20 Fortbildung Dentale Implantologie: Implantat-Abutment-Verbindung Positionsstabilität und Mikrospalt im Fokus In zweiteiligen Implantaten ist die Implantat-Abutment-Verbindung als Anschlag- oder Konusverbindung gestaltet, welche die Höhensicherung des Abutments definiert. Die Verdrehsicherung (Rotationssicherung) des Abutments variiert zwischen drei geometrischen Designs (Polygonal, Polygonprofil, Nut-Nocken-Design). Bei De- und Remontage prothetischer Komponenten zeigen sich z. T. deutliche Positionsabweichungen, welche die weiteren prothetischen Schritte beeinflussen. Die Implantat-Abutment-Verbindung zeigt unabhängig von ihrem Design eine Mikrobeweglichkeit des Abutments und es besteht immer ein Mikrospalt zwischen Implantat und Abutment, der in Abhängigkeit von der Belastung variiert. Als Folge können Abriebpartikel im Implantatinneren auftreten. Neben der Besiedlung von Bakterien im Implantatinneren wird neuerdings auch die Freisetzung von Ionen und Partikeln aus der Implantat-Abutment-Verbindung diskutiert. Es bleibt bis heute allerdings ungeklärt, ob diese einen Einfluss auf das Hart- und Weichgewebe, beispielsweise im Rahmen der Periimplantitis, ausüben. Implantat-Abutment-Verbindungen. Dem implantologisch tätigen Zahnarzt oder Oralchirurgen stehen heute sowohl ein- als auch zweiteilige Implantatsysteme in steigender Anzahl zur Verfügung. Bei den häufig verwendeten zweiteiligen Implantatsystemen unterscheidet man einen Implantatkörper, welcher in den Knochen inseriert wird, von einem Implantataufbau (Abutment), der durch eine Abutmentschraube fixiert wird. Auf diesem Abutment lässt sich die Suprakonstruktion befestigen (zementiert bzw. verschraubt). Abb. 1 Zweiteilige Implantatsysteme. Längsschnitt durch die Implantat-Abutment-Verbindung zweiteiliger Implantatsysteme: Horizontale Konusverbindung (links) und Anschlagverbindung (rechts). Die Rotationssicherung (weiße Pfeile) liegt hier innerhalb des Implantatkörpers (intern), liegt die Rotationssicherung (rechtes Bild, weiße Pfeile) ausserhalb des Implantatkörpers so besteht eine externe Verbindung. Die Kontaktflächen zwischen Implantat und Abutment dienen der Höhensicherung des Abutments (jeweils rote Pfeile). IM = Implantat, A = Abutment, S = Abutmentschraube (Abb. 1). Die Positionierung des Abutments im Implantat erfolgt im dreidimensionalen Raum, dies bedeutet, dass das Abutment in vertikaler (Höhensicherung) und horizontaler (Verdrehsicherung) Richtung sowie in Angulation gesichert platziert werden sollte. Die Höhensicherung des Abutments erfolgt auf einer Kontaktfläche zwischen Implantat und Abutment, je nachdem wie diese Kontaktfläche anguliert ist, wird grundsätzlich eine horizontale Anschlag- von einer Konusverbindung unterschieden (Abb. 1). Die Verdrehsicherung (Rotationssicherung) des Abutments variiert je nach Implantatsystem in ihrem geometrischen Design und wird auch als Positionierungsindex bezeichnet (Abb. 2) [Binon 2000]. Fast alle auf dem Markt erhältlichen zweiteiligen Implantatsysteme weisen eine der drei geometrischen Formen der Rotationssicherung auf: (a) Polygonal (b) Polygonprofil oder (c) Nut- Nocken Design (Abb. 2) [Binon 2000, Nelson 2013]. In den 1960er-Jahren wurde mit dem Brånemark- Implantat das erste dentale Implantat mit einer horizontalen Anschlagverbindung (butt-joint) und einem außerhalb des Implantatkörpers liegenden sechskantigen Positionierungsindex (externes Hexagon) eingeführt [Brånemark et al. 1977]. Zahlreiche Untersuchungen zeigen auf, dass bei Implantaten mit externem Sechskant ein erhöhtes Risiko für Lockerungen oder Frakturen der Abutmentschraube als mechanische Komplikationen besteht [Adell et al. 1990]. In den 1980er-Jahren wurde mit dem sog. ITI-Implantat erstmalig eine konische Implantat-Abutment-Verbindung eingeführt, diese besaß initial keinen Positionierungsindex; 1999 wurde in der Form eines Achtkant (Oktagon) ein Positionierungsindex eingeführt [Sutter et al. 1993]. Positionsstabilität. Während der prothetischen Zwischenschritte bis zur Eingliederung der Suprastruktur ist ein vielfaches Lösen und Repositionieren von Implantatkomponenten notwendig. Positionsänderungen der Implantatkomponenten oder des Abutments können zu Fehlpassungen der definitiven Restauration führen [Semper et al. 2010b]. ZBW 11/2016
Fortbildung 21 Abb. 2 Rotationssicherung. Darstellung der Verdrehsicherung (Rotationssicherung) der Implantat-Abutment-Verbindung. Diese wird auch als Positionierungsindex bezeichnet. Die häufig verwendeten drei geometrischen Formen sind Polygonal (a) Polygonprofil (b) und Nut-Nocken Design (c) (Abb. 2). Abbildungen: Fretwurst/Semper-Hogg/Nelson Rotationssicherung. Aktuelle In-vitro-Untersuchungen verschiedener handelsüblicher Implantatsysteme zeigten mögliche Positionsänderungen des Abutments unterschiedlichen Ausmaßes nach wiederholter Remontage [Semper et al. 2010a, Semper-Hogg et al. 2013, Semper-Hogg et al. 2015]. Die Rotationsmöglichkeit heute erhältlicher Implantatsysteme entsprach in der Mehrzahl der bereits 1996 ermittelten Werte für das externe hexagonale Positionierungsindexdesign (4°) (Brånemark-Implantat) oder wies sogar gesteigerte Positionsabweichungen (> 7°) auf [Binon 1996]. Analytische Studien zur Rotationsfreiheit des Abutments beschreiben neben verschiedenen beeinflussenden Parametern für unterschiedliche Designs eine Abhängigkeit der Rotationsfreiheit von dem möglichen Spiel der Verbindung, das durch Herstellungstoleranzen beeinflusst werden kann [Semper et al. 2009a, Semper 2009b]. Nut-Nocken-Verbindungen erweisen sich aufgrund ihres geometrischen Prinzips im Rahmen der theoretischen Analyse im Vergleich zu Polygonprofilen und polygonalen Positionierungsindexdesigns als rotationsstabiler. Höhensicherung der Position. Gesteigerte Höhenänderungen (15 bis 144 µm) des Abutments wurden für Implantatsysteme mit Konusverbindungen beobachtet [Semper et al. 2010a, Semper-Hogg et al. 2013, Semper-Hogg et al. 2015]. Diese resultierten sowohl bei von den Herstellern für die prothetischen Zwischenschritte empfohlener handfester Verschraubung, als auch bei wiederholtem Anzug der Abutmentschraube mit systemspezifischem Drehmoment [Semper et al. 2010a, Semper-Hogg et al. 2013, Semper- Hogg et al. 2015]. Mikrospalt zwischen Implantat und Abutment. Seit 1997 zeigten In-vitro-Untersuchungen, dass weder die horizontale Anschlagverbindung noch die konische Implantat-Abutment-Verbindung eine Passage von Mikroorganismen und ihren Zerfallsprodukten (microleakage) verhindert [Jansen et al. 1997, Aloise et al. 2010, Hader 2010]. Die Visualisierung dieses Mikrospaltes gelang erstmalig unter Nutzung harter Synchrotronröntgenstrahlen und erlaubt heute eine erweiterte Einsicht in die Funktionsweise der Implantat-Abutment-Verbindung und somit dentaler Implantate (Abb. 3) [Rack 2010, Zabler 2012, Nelson 2013, Rack 2013]. Das Vorhandensein eines Mikrospaltes größer 0.1 µm ohne Belastung und bis zu 30 µm mit Belastung ist heute unstrittig. Das Microleakage wird bislang mit dem Auftreten verschiedener biologischer Komplikationen, beispielsweise einem erhöhten krestalen periimplantären Knochenverlust der sogenannten Periimplantitis assoziiert [Broggini et al. 2003, Weng et al. 2010, Canullo 2015]. Aktuelle Veröffentlichungen betonen, dass neben dem Microleakage und der damit assoziierten bakteriellen Kontamination des Implantatinneren sowie dem chirurgischen und prothetischen Vorgehen, weitere z. T. noch unbekannte Faktoren eine Periimplantitis begünstigen können [Albrektsson 2016]. Freisetzung von Metallpartikeln. Untersuchungen von unterschiedlichen Implantat-Abutment-Verbindungen nach Belastung mit unterschiedlichen Kräften zeigen Abriebspuren an den Innenflächen des Abutments und des Implantates sowie Abriebpartikel im Implantat (Abb. 4) [Stimmelmayr 2012, Blum 2015]. Eine aktuelle Hypothese geht davon aus, dass diese Partikel durch den Mikrospalt zwischen Implantat und Abutment, der www.zahnaerzteblatt.de ZBW 11/2016
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