38 Praxis Der GOZ-Ausschuss der LZK BW informiert Schädliche Gewohnheiten und Dysfunktionen in der Zahnheilkunde Schädliche Gewohnheiten bedrohen die Integrität und die Funktionalität des Kauorgans in jeder Lebensphase. Die Leistung des Zahnarztes als Ratgeber wird über die GOZ-Nr. 6190 berechnet und ist bei weitem nicht auf die KFO-Behandlung begrenzt. Regelmäßiger achtloser Umgang mit den Zähnen über mehrere Minuten oder gar Stunden über den Tag verteilt, wie z. B. das Kauen auf Pfeifenmundstücken, das Mitarbeiten des Mundes als „dritte Hand“ z. B. durch Speicherung/ Bereitstellung von Nähnadeln oder Tapeziernägeln, oder die Zweckentfremdung der Zähne bis hin zum Öffnen von Verschluss- oder Verpackungsmaterial sind nicht unüblich. Solche unbewussten Gewohnheiten werden als (bad) Habits bezeichnet, sie werden aber auch durch berufliche Besonderheiten (z. B. Bläser, Violinisten etc.) hervorgerufen. Nicht autonom steuerbar sind Dysfunktionen, wie heftiges Zähnepressen oder Knirschen, aber auch neurologische oder psychiatrische Krankheitsbilder, die zu einem nicht balancierten Wechselspiel zwischen den von vestibulär auf die Zahnbögen einwirkenden Kräften und der von oral entgegenwirkenden Kraft der Zunge führen können. Schließlich sind auch schlechte Pflegegewohnheiten, die zu Hygienemängeln oder Putzdefekten bzw. einem erhöhten Karies- oder Parodontitisrisiko oder Risiken für die Mundschleimhaut führen, oder Lifestyle-Produkte (orale Piercings etc.) eine Quelle für den Misserfolg für jedweden Zahnersatz. Besonders beim Eingliedern von festsitzendem, ggf. implantatgetragenem Zahnersatz, ist schon bei der Planung darauf zu achten, dass Habits oder Dysfunktionen nicht zur Gefahr für sein dauerhaftes Verbleiben im Mund oder das Restgebiss werden. Bewusstsein wecken. Der Zahnarzt muss dem Patienten Habits bewusst machen und ihm ggf. anhand von Übungen dabei helfen sie beherrschen zu lernen. Vor einer Implantatversorgung, oder wird ein Vorstadium einer lebensbedrohenden Mundschleimhauterkrankung sichtbar, ist die Raucherentwöhnungsberatung unverzichtbar. Die Leistung wird nach der GOZ- Nr. 6190 berechnet. Sie umfasst die Aufklärung über den Habit oder die Dysfunktion, die Erklärung der Symptomatik und die Aufklärung über die Folgen derselben, die Anleitung zu Übungen zu seiner Beseitigung und die Beratung über die bewusste Verhaltensänderung im Alltag, sowie die notwendigen Aufzeichnungen darüber und deren Archivierung. Foto: bidaya/Fotolia Kinder und Jugendliche. Bei Kindern und Heranwachsenden sind es oft Habits, die sich mit der Zeit zu Dysfunktionen verselbstständigen. Verliert das Kleinkind ab einem gewissen geistig/sozioemotionalen Entwicklungsstadium (durchschnittlich nach dem 3. Lebensjahr) nicht den physiologischen Lutschdrang, und persistiert er als Habit in Form von einer länger anhaltenden Einlagerung von Fremdkörpern in den Mund, z. B. Finger, Schnuller oder Ähnlichem, kommt es zu typischen Verformungen der Kiefer (schmaler, hoher Gaumen, frontal offener Biss, Distalbiss, Kreuzbiss u. a.). Schließlich mündet die Lutschgewohnheit in die dauerhafte Dysfunktion von Atmung, Zunge und Lippenmuskulatur. Häufige Erkältungen als Folge der Mundatmung, Verlegung der Nasengänge und des Rachens durch adenoide Wucherungen bis hin zu einer verlangsamten Entwicklung der intellektuellen Fähigkeiten durch die Minderversorgung des Gehirns mit Sauerstoff sind dann als Folgen zu beobachten. Je früher bei den jungen Patienten eingegriffen wird, desto besser die Prognose. Flankierend zur Beratung und Belehrung treten kieferorthopädische Maßnahmen im Rahmen einer interzeptiven (Früh-) Behandlung. Logopädische Übungen. Über die Anweisung zu myofunktionellen Übungen hinaus, ist die Durchführung von Therapiesitzungen in der Zahnarztpraxis nicht Inhalt der Leistung nach der GOZ-Nr. 6190. Derartige myofunktionelle Übungen bzw. angewandte Übungssitzungen, die in der eigenen Praxis durchgeführt werden, sind in der GOZ nicht beschrieben und sind daher gemäß § 6 Abs. 1 GOZ analog zu berechnen. Fazit. Dysfunktionen können sich in jedem Lebensalter und aus unterschiedlichen Gründen entwickeln. Ein essenzieller Baustein bei der Therapie ist das beratende und belehrende Gespräch. Autorenteam des GOZ-Ausschusses der LZK BW ZBW 2/2018 www.zahnaerzteblatt.de
Praxis 39 Neues aus dem PRAXIS-Handbuch der LZK BW Anamneseerhebung in der Zahnarztpraxis Foto: Radu/LZK BW Die sorgfältige und aktuelle Anamneseerhebung ist aus medizinischer und rechtlicher Sicht für eine adäquate Patientenbehandlung unerlässlich. In Zeiten medizinischen Fortschrittes, steigender Lebenserwartung, aber auch des Zuzuges von Menschen aus allen Teilen der Welt werden wir in den Praxen mit zunehmend komplexeren Behandlungssituationen wie z. B. Multimorbidität, Polypharmazie aber auch Sprachbarrieren konfrontiert. Die Muster-Patientenerhebungsbögen im PRAXIS- Handbuch der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg stellen hier eine praktische Hilfestellung für das Praxisteam dar. Es handelt sich um individualisierbare gleich strukturierte Word-Dokumente in deutscher Sprache und weiteren 16 Sprachübersetzungen (Arabisch, Englisch, Französisch, Griechisch, Italienisch, Kroatisch, Mazedonisch, Montenegrinisch, Persisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Russisch, Serbisch, Spanisch und Türkisch). Die Muster-Patientenerhebungsbögen finden Sie auf der Homepage der LZK BW in der Online-Version des PRAXIS-Handbuchs unter www.lzk-bw.de („ZAHNÄRZ- TE“ >>> unter der Rubrik „Praxisführung“ auf das „PRA- XIS-Handbuch“ >>> nochmal auf „PRAXIS-Handbuch“ >>> Schaltfläche „3. Qualitätssicherung: Anhang“ >>> „3.5 Formulare“ >>> „3.5.13 Praxisverwaltung“. Für den Praxisführungsausschuss Dr. Norbert Struß, Freiburg Anzeige www.zahnaerzteblatt.de ZBW 2/2018
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