8 Titelthema Bundestag beschließt Terminservice- und Versorgungsgesetz Licht und Schatten für die Versorgung „Gesundheitspolitik im Stakkato“, so bezeichnete der Hauptstadtkorrespondent der Stuttgarter Zeitung und der Stuttgarter Nachrichten Norbert Wallet die bisherige Bilanz von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Unabhängig von jeder inhaltlichen Bewertung fällt zunächst die Masse an Initiativen und Gesetzesvorschlägen ins Auge, die der 38-Jährige seit Amtsantritt vorangetrieben hat. Auch das Mitte März vom Bundestag verabschiedete Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) enthält eine Fülle von unterschiedlichen Maßnahmen. „Omnibusgesetz“. Mit dem TSVG soll das von den Koalitionspartnern vereinbarte Ziel einer besseren und vor allem schnelleren Verfügbarkeit von Facharztterminen für gesetzlich Krankenversicherte verfolgt werden. Gleichzeitig werden durch das Gesetz zahlreiche weitergehende Regelungen getroffen, z. B. im Zusammenhang mit Sachleistungen in der Pflege, der Veröffentlichungspflicht der Adressen von Hebammen bis hin zu Exklusivverträgen für saisonale Grippeimpfstoffe. Aufgrund der Tragweite mancher Regelungen, die teilweise erheblichen Einfluss auf die künftigen Versorgungsstrukturen – auch im zahnmedizinischen Bereich – haben werden, wurde das Gesetzgebungsverfahren auch von den Körperschaften der zahnärztlichen Selbstverwaltung intensiv begleitet. Bis zuletzt wurde um die konkreten Inhalte gerungen und noch auf der Zielgeraden substanzielle Änderungen durch den Gesetzgeber vorgenommen. Was bedeuten jedoch die wichtigsten Regelungen für die medizinische Versorgung generell sowie auch speziell im zahnmedizinischen Bereich? Das TSVG Punkt für Punkt Schnellere Termine „Herzstück“ des TSVG ist der Ausbau der Terminservicestellen, die für Patientinnen und Patienten an sieben Tagen pro Woche rund um die Uhr erreichbar sein sollen. Zudem wird das Mindestsprechstundenangebot der Vertragsärzte von 20 auf 25 Stunden erhöht. Grundversorgende Fachärzte (etwa Augenärzte, Frauenärzte, Orthopäden, HNO-Ärzte) müssen mindestens fünf Stunden pro Woche als offene Sprechstunden ohne Termine anbieten. Bewertung. Diese Regelung betrifft den vertragszahnärztlichen Bereich nicht – der Versichertenbefragung der KZV BW von 2018 zufolge gibt es hierzulande aber auch keinerlei Probleme, schnell einen Zahnarzttermin zu bekommen. Eine bessere Erreichbarkeit der Terminservicestellen hört sich sicherlich aus Sicht der Versicherten gut an. An der Wirksamkeit der Ausweitung der Sprechstundenzahl darf indessen gezweifelt werden, denn viele niedergelassene Ärzte arbeiten ohnehin deutlich mehr. Vergütung Versorgung. Künftig schnellere Arzttermine dank TSVG? Foto: Shutterstock.com/Robert Kneschke Zusatzangebote werden besser vergütet, ebenso die Vermittlung eines dringenden Facharzttermins durch einen Hausarzt. Die Untersuchung und Behandlung von Neupatienten soll außerhalb der Honorarbudgets abgerechnet werden. Bewertung. Wenn zusätzliche Leistungen von den Ärzten eingefordert werden, muss dies auch entsprechend vergütet werden. Wirtschaftliche Anreize sind deutlich zielführender als immer neue gesetzliche Vorschriften. ZBW 4/2019 www.zahnaerzteblatt.de
Titelthema 9 Versorgung Einen Schwerpunkt legt das Gesetz auf die Stärkung der Versorgung in strukturschwachen Regionen. So gibt es obligatorische regionale Zuschläge für Ärzte auf dem Land. Auch müssen die Kassenärztlichen Vereinigungen in unterversorgten Gebieten künftig Eigeneinrichtungen eröffnen oder Versorgungsalternativen wie mobile oder telemedizinische Angebote schaffen. Die Strukturfonds der Kassenärztlichen Vereinigungen werden deutlich erhöht und auch die Verwendungszwecke erweitert. Bewertung. Zusätzliche Wege, um die wohnortnahe Versorgung auch in strukturschwachen Räumen zu stärken, sind im Grundsatz positiv zu werten. Der Gesetzgeber ist jedoch der Forderung der Zahnärzte, entsprechende Regelungen für die Sicherstellung der Versorgung im vertragszahnärztlichen Bereich fakultativ vorzusehen, nicht gefolgt. E-Akte Spätestens ab dem Jahr 2021 sollen die Krankenkassen für ihre Versicherten elektronische Patientenakten (ePA) anbieten. Auch soll die Möglichkeit geschaffen werden, mit Smartphone oder Tablet auf medizinische Daten zugreifen zu können. Bewertung. Die Einführung einer elektronischen Patientenakte soll einer besseren Verfügbarkeit von Gesundheitsdaten und damit einem besseren Behandlungserfolg dienen. Dazu gehört ein niederschwelliger Zugang zu den eigenen Gesundheitsdaten. Die zahnärztlichen Körperschaften auf Bundesebene fordern jedoch für die Festlegung zahnmedizinischer Inhalte der elektronischen Patientenakte eine Richtlinienkompetenz ein. Sichergestellt werden muss zudem, dass einheitliche Schnittstellen und Datenformate umgesetzt und datenschutzrechtliche Bestimmungen nicht unterlaufen werden. AU-Bescheinigungen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sollen ab 2021 von den behandelnden Ärzten digital an die Krankenkassen übermittelt werden. Bewertung. Digitalisierungsmaßnahmen, die eine spürbare Entlastung für die Behandlungsseite und/oder die Versicherten bewirken, sind wünschenswert, wenn alle technischen und (datenschutz-) rechtlichen Fragen geklärt sind. Gematik Das Bundesgesundheitsministerium übernimmt 51 Prozent der Geschäftsanteile der Gematik. Davon verspricht sich die Politik schnellere und effektivere Entscheidungsprozesse. Bewertung. Die Übernahme der Mehrheitsanteile durch das BMG ist ein weiterer Schritt zur Entmachtung der gemeinsamen Selbstverwaltung. Dies unterläuft die Akzeptanz der Telematikinfrastruktur in den Praxen. Auch ist es höchst zweifelhaft, ob dieses Vorgehen tatsächlich schnellere und effektivere Entscheidungsprozesse zur Folge haben wird. Bundesaus- Gemeinsamer schuss (G-BA) Bei der Erprobung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden bekommen Hersteller von Medizinprodukten die Möglichkeit, die wissenschaftliche Begleitung und Auswertung einer Erprobung selbst in Auftrag zu geben. Wenn sie sich dagegen entscheiden oder die vom G-BA gesetzte Frist verstreichen lassen, vergibt der G-BA den Auftrag wie bisher. Bewertung. Eine schnellere Aufnahme von innovativen Medizinprodukten und Leistungen in die Gesundheitsversorgung ist grundsätzlich wünschenswert. Die Entmachtung der Selbstverwaltung, die steigende Einflussnahme der Medizinproduktehersteller und eine schleichende Abkehr von der evidenzbasierten Medizin müssen jedoch verhindert werden. Versorgungs- Medizinische zentren Der Einfluss von reinen Kapitalinvestoren auf die Versorgung über die Gründung (zahn)medizinischer Versorgungszentren, sog. (Z-)MVZ, wird eingeschränkt. So dürfen Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen künftig nur fachbezogene MVZ gründen. Außerdem wird die Gründungsbefugnis für zahnmedizinische Versorgungszentren durch Krankenhäuser eingeschränkt. Die Zulassung solcher Z-MZV in einem Planungsbereich ist an den dortigen Versorgungsgrad geknüpft. In Regionen, in denen der Grad der „bedarfsgerechten Versorgung“ um zehn Prozent überschritten ist, darf ein Zahn-MVZ höchstens fünf Prozent Marktanteil besitzen. In normal versorgten Gegenden dürfen maximal zehn Prozent der zahnärztlichen Versorgung in Händen eines Klinik-MVZ sein, in unterversorgten Gebieten 20 Prozent. Bewertung. Diese Regelung kann dazu beitragen, den bisher weitgehend ungebremsten Eintritt von Fremdinvestoren und Private Equity-Fonds zu beschränken. Die konkrete Umsetzung und jetzt schon sichtbare Umgehungsstrategien müssen analysiert und genauestens beobachtet werden. Vorstandsgehälter Das Gesetz soll mehr Transparenz bei der Veröffentlichung und Begrenzungen der Vorstandsgehälter von Krankenkassen, Medizinischem Dienst der Krankenkassen (MDK) und Kassen(zahn) ärztlichen Vereinigungen sowie www.zahnaerzteblatt.de ZBW 4/2019
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