24 Politik Ich und die EU EU im Alltag ... arbeite: soziale Mindeststandards Arbeitnehmer- und Dienstleistungsfreiheit Europäische Betriebsräte gemeinsame stabile Währung Gleichberechtigung von Mann und Frau ICH... ... bin gesund: Sauberes Trinkwasser schadstoffarme Atemluft regulierter Straßenlärm Verbot von Pestiziden in der Landwirtschaft keine krebserregenden Stoffe in der Kosmetik ... fahre weg: Passagierrechte im Flugverkehr keine Lockvogelangebote von Fluggesellschaften niedrigere Handygebühren bei Anrufen aus dem Ausland nach Hause Reisen ohne Grenzkontrollen klare Kennzeichnung und hohe Wasserqualität an Badestränden europäische Krankenversicherungskarte und wie die EU mich betrifft ... habe Kinder: Schüler- und Studentenaustausch Vereinheitlichung der Bildungsabschlüsse Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen im europäischen Ausland ... kaufe ein: Gewährleistungsfrist auf Konsumgüter klare Kennzeichnung von Lebensmitteln hohe Hygieneanforderungen an Fleischwaren Schutz bei Einkäufen im Internet Ausnutzung von Preisvorteilen durch freien Einkauf in anderen EU-Ländern EU im Alltag. Die Europäische Union greift in unser tägliches Leben ein und ist von daher für uns von unmittelbarer Bedeutung. Bundeszentrale für politische Bildung, 2009, www.bpb.de Lizenz: Creative Commons by-nc-nd/3.0/de Grafik: Bundeszentrale für Politische Bildung Auch in Finnland, Dänemark und Belgien steht in diesen Tagen der Wahlkampf für die nationalen Parlamente im Mittelpunkt der öffentlichen Wahrnehmung. In der Slowakei und Litauen soll es noch vor der Europawahl Entscheidungen über neue Präsidenten geben. In Italien finden Regionalwahlen statt. In Griechenland und Polen geht es im Herbst zur Wahl des Parlaments, in Kroatien wählt das Volk im Dezember einen neuen Präsidenten. Die nationalen Wahlkämpfe dürften also auch dort die Europawahl überschatten. Ohnehin ist das Bilden von Regierungen in Europa generell schwieriger geworden, der langjährige FAZ-Redakteur Günter Bannas fragt deshalb im Deutschlandfunk: „Kann, darf der Wahlkampf auf die Frontstellung Pro-Europäer gegen Anti-Europäer reduziert werden? Sollen, auf Deutschland bezogen, die Pro-EU-Parteien CDU, CSU, SPD, Grüne und FDP ihre politischen Unterschiede zurückstellen und ein breites Pro-Europa-Bündnis bilden?“ Die Antwort gibt er gleich selbst: „Sie sollten es nicht tun. Sie sollen, sie müssen ihre unterschiedlichen Vorstellungen von Politik und von Europa präsentieren – wie es ein Wahlkampf unter Demokraten erfordert. Parteien leben von Unterscheidbarkeit – in der Europäischen Union über nationale Grenzen hinweg.“ Schicksalsjahr. Medien sprechen von einem Schicksalsjahr für Europa. „Das Worst-Case-Szenario wäre eine große rechtsextreme Fraktion, die in die Nähe der gesetzgebenden Mehrheit kommt. Das kann ich mir aber ehrlich gesagt nicht vorstellen. Und das zweitgrößte Worst-Case-Szenario, also Second-Worst sozusagen, wäre eine rechtsbürgerliche Mehrheit aus Christdemokraten und den heutigen Konservativen bis weiter rechts“, sagte der Chef der Europa-SPD, Jens Geier, dem Deutschlandfunk. Daniel Caspary, der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament sorgt sich dagegen, „dass es Russland und anderen interessierten Kräften und Mächten gelingt, über Fake News, schlichte Propaganda und Verbreiten von Unwahrheiten und Zerstören von Vertrauen ein Europäisches Parlament am Wahltag komplett durcheinanderzuwirbeln und Europa zu schwächen.“ Solche Aussagen zeigen, dass die EU-Wahlen eben keine Nebenwahlen mehr sind, als die sie lange Zeit galten. Allerdings halten viele Europäer das 1979 zum ersten Mal direkt gewählte Parlament für bedeutungslos. Die Wahlbeteiligung lag 2014 bei historisch niedrigen 42,6 Prozent. Auch die Parteien haben nicht immer ihre besten Politiker nach Brüssel und Straßburg geschickt. Die Europawahl war häufig ein Experimentierfeld für Wähler und Abgeordnete. Ermuntert durch fehlende oder niedrige Sperrklauseln trauen sich Erstere, ihr Kreuz versuchsweise an anderer Stelle zu machen; Letztere gehen unkonventionelle Allianzen ein und legen korporatives Selbstbewusstsein gegenüber Kommission und Rat an den Tag, aber auch gegenüber ihren Herkunftsländern und Nationalstaaten generell. So übernahm das Europäische Parlament eine transnationale Vorreiterrolle. Am Wahlmodus hat sich seit der Wahl 2014 wenig verändert. Von den 73 britischen Sitzen, die von den insgesamt 751 Sitzen mit dem Brexit frei werden, sollen 27 auf Länder verteilt werden, deren Bevölkerung zugenommen hat, 46 Sitze bleiben für poten- ZBW 4/2019 www.zahnaerzteblatt.de
Politik 25 zielle EU-Neumitglieder reserviert. Bei der Wahl in diesem Jahr stehen dem Parlament gravierende Veränderungen bevor: Erstens durch die Erosion des faktischen Duopols der rechten und linken Mitte, zweitens durch den Bedeutungszuwachs locker gefügter Bewegungsparteien und drittens durch die wahrscheinliche Konzentration der äußersten Rechten. Damit deuten sich tektonische Verschiebungen der politischen Landschaft Europas an. Neben den allgemeinen, tagespolitischen Entwicklungen geht es auf EU-Ebene auch um die Gesundheitspolitik. Die deutsche Zahnärzteschaft hat deshalb acht Kernforderungen an die Politik vor der Europawahl gestellt. Auf europäischer Ebene findet eine richtungsweisende Diskussion über die Zukunft der regulierten Berufe statt. Das schließt die Freien Berufe und damit auch die Heilberufe unmittelbar ein. Die treibende Kraft ist die Europäische Kommission. Ihr übergeordnetes Ziel ist es, durch den Abbau von „überflüssiger“ berufsrechtlicher Regulierung neue Wachstumsimpulse zu setzen. Die BZÄK fordert das Europäische Parlament auf, die Diskussion über das Berufsrecht der Freien Berufe im Interesse des Patientenschutzes und der Qualitätssicherung kritisch zu begleiten und warnt davor, dass das Infragestellen von bewährtem Berufsrecht zu einer Aushöhlung der Qualität freiberuflicher Dienstleistungen führen kann. Das gilt in besonderem Maße für die Angehörigen der Heilberufe. Freiberuflichkeit. Eine herausragende Bedeutung hat für die deutsche Zahnärzteschaft die Freiberuflichkeit – mehr als 70 Prozent sind in eigenen Praxen tätig. Die Freien Berufe sind in allen EU-Mitgliedstaaten ein wichtiger Wirtschaftsund Stabilitätsfaktor. Sie erwirtschaften im EU-Durchschnitt über zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die BZÄK fordert das Europäische Parlament auf, sich für die Verabschiedung einer Europäischen Charta der Freien Berufe einzusetzen, die eine Standortbestimmung der Freiberuflichkeit auf europäischer Ebene vornimmt. Stichwort Bürokratieabbau: Hier müsse sich das Europäische Parlament für eine stärkere Entbürokratisierung einsetzen. „Es ist notwendig, dass sich der europäische Gesetzgeber der (unternehmerischen) Folgen bewusst ist, die bürokratische Vorgaben – auch von europäischer Ebene – speziell für freiberufliche Einheiten haben“, schreibt die BZÄK in ihren Forderungen, die sich auch mit der Ausbildung befassen. Denn Zahnärztinnen und Zahnärzte, die einen Studienabschluss in der Europäischen Union erwerben, profitieren von dem System der automatischen Anerkennung. Voraussetzung ist, dass Ausbildungsdauer und Ausbildungsinhalte den in der Berufsanerkennungsrichtlinie, Richtlinie (EG) 2005/36, festgelegten Mindestanforderungen entsprechen. Das Europäische Parlament sollte sich dafür einzusetzen, dass die in Anhang V der Berufsanerkennungsrichtlinie festgelegten zahnmedizinischen Ausbildungsinhalte den wissenschaftlichen Erkenntnissen der vergangenen Jahre angepasst werden. Die Auswirkungen der Digitalisierung auf das Gesundheitswesen sind eine zentrale Frage der medizinischen Versorgung. Sie eröffnet neue Perspektiven für die Erforschung, Prävention, Diagnose und Behandlung von Krankheiten. Die Digitalisierung schafft aber auch gesellschaftliche Herausforderungen, die die gewachsenen Prozesse im Gesundheitswesen und seine Strukturen nachhaltig verändern können. Hier sollte das EU-Parlament darauf achten, die Digitalisierung im Gesundheitswesen ausschließlich zum Nutzen der Patienten zu gestalten. Wichtig ist zudem, den Missbrauch von Gesundheitsdaten zu verhindern. Gesundheitspolitik. Die BZÄK fordert den Erhalt von Amalgam als Füllungsmaterial in der Zahnmedizin. Amalgam ist ein langlebiges, kostengünstiges und leicht zu verarbeitendes Füllungsmaterial. Ein generelles Amalgamverbot hätte spürbare Auswirkungen auf die Gesundheitskosten in vielen EU-Mitgliedstaaten, da die Verarbeitung aller verfügbaren Alternativmaterialien erheblich teurer wäre. Die Folge wäre zwangsläufig eine Zunahme von Zahnerkrankungen in Teilen der Bevölkerung. Seit 2017 gilt in der Europäischen Union eine neue Quecksilberverordnung, Verordnung (EU) 2017/852. Die Verordnung regelt einen umweltverträglichen Einsatz dieses wichtigen zahnmedizinischen Werkstoffs. Seit dem 1. Januar 2019 müssen in der EU Betreiber zahnmedizinischer Einrichtungen, in denen Dental amalgam verwendet wird, sicherstellen, dass sie mit Amalgamabscheidern zur Rückhaltung und Sammlung von Amalgampartikeln – einschließlich der im Abwasser enthaltenen Partikel – ausgestattet sind. In Deutschland sind die Amalgamabscheider bereits seit Anfang der 1990er Jahre verpflichtend in jeder Praxis vorzuhalten. Die Quecksilberverordnung sieht allerdings auch vor, dass die weitere Nutzung von Amalgam einer Überprüfung unterliegt. Die EU- Mitgliedstaaten müssen im Rahmen nationaler Aktionspläne darlegen, wie der Verbrauch von Amalgam aus Umweltgründen weiter reduziert werden kann. Auf dieser Grundlage soll von der Europäischen Kommission eine Machbarkeitsstudie für einen langfristigen Ausstieg aus der Amalgamnutzung bis 2030 vorgelegt werden. Ein Schwerpunkt der europäischen und internationalen Gesundheitspolitik ist der Kampf gegen Antibiotikaresistenzen. Der Dachverband der Europäischen Zahnärzte (CED) hat Ende 2018 dazu aufgerufen, im Zuge des Kampfes gegen Antibiotikaresistenzen dem Einsatz von Antibiotika in der Zahnmedizin europaweit mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Den bislang eingeschlagenen Weg sollte die Europäische Union in Zukunft fortsetzen. Generell sollte das Europäische Parlament weitere Initiativen zur Verbesserung der Mundgesundheit und damit der allgemeinen Gesundheit entwickeln. Die Zahnmedizinische Prävention müsse dabei die Verhaltens- sowie die Verhältnisprävention umfassen und der Verbesserung der Lebensqualität dienen, fordert die BZÄK. » christian.ignatzi@izz.online.de mit Informationen der Bundeszentrale für politische Bildung www.zahnaerzteblatt.de ZBW 4/2019
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