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Mundgesundheit im Wandel der Zeit

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Ausgabe 10/2017

20 Titelthema 51.

20 Titelthema 51. Bodenseetagung der BZK Tübingen in Konstanz Kinderzahnheilkunde – ein schöner Schwan Dem Bodensee war man treu geblieben mit der Wahl des historischen Konstanzer Konzils als Tagungsort. Und auch bei den Metaphern blieb man in Seenähe: Prof. Haller, wissenschaftlicher Leiter des gutbesuchten Kongresses, nannte die diesjährige Thematik, die Kinderzahnheilkunde, einen „schönen Schwan“. Und das aus gutem Grund: Nicht nur kann man vielen Kindern mit zahnärztlichen Mitteln aus dem Hässlichen-Entlein-Stadium heraushelfen. Auch das Fach selbst und der Berufsstand haben Anlass, die Flügel zu spreizen, denn mit Herz und Fachwissen für das Wohl von Kindern zu arbeiten, ist eine wunderbare Sache. Dr. Wilfried Forschner, Vorsitzender der Bezirkszahnärztekammer Tübingen, erinnerte in seiner Begrüßung daran, dass im Konzilgebäude vor 600 Jahren der größte Kongress des Mittelalters stattfand. Die geschätzten 70.000 Konzilbesucher verschafften der Stadt während der vier Jahre von 1414 bis 1418 nicht nur einen beträchtlichen Aufschwung, sondern brachten die rund 6.000 Einwohner auch an die Grenze ihrer Belastbarkeit. Das war beim traditionellen Kongress der BZK Tübingen nicht zu befürchten, obwohl die 500 Stühle im Saal mit seinen 14 mächtigen Holzpfeilern immer gut belegt waren. Kein Wunder, denn Prof. Dr. Bernd Haller hatte auch in diesem Jahr wieder ein überaus interessantes Programm zusammengestellt, das von namhaften Referenten anspruchsvoll und dennoch praxisnah umgesetzt wurde. Gastliche Stadt. Konstanz zeigte sich von seiner gastlichen Seite und die Begrüßung durch OB Uli Burchardt unterstrich diesen sympathischen Eindruck. Das seit vier Jahren amtierende Stadtoberhaupt versicherte den Anwesenden, dass sie im größten mittelalterlichen Profanbau Süddeutschlands und zudem auf der badischen Seite gut untergebracht seien. Er warb für weitere Tagungen in seiner mit rund 85.000 Einwohnern dynamisch wachsenden Stadt und hielt – nicht nur angesichts der Flüchtlingsfrage, die auch Konstanz betrifft – ein flammendes Plädoyer für Europa. Es gelte, vermehrt in „europäischen Kategorien“ zu denken und sich für ein friedliches Europa einzusetzen – eine Aufgabe vor allem für die Jugend. Schöne Erfolge. An das Stichwort Jugend konnte Prof. Haller mühelos anknüpfen. Ebenso wie Dr. Forschner verwies er auf die Mundgesundheitsstudie V und auf die ausgezeichneten Ergebnisse bei Kindern und Jugendlichen. Der DMFT-Wert bei Kindern hat sich seit Beginn der Studie 1989 von 4,9 auf rund 0,5 reduziert – ein Rückgang um fast 90 Prozent wie Dr. Forschner vorrechnete. Die Kariesreduzierung macht die Zahnärzte zur erfolgreichsten Gruppe in der Medizin. Dennoch muss man sich intensiv gerade um die restlichen 10 Prozent kümmern, zumal man ja weiß, dass Allgemein- und Mundgesundheit eng zusammenhängen. Lebensqualität im Mund. Den engen Zusammenhang zwischen ZBW 10/2016 www.zahnaerzteblatt.de

Titelthema 21 Stolze Erfolge. Dr. Wilfried Forschner verwies auf den mehr als beachtlichen Kariesrückgang bei Kindern und Jugendlichen. Wachsender Bedarf. Prof. Dr. Bernd Haller sieht in Zukunft einen vermehrten Behandlungsbedarf bei Kindern auf die Zahnärzte zukommen. Copilot Kind. ZÄ Barbara Beckers-Lingener gibt ihren kleinen Patienten Instrumente zum Halten, damit sie sich als Mitarbeiter fühlen können. Fotos: Jaenecke Allgemein- und Mundgesundheit zeigte gleich der erste Vortrag von Prof. Dr. Katrin Bekes, Wien. Die Expertin für Kinderzahnheilkunde mit dem Schwerpunkt Lebensqualitätsforschung arbeitet u. a. an der Entwicklung von deutschsprachigen Instrumenten zur Erfassung der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität bei Kindern. Dies nicht nur aus gesundheitsökonomischer Sicht, sondern auch um die psychosozialen Folgen von negativen Befunden bei jugendlichen Patienten auszuloten und auch zu bekämpfen. Zu den die Lebensqualität empfindlich einschränkenden Faktoren gehört die Karies bei Kleinkindern – und das bei steigender Tendenz und zunehmender Polarisation. Frühe Karieserfahrung. Prof. Dr. Jan Kühnisch, München, beleuchtete Ursachen, Prävention und praxisbezogene Therapieansätze der frühkindlichen Karies und machte deutlich, dass Kinderzahnheilkunde ein Querschnittsfach ist, in dem es ein breites Spektrum abzudecken gilt. So stellt zum Beispiel die Milchzahnkaries für den Allgemeinzahnarzt eine Herausforderung dar, zumal bei einem Kind mit Zahnschmerzen und fehlender Kooperationsbereitschaft. Er wies darauf hin, dass seit 1. September im gelben Untersuchungsheft ab der U5 (6. bis 7. Lebensmonat) Verweise zum Zahnarzt enthalten sind, was dazu führen kann, dass auch in der Allgemeinpraxis vermehrt Kleinkinder mit Nuckelflaschenkaries gesehen werden. Dann muss der Zahnarzt dafür sorgen, dass durch eine sofortige und dauerhafte Ernährungsumstellung (Verzicht auf kariogene und erosive Getränke und Lebensmittel), durch Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Mundhygiene durch die Eltern (Nachputzen!) sowie eine altersgerechte Fluoridzufuhr die Reduktion des Kariesrisikos gewährleistet ist. Die konsequente Umsetzung dieser Maßnahmen muss kontrolliert werden, denn sie entscheiden maßgeblich über eine zukünftige Kariesfreiheit oder das Auftreten eines Rezidivs. Neben den präventiven Aspekten bedürfen diese Kinder in der Regel einer invasiven und umfangreichen Therapie, unkooperative Kinder in Sedierung oder Allgemeinanästhesie Schmerzausschaltung. Wann eine Inhalationssedierung (Lachgas) angezeigt ist und was man vor einer Intubationsnarkose zu beachten hat, machte eindrucksvoll die niedergelassene Zahnärztin Dr. Uta Salomon, Friedrichshafen, klar. Sie appellierte an die Behandler, sich bewusst zu machen, dass insbesondere bei Kindern Schmerz nicht nur eine organische Ursache hat, sondern auch ein subjektives Gefühl darstellt. Daher ist eine „konsequente Schmerzausschaltung bei allen zahnärztlichen Manipulationen grundlegende Voraussetzung in der Kinderzahnheilkunde“. Ihr Vortrag, in dem sie auch Alternativen zur herkömmlichen Spritze aufzeigte, lieferte wertvolle Entscheidungshilfen für die tägliche Praxis, ebenso die Hinweise auf pharmakologische Substanzen, die verhaltenstherapeutische Techniken ergänzen können. Eine optimale Schmerzausschaltung ist gerade bei Kindern mit hypersensiblen MIH- Zähnen (Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation) nötig, daher riet die Referentin zu einer Prämedikation und zur engen Zusammenarbeit mit dem Kinderarzt. MIH-Zähne. Auch andere Herausforderungen sind bei dieser Erkrankung zu meistern, wie Prof. Dr. Katrin Bekes bei ihrem zweiten Vortrag anschaulich schilderte. Das Krankheitsbild MIH , das sich meist an den ersten bleibenden Molaren und bleibenden Frontzähnen manifestiert, spielt eine zunehmend größere Rolle (Prävalenz in Deutschland: 10 bis 14 Prozent). Die Defekte zeichnen sich klinisch durch eine Veränderung in der Transluzenz des Schmelzes aus und durch Farbveränderungen. Je dunkler die Farbe, umso poröser ist der Zahnschmelz und umso höher ist die Gefahr des posteruptiven Substanzverlustes. Die Therapie der MIH richtet sich nach der Ausprägung und der vorhandenen Schmerzsymptomatik. Wichtig ist, Patienten mit MIH frühzeitig zu erfassen und einer umfassenden Betreuung zuzuführen. Die Ätiologie des Krankheitsbildes ist immer noch nicht völlig geklärt, diskutiert wird ein multifaktorielles Geschehen. Bekannt ist, dass die Störung der Zahnentwicklung zwischen dem 8. Schwangerschaftsmonat und dem 4. Lebensjahr eintritt, da in dieser Zeit die Amelogenese der ersten Molaren und der Inzisivi stattfindet. www.zahnaerzteblatt.de ZBW 10/2016

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