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Licht und Schatten für die Versorgung

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Ausgabe 4/2019

26 Fortbildung

26 Fortbildung Patientenfall und Follow-Up bei achtjährigem Patienten Revaskularisation bei teilweise nekrotischem Zahn mit offenem Apex Die Revaskularisation, oft auch als regenerative endodontische Therapie (RET) bezeichnet, ist eine neuartige Behandlungsoption, die einen biologischen Ansatz zur Behandlung von avitalen bleibenden Zähnen mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum bietet. Bei avitalen Zähnen mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum stellt eine Wurzelkanalbehandlung eine besondere zahnärztliche Herausforderung dar [Farhad et al. 2016]. Insbesondere der große Wurzelkanaldurchmesser (Abb. 1a), die dünnen Kanalwände (Abb. 1b) und der weit offene Apex bereiten dabei Schwierigkeiten (Abb. 1c) [Bonte et al. 2015]. Die sogenannte Apexifikation stellte bislang eine gängige Therapieoption für avitale Zähne mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum dar [Nayar et al. 2009]. Bei dieser Behandlung soll durch die Anwendung von Calciumhydroxid über einen längeren Zeitraum eine apikale Barriere geschaffen werden [Cvek 2007]. Die wesentlichen Nachteile der Apexifikation sind die insgesamt lange Behandlungs- und Nachbeobachtungszeit, da diverse Behandlungssitzungen benötigt werden, sowie die trotz Behandlung verbleibenden dünnen Wurzelkanalwände, die Frakturen begünstigen [Soares et al. 2008]. Eine weitere regelmäßig angewandte Behandlungsoption nutzt Mineral Trioxide Aggregates (MTA) [Torabinejad et al. 1999, Simon et al. 2007], um damit in einem einzigen Termin eine „künstliche apikale Barriere“ am weit geöffneten Apex zu schaffen. Die Verwendung von MTA reduziert die benötigte Zeit deutlich im Vergleich zur Apexifikation, jedoch bleibt als gravierender Nachteil, dass die Wurzelkanalwände auch nach Anwendung dieser Technik immer dünn und daher fragil bleiben [Simon et al. 2007]. Regenerative endodontische Therapie. Die Revaskularisation liefert sehr erfolgreiche Ergebnisse [Hargreaves et al. 2008] und versetzt den Zahnarzt somit in die Lage, eine weitere Behandlungsoption anzubieten. Dabei wird dem nekrotischen Zahn mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum die Möglichkeit auf eine (scheinbare) „Wiederbelebung der Pulpa“ gegeben und das Wurzelwachstum kann somit weiter fortschreiten [Wigler et al. 2013, Bezgin et al. 2015]. Wesentliche Voraussetzungen für die gewünschte Reaktion des Gewebes nach regenerativer endodontischer Behandlung sind die vollständige Entfernung der nekrotischen Pulpa und die ordnungsgemäße Desinfektion des Wurzelkanals dar [Iwaya et al. 2001, Banchs et al. 2004]. Die Wurzelkanaldesinfektion erfolgt hingegen nicht genauso wie bei der konventionellen Wurzelkanaltherapie, bei der eine deutliche Bearbeitung des Wurzelkanals mit endodontischen Feilen durchgeführt wird. Bei der RET sollte die Instrumentierung des Wurzelkanals auf ein Minimum beschränkt werden, bevor ein desinfizierendes Medikament ins Wurzelkanalsystem appliziert wird [Wendley et al. 2005, Nagata et al. 2014]. In der wissenschaftlichen Literatur sind für die Desinfektion im Rahmen der RET die Verwendung einer Triple-Antibiotika-Paste (TAP), einer doppelten Antibiotika-Paste (DAP) und von Calciumhydroxid beschrieben [Hoshino et al 1996, Gomes-Filho et al. 2012, Law 2013]. Abbildung: ZA Mourad Abb. 1 Dentales Trauma. Zahnfilm nach dentalem Trauma permanenter oberer Schneidezähne mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum ohne Anhalt für eine Wurzelfraktur. Eine Wurzelkanalbehandlung für solche Zähne stellt eine große Herausforderung dar, v. a. aufgrund des großen Wurzelkanaldurchmessers (a), den dünnen Kanalwänden (b) und dem weit offenen Apex (c) (Abb. 1). Abb. 2 Anfangsbefund. OPG-Ausschnitt des Anfangsbefundes des Patientenfalls: Die kariöse Läsion an Zahn 46 mesial reicht bis an die Pulpa. Zudem besteht der Verdacht auf eine apikale Aufhellung insbesondere an der mesialen Wurzel (Abb. 2). Abbildung: Dr. Schmoeckel ZBW 4/2019 www.zahnaerzteblatt.de

Fortbildung 27 Abb. 3 Abb. 4 Foto: Dr. Santamaria Trockenlegung. Die regenerative endodontische Behandlung erfolgte unter absoluter Trockenlegung mit Kofferdam und kooperationsbedingt zudem mithilfe von Lachgassedierung (Abb. 3). Basis für die Triple-Antibiotika-Paste (TAP): Ciprofloxacin (250 mg), Metronidazol (500 mg) und Minocyclin (50 mg) zur Wurzelkanaldesinfektion bei regenerativen endodontischen Prozeduren (Abb. 4). Foto: ZA Mourad Im folgenden Beitrag wird deshalb ein Fall präsentiert und diskutiert, bei dem Revaskularisation als Therapieoption einer irreversiblen Pulpitis und teilweiser nekrotischer Pulpa bei einem Molaren mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum angewandt wurde. Fallbericht. Ein achtjähriges Kind wurde von seinem Hauszahnarzt zur Abteilung Kinderzahnheilkunde des Zentrums für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (ZZMK) der Universitätsmedizin Greifswald mit dem Verweis „Behandlung der kariösen Läsionen wegen mangelnder Kooperation“ überwiesen. Der Patient berichtete über spontane Schmerzen auf der rechten Seite des mandibulären Molarenbereichs (regio 46). Nach klinischer Untersuchung erfolgte die radiologische Untersuchung: Im Röntgenbild war im Unterkiefer rechts am ersten permanenten Molaren eine tiefe kariöse Läsion mit Pulpabeteiligung und einer wahrscheinlichen periapikalen Läsion (mesiale Wurzel) bei nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum und dünnen Wurzelkanalwänden zu befunden (Abb. 2). Aufgrund der vorliegenden klinischen und radiologischen Befunde wurde für den Zahn 46 die Diagnose irreversible Pulpitis und teilweise nekrotische Pulpa mit Verdacht auf parodontitis apicalis gestellt. Die Eltern wurden mittels informierter Zustimmung (informed consent) ausführlich über die oben genannten Therapiemöglichkeiten wie die Apexifikation, das Schaffen einer apikalen Barriere mit MTA, die Extraktion und den schließlich beschlossenen Versuch einer RET aufgeklärt. 1. Behandlungssitzung bei der RET. Da der Patient zwar ängstlich doch potenziell behandlungswillig war, wurde die Behandlung mittels Lachgassedierung empfohlen und durchgeführt. Mit der Zahnbehandlung 46 wurde nach Aufklärung und Applikation einer Lokalanästhesie (Ultracain D-S, Sanofi Aventis) im Unterkiefer rechts sowie der Applikation von Kofferdam für eine absolute Trockenlegung begonnen (Abb. 3). Zunächst wurde die gesamte Pulpa entfernt und im Zuge der minimalen Aufbereitung der Kanalwände wurden die Kanäle mit 20 ml 0,6 % NaOCl (je Kanal) mit einer Side-vent-Nadel (Canal Clean, Biodent) mit abgeschlossenem Ende gespült. Dies sollte das Risiko der Applikation von NaOCl in den periapikalen Raum minimieren. Das Trocknen der Kanäle erfolgte mit sterilen Papierspitzen und anschließend wurde eine TAP (Abb. 4), die Ciprofloxacin (250 mg), Metronidazol (500 mg) und Minocyclin (50 mg) enthielt, in die Kanä- Abb. 5 Abb. 6 Fotos: ZA Mourad Triple-Antibiotika-Paste. Gemisch der Triple-Antibiotika-Paste (TAP), das in die Kanäle unter Verwendung einer Lentulospirale langsam mit einem Handstück eingebracht wird (Abb. 5). MTA beispielsweise von Ledermix ® (Riemser Pharma GmbH) wird mit sterilem Wasser vermischt und bei der RET auf das Blutgerinnsel aufgetragen (Abb. 6). www.zahnaerzteblatt.de ZBW 4/2019

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