Aufrufe
vor 2 Jahren

LZK BW beschließt Weiterbildungsordnung

Ausgabe 8-9/2016

46 Fortbildung

46 Fortbildung Unterstützende Parodontitistherapie. Verlauf von API und SBI in der Erhaltungstherapie bis zum 1. Mai 2016 (Abb. 9). Epikrise und Prognose. Der Patient stellte sich zur Erstbefundung vor, mit der Bitte die Arbeit seines verstorbenen Hauszahnarztes fortzuführen. Nach der Befundaufnahme wurde aufgrund des starken Attachmentverlustes die Diagnose „schwere generalisierte chronische Parodontitis“ gestellt (Armitage 2003). Aufgrund der klinischen und röntgenologischen Befunde handelte es sich um eine generalisierte Form der schweren chronischen Parodontitis, da an mehr als 30 Prozent der Stellen Attachmentverluste von über 5 mm vorkamen. Für die chronische Form sprach das Vorhandensein von harten und weichen sub- und supragingivalen Belägen, die mit dem Ausmaß der parodontalen Destruktion korrelierten. Das Alter des Patienten und sein gesunder Lebensstil sprechen für eine chronische Verlaufsform. Die Ausmaße der Erkrankung waren dem Patienten bewusst; eine Therapie sei jedoch vom Hauszahnarzt bisher nie angestrebt worden. Mit jeglichen empfohlenen Therapievorschlägen erklärte der Patient sich einverstanden. Da er angab, Angstpatient zu sein, war eine langsame Heranführung an die Behandlung bei uns notwendig und die Sitzungen für die einzelnen Therapieschritte mussten länger als üblich eingeplant werden. Zudem waren aufwändige Beratungsgespräche zu verschiedenen Terminen nötig (Gaffar, Alagl et al. 2014). Der Patient etablierte schnell eine zufriedenstellende Mundhygiene und hatte regelmäßig viele Fragen, wie er seine häuslichen Bemühungen noch verbessern könne. Hier gaben wir ihm Hilfsmittel wie Einbüschelbürsten und die üblichen Bürsten zur Interdentalraumpflege an die Hand, die er schnell einzusetzen wusste. Nach der Abb. 10 Abb. 11 Abb. 12 Abb. 13 Abb. 14 Fotos: Dr. Bräuning Abschlussbefund. Fotodokumentation vom 7. April 2014 (Abb. 10 bis14). Parodontaler Spätbefund. Im parodontalen Befund vom 25. April 2016 waren keine erhöhten Sondierungstiefen mehr festzustellen. Die Lockerunsgrade der Zähne waren deutlich verbessert und nur vereinzelt war ein positives BOP zu beobachten (Abb. 15). ZBW 8-9/2016 www.zahnaerzteblatt.de

Fortbildung 47 Abb. 16 Abschlussbefund. OPG vom 03.04.2014 (Abb. 16). erfolgten systematischen Parodontitistherapie wurde eine Verbesserung der Sondierungstiefen und des Entzündungsgrades der Gingiva erreicht. Die Planung der zahnersetzenden Maßnahmen konnte nun erfolgen. Sein Wunsch war es, einen einigermaßen guten Kaukomfort zu haben, der sich ähnlich natürlich wie mit eigenen Zähnen anfühlt. Dies sollte in erster Linie durch Zahnersatz durchgesetzt werden, der nach einer erfolgreichen systematischen Parodontitistherapie in Form von Implantaten gewährleistet werden konnte. Hierzu besteht eine gute Langzeiterfahrung: Implantatbrücken zeigen eine 5-Jahres-Überlebensrate von 80 Prozent (Lang, Pjetursson et al. 2004; Tan, Pjetursson et al. 2004; Pjetursson und Lang 2008). Zahnersatz auf Implantaten wird von Patienten im Allgemeinen gut akzeptiert. Patienten erfahren Zahnersatz auf Implantaten in der Funktion „wie mit natürlichen Zähnen“ (de Bruyn, Collaert et al. 1997). Die Alternative war eine Doppelkronenkonstruktion mit dem Nachteil, dass der Patient sie aus- und eingliedern müsste. Dies wünschte der Patient nicht. Der Patient war aus finanziellen Gründen nicht sofort bereit, sich gleichzeitig Implantate Regio 16/17, Regio 45/44 und im Oberkiefer links (Regio 24 bis 26) setzen zu lassen, zumal die finanzielle Mehrbelastung der Lachgasbehandlung dazu kam, zu der sich der Patient entschlossen hatte. Außerdem war, aufgrund seiner ängstlichen Natur, ein Knochenaufbau in allen drei Quadranten konstitutionell eher nicht ratsam. Eine Planung und Therapiedurchführung Schritt für Schritt kommt dem sehr entgegen und der Patient musste nie eine zu lange Zeit auf dem Zahnarztstuhl verbringen. Alternativ zur Implantation ist in Regio 16/17 auch das Belassen einer Freiendsituation möglich (Witter, van Palenstein Helderman et al. 1999; Kanno und Carlsson 2006; Walther 2009). Da der Patient jeweils bis zum zweiten Prämolaren bezahnt war (Abb. 13), war es fraglich ob eine weitere Implantation überhaupt notwendig wird. Trotz einer verkürzten Zahnreihe sind eine gute Kauleistung und eine angemessene Lebensqualität möglich (Wolfart, Müller et al. 2014). Allerdings wäre bei diesem Konzept Zahn 46 nicht komplett vertikal abgestützt, was zu einer Kippung auch am Antagonisten führen könnte. Welche Therapieoption letztendlich Anwendung findet, musste der Patient entscheiden, der anfangs seinen Kaukomfort entscheidend verbessern wollte. Offensichtlich ist die Gefahr von CMD und den damit verbundenen Beschwerden beim Konzept der verkürzten Zahnreihe beim vollbezahnten Patienten nicht relevant (Reissmann, Heydecke et al. 2014). Dennoch wurde dem Patienten zur Schonung der Zahnhartsubstanz eine Schienentherapie empfohlen. Der Patient trägt die adjustierte Aufbissschiene im Oberkiefer regelmäßig nachts. Ästhetische Ansprüche trug der Patient zu keiner Zeit vor. Eine Gingivaepithese (Eickholz 1992; Dannewitz und Eickholz 2004) zur Verblendung der schwarzen Dreiecke in der Oberkieferfront lehnte er ab (Abb. 12). Zudem sei er Bartträger und man sehe seine Oberkieferzähne weder beim Sprechen noch beim Lachen, wiederholte er mehrfach. Eine provisorische Prothese trug der Patient aus demselben Grund zu keiner Zeit. Den eingeschränkten Kaukomfort nahm er gelassen hin. Zahn 12 wurde in der geschlossenen Zahnreihe erhalten. Der parodontale Befund ist stabil (Abb. 15). Zum jetzigen Zeitpunkt ist der Patient hochmotiviert und kommt auch mit der bestehenden Freiendsituation gut zurecht. Die Behandlung kann normal durchgeführt werden, seine Zahnarztangst hat der Patient überwunden. Die UPT-Termine nimmt er regelmäßig wahr und stellt sich ebenso regelmäßig zur parodontalen Kontrolle vor. Somit lässt sich für die Restbezahnung eine gute Prognose ableiten (Axelsson und Lindhe 1981; Bader und Boyd 1999). In welcher Weise und ob eine weitere Augmentation und anschließende Implantation in Frage kommen, liegt im Entscheidungsbereich des Patienten. Aus zahnmedizinisch-prothetischer Sicht sind keine weiteren Eingriffe obligat. Das Literaturverzeichnis finden Sie unter www. zahnaerzteblatt.de oder kann beim IZZ bestellt werden unter Tel: 0711/222966-14, Fax: 0711/222966- 21 oder E-Mail: info@zahnaerzteblatt.de. Dr. Anke Bräuning, M.A., M.Sc. Dr. A. Bräuning, M.A., M.Sc. Leitende Zahnärztin Parodontologie Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe www.zahnaerzteblatt.de ZBW 8-9/2016

Ausgaben des Zannärzteblatt BW

© by IZZ Baden-Württemberg - Impressum - Datenschutz