische Charakteristika erhärtete die Verdachtsdiagnose eines zusammengesetzten Odontoms (Abbildung 3 und 4). In Intubationsnarkose erfolgte die Darstellung des Unterkiefers mittels eines Zahnfleischrandschnittes. Nach Präparation des Mukoperiostlappens und Entfernung der persistierenden Zähne 73, 72, 71 und 81 erfolgte die vorsichtige partielle Abtragung der dünnen, vestibulär den Tumor bedeckenden Kompakta (Abbildung 5). Nach Zerteilung des knochenharten Tumors konnte dieser unter Schonung der benachbarten retinierten Zähne in toto entfernt werden. Auf Grund der starken horizontalen Verlagerung und der massiven Wurzelkrümmung bei nahezu abgeschlossenem Wurzelwachstum erfolgte zusätzlich die Entfernung des retinierten Zahnes 31. Nach Reposition des Mukoperiostlappens erfolgte der primäre Wundverschluss mit resorbierbaren Nähten. Das Resektat zeigt den gut abgegrenzten Tumor mit seiner glatten Oberfläche und der bindegewebigen Kapsel (Abbildung 6). Die histopathologische Aufarbeitung sicherte die Diagnose eines zusammengesetzten Odontoms. Der postoperative Verlauf gestaltete sich komplikationslos. Kontrolle. Es erfolgten halbjährliche Kontrollen zur Überwachung des weiteren Zahndurchbruchs und der Einstellung der Zähne 33, 32 und 41. Nach sechs Monaten präsentierte sich radiologisch eine deutliche Einstellungstendenz der Zähne 33 und 41 sowie eine vollständige knöcherne Durchbauung der Resektionshöhle. Zahn 32 war bereits durchgebrochen. Nach zwölf Monaten präsentierte sich der Zahn 32 regelrecht eingestellt, Zahn 33 befand sich in regelrechter Position im Durchbruch und Zahn 41 befand sich kurz vor dem Durchbruch in deutlichem Vestibulärstand (Abbildung 7 und 8). Nach vollständigem Durchbruch aller bleibenden Zähne ist eine kieferorthopädische Therapie mit Lückenschluss in der Unterkieferfront geplant. Diskussion. Odontome sind gutartige Fehlbildungen oder Läsionen odontogenen Ursprungs, die heutzutage weniger als echte Tumoren sondern als entwicklungsbedingte Anomalie der Zahnleiste angesehen werden, jedoch weiterhin den odontogenen Abb. 5 Abb. 6 Raumforderung. Darstellung der Raumforderung nach Präparation eines Mukoperiostlappens und Abtragung der vestibulären Kompakta (Abb. 5). Odontom. Das Resektat zeigt die glatt begrenzte, harte Oberfläche des Odontoms mit der anhängenden bindegewebigen Kapsel (Abb. 6). Abb. 7 Abb. 8 Intraorale und radiologische Situation ein Jahr postoperativ. Die Zähne 42 und 32 sind regelrecht eingestellt, Zahn 33 befindet sich im Durchbruch. Der Zahn 41 befindet sich vestibulär von Zahn 42 kurz vor dem Durchbruch (Abb. 7 u. 8). www.zahnaerzteblatt.de ZBW 11/2016
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