12 Titelthema nicht mehr das Thema, mit dem Politiker Schlagzeilen machen – zumindest nicht die deutschen. Allerdings beobachten Berufsverbände und Körperschaften mit Sorge die Harmonisierungsbestrebungen innerhalb der EU zur Realisierung des Europäischen Binnenmarkts (s. Kästen). Die zuständige polnische EU-Kommissarin Elżbieta Bieńkowska, seit 2014 im Amt, hat im Rahmen der sog. „Binnenmarktstrategie“ die Freien Berufe ins Visier genommen: „Trotz aller bisherigen Fortschritte gibt es – vor allem im Dienstleistungssektor – immer noch zu viele nicht unerhebliche wirtschaftliche Hindernisse. Nach Schätzungen der Kommission dürfte das BIP der EU durch eine ambitioniertere Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie um 1,8 Prozent steigen“, konstatierte sie vor einem Jahr. Im Ausland tätige Unternehmen und Freiberufler würden immer noch dadurch behindert, dass Berufe unterschiedlich und manchmal inkohärent reguliert würden und bestimmte Berufe EU-weit „geschützt“ seien. Deregulierungsdruck. Die Europäische Kommission kündigte in ihrem Strategiepapier unter anderem die Festlegung eines Analyserasters an, nach dessen Vorgaben die Mitgliedstaaten künftig werden nachweisen müssen, „dass die Gemeinwohlziele ausschließlich durch Zugangsbeschränkungen oder Verhaltensregeln für die betreffenden beruflichen Tätigkeiten erreicht werden können“. Schaffen die Mitgliedstaaten dies nicht, darf man vermuten, dass die jeweiligen Regierungen an einer Änderung der gesetzlichen Vorgaben nicht vorbeikommen. Alarmiert wurden Vertreter der Freien Berufe, als im vergangenen Jahr gegen Deutschland und fünf weitere EU-Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren wegen unzureichender Einhaltung der Dienstleistungsrichtlinie gestartet wurden. Das Verfahren gegen Deutschland betraf die Bestimmungen über verbindliche Mindestpreisregelungen in der Honorarordnung für Architekten Europäischer Binnenmarkt Der Europäische Binnenmarkt, an dem die 28 Mitgliedstaaten der EU beteiligt sind, ist – gemessen am Bruttoinlandsprodukt – der größte gemeinsame Wirtschaftsraum der Welt. Er basiert rechtlich auf den vier Grundfreiheiten: • Freier Warenverkehr: Unbeschränkter Handel zwischen den Mitgliedstaaten • Personenfreizügigkeit: Unionsbürger dürfen sich in allen Mitgliedstaaten frei bewegen • Dienstleistungsfreiheit: Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs in den Mitgliedstaaten sind verboten. (Dennoch sind die nach nationalem Recht notwendigen Formalitäten einzuhalten. Die Europäische Dienstleistungsrichtlinie soll hier zu einer Liberalisierung beitragen.) • Freier Kapital- und Zahlungsverkehr: Für Gelder und Wertpapiere in beliebiger Höhe Zur Umsetzung der vier Grundfreiheiten und damit zur Realisierung des Europäischen Binnenmarkts ist in der Regel eine Harmonisierung der nationalen Gesetze erforderlich. Die Beseitigung der Binnengrenzen wird u. a. durch die Europäische Kommission und den Europäischen Gerichtshof auch gegen die Mitgliedstaaten durchgesetzt, etwa in Vertragsverletzungsverfahren („negative Integration“). Neue Gesetze werden geschaffen („positive Integration“), beispielsweise in Sachen Verbraucherschutz, Umweltschutz und Verkehr. Ein wichtiges Instrument zum Abbau der Handelshemmnisse sind die europaweit harmonisierten technischen Normen (EN). und Ingenieure (HOAI) und in der Steuerberatergebührenordnung. Die Kommission forderte die Bundesregierung auf, die gesetzlichen Mindestsätze für die drei Berufsgruppen abzuschaffen, da sie ihrer Meinung nach gegen geltendes EU-Recht verstießen. Es gebe keinen Beleg dafür, dass die Mindestsätze dazu beitrügen, hohe Qualitätsstandards sicherzustellen. Vielmehr behinderten sie den Wettbewerb und verteuerten die erbrachten Leistungen für die Verbraucher. Im Februar dieses Jahres läutete die Kommission für vier Mitgliedstaaten inklusive Deutschland die nächste Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens ein. Da Deutschland in der Zwischenzeit angekündigt hatte, im Fall der Steuerberater Reformen vorzunehmen, stehen seither nur Architekten und Ingenieure im Schussfeld. Andere Vertreter der Freien Berufe, auch Ärzte und Zahnärzte, befürchten allerdings, dass es auf längere Sicht nicht bei diesen Berufsgruppen bleiben könnte. Vorsorge. Schon im vergangenen Jahr hatten die Vertreterversammlungen von KZBV und KZV BW das angelaufene Vertragsverletzungsverfahren zum Anlass genommen, Strategien für den Erhalt der Freiberuflichkeit der Heilberufe voranzutreiben. Die offenkundig gewordenen Bestrebungen zur undifferenzierten Deregulierung der Freien Berufe lehnten sie mit großer Deutlichkeit ab. Beim 11. Europatag von BZÄK und Bundesverband der Freien Berufe (BFB) im Juni fand auch Dr. Andreas Gassen klare Worte: „Unsere Freien Berufe sind das ideale Best-practice- Beispiel für effiziente, staatsferne Regulierung mit starkem, kompromisslosem Qualitätsanspruch“, erklärte der BFB-Vizepräsident und KBV-Vorstandsvorsitzende. „Daher ist es nicht nachvollziehbar, dass das System der Freien Berufe nicht als Blaupause genommen wird, sondern unter Rechtfertigungsdruck gerät.“ Ein Abbau berufsrechtlicher Regelungen werde massive Auswirkungen auf die Qualität freiberuflicher Leistung haben, betonte BZÄK- Präsident Dr. Peter Engel auf dem Europatag. Eine rein ökonomisierte Betrachtung von berufsrechtlicher Regulierung greife zu kurz. » schildhauer@meduco.de ZBW 11/2016 www.zahnaerzteblatt.de
Titelthema 13 Kernbereiche der Selbstverwaltung in der KZV BW Ein Mehr an Service Die aktuellen Diskussionen um die EU-Harmonisierung auf Kosten der Freiberuflichkeit oder der Entwurf eines Selbstverwaltungsstärkungsgesetzes, das diesen Namen nicht verdient, beleuchten nur einen Teilaspekt dessen, was Selbstverwaltung im Alltag eigentlich ausmacht. Die originären Aufgaben der Körperschaft, wie die Sicherstellung der vertragszahnärztlichen Versorgung mit Abrechnung der vertragszahnärztlichen Leistungen, die Durchführung von Vertragsverhandlungen und das Prüfwesen sind klar umrissen. Darüber hinaus ist die KZV BW jedoch vor allem die Interessensvertretung ihrer Mitglieder, sie ist Anlaufstelle für alle Fragestellungen und Probleme in vertragszahnärztlichen Angelegenheiten und bietet immer mehr Service. Chefsache. Kolleginnen und Kollegen, die Rat, Schutz oder Hilfe in vertragszahnärztlichen Angelegenheiten suchen, sind bei der KZV BW an der richtigen Adresse. „Wir sind zwar eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, aber eben auch Dienstleister.“ Mit dieser Aussage macht die gerade wiedergewählte Vorstandsvorsitzende Dr. Ute Maier klar, wo ein Schwerpunkt für die nächste Legislaturperiode liegt „Unser Ziel ist es, die KZV BW in dieser Richtung weiter auszubauen. Neben der Vertretung zahnärztlicher Interessen in der Öffentlichkeit und gegenüber der Politik gehören dazu ganz konkret Beratungs-, Schutz- und Hilfsangebote für unsere Kolleginnen und Kollegen.“ Portfolio. Schon in den letzten Jahren hat die KZV BW ihr Informations- und Beratungsangebot stetig ausgebaut und dem Bedarf angepasst, zum Teil in Kooperation mit anderen Organisationen, z. B. der LZK. Mit Veranstaltungen wie dentEvent „Beruf & Familie“ und „SnowDent“ trugen und tragen KZV und LZK gemeinsam den Veränderungen im zahnärztlichen Berufsbild Rechnung. Regelmäßige Rückmeldungen der Teilnehmer, auch aus anderen Fortbildungsseminaren, sowie dem gemeinsamen Arbeitskreis FutureNow – Junge Zahnärzte in Baden-Württemberg lieferten und liefern Hinweise, welche Themen die Kollegenschaft, die Studentinnen und Studenten der Zahnmedizin sowie junge Zahnärztinnen und Zahnärzte am Beginn ihrer beruflichen Kariere beschäftigen, und fließen in die Gestaltung neuer Inhalte ein. Aktuelle Aktivitäten des Gesetzgebers spiegeln sich postwendend im Portfolio wider: Die Verabschiedung des sog. „Antikorruptionsgesetzes“ Mitte April beispielsweise, das die Heilberufe insgesamt unter Generalverdacht stellt, nahm die KZV BW zum Anlass, einen neuen Weg zu Foto: KZBV beschreiten: Mit dem KZV-Compliance-Beratungsmodell schafft sie einen „sicheren Raum“ für Gespräche, in denen Zahnärztinnen und Zahnärzte mit professioneller Unterstützung Sachverhalte abklären können, ohne rechtliche Nachteile befürchten zu müssen (s. auch ZBW 5/2016). Hotline 0800-7244457. Auch das neueste Angebot, der „Beratungsservice zur Wirtschaftlichkeitsprüfung“ trifft offenbar einen Nerv. Die KZV hat dafür eigens eine Hotline eingerichtet. Eine Wirtschaftlichkeitsprüfung wird von den Praxisinhabern subjektiv meist als Stress empfunden, wie Bernhard Maier, Leiter der Stabsstelle Notdienst und Wirtschaftlichkeitsprüfung, berichtet. Er muss es wissen: 30 Jahre lang war er Abteilungsleiter im Bereich Wirtschaftlichkeitsprüfung in der KZV Nordbaden bzw. Leiter der Prüfungsstelle Baden- Württemberg. Die Gewissheit, eine einwandfreie Dokumentation zu haben, kann diese Situation entschärfen. Zweck des Beratungsservice ist in erster Linie die Vermeidung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung. Auf Wunsch ist auch eine Beratung in laufenden Prüfverfahren möglich. Bewährtes und Neues. Neben dem Bezug von Printmedien oder der Beratung in Form von Vorträgen, Seminaren oder Einzelgesprächen, beispielsweise im Rahmen der Niederlassungsberatung, gibt es für Interessierte auch die Möglichkeit, sich per Mail über aktuelle Vorgänge informieren zu lassen. Online ist die KZV BW über Website und Social Media gut aufgestellt. Die Abrechnungsleitlinien auf der Website und mobile Apps für Android und iOS ergänzen das Beratungs- und Informationsangebot, so die „Gebühren- App“, ein Handwerkszeug für die tägliche Arbeit in der Praxis (s. auch ZBW 12/2015), und die „Zahn-App“. Letztere dürfte vor allem Patienten interessieren und kann so dem Zahnarzt auch mal Erklärungsarbeit abnehmen. » schildhauer@meduco.de www.zahnaerzteblatt.de ZBW 11/2016
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