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Kontroverse Diskussion um die Bürgerversicherung

Ausgabe 2/2018

32 Fortbildung

32 Fortbildung Gemeinschaftssymposium des TAKRegMed und der AfG in Frankfurt Grundlagenforschung, translationale Forschung und klinische Forschung Inzwischen ist es schon fast Tradition geworden beim Zahnärztetag: das Gemeinschaftssymposium zweier forschungsorientierter Arbeitsgemeinschaften in der DGZMK, des Transdisziplinären Arbeitskreises für Regenerative Medizin (TAKRegMed), der sich der regenerativen Forschung in der Zahnmedizin verschrieben hat, zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft für Grundlagenforschung (AfG), die seit 50 Jahren das Forum für dentale orale oder werkstoffkundliche Forschung bietet. Auch 2017 konnten die beiden Fachgruppen, renommierte Referentinnen und Referenten akquirieren, die zu Themen aus ihren jeweiligen Forschungsgebieten einen State-of-the-Art-Überblick gaben. Es gelang so, Möglichkeiten und Grenzen zwischen Grundlagenforschung und Praxisanwendungen aufzuzeigen und einen Bogen zwischen der reinen Grundlagenforschung über die sogenannte translationale Forschung, also beispielsweise vom Tissue Engineering über den Tierversuch bis hin zur klinischen Anwendung zu spannen. Pulparegeneration. Professor Dr. Kerstin Galler, Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie aus dem mit EDTA (Ethylendiamintetraessigsäure) behandelten Dentin. Fernziel sei in der Endodontologie eine echte Regeneration von Pulpagewebe, was allerdings im Tierversuch bisher noch nicht erreicht werden konnte. Das nach der Regenerationsbehandlung untersuchte Gewebe ähnelt eher Narbengewebe. Neue Ansätze sieht Prof. Galler im Einsatz der „Trias“ Wachstumsfaktoren mit entsprechenden Zellen und geeigneten Trägermaterialien. Als Zellen kommen hier vor allem dentale Stammzellen in Frage, die aus unterschiedlichen Kompartimenten von Zahn und Mundhöhle isoliert werden können. Diese sind in der Lage, sich auf sogenannten Scaffolds (individualisierte, bioaktive Trägermaterialien), wie beispielsweise die von ihr untersuchten gelartigen Matrizes, zu organisieren. Schließlich liefert die Dentinmatrix selbst geeignete Wachstumsfaktoren, die sich durch EDTA ultraschallaktiviert aus dem Wurzelkanaldentin freisetzen lassen. Zellfreie Ansätze verwenden beispielsweise Dentinmatrixprotein (DMP) mit Fider Universität Regensburg, die seit vielen Jahren auf dem Gebiet der Pulparegeneration forscht, leitete in ihrem Vortrag „Regeneration, Reparatur und Tissue Engineering der Zahnpulpa“ von klinischer Seite in die Thematik ein. Sie stellte als Alternative zur Apexifikation Verfahren vor, die durch Induktion einer Einblutung in den Wurzelkanal bei Zähnen mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum eine Gewebsneogenese, resultierend in vitalem Gewebe und damit Hartsubstanzapposition, am Apex erzielen können. Bei dieser Vorgehensweise interagieren wahrscheinlich periapikale Stammzellen, die in den Wurzelkanal eingeschwemmt werden, mit freigesetzten Wachstumsfaktoren Erfolgreich. Gemeinschaftssymposium des TAKRegMed und der AfG beim Deutschen Zahnärztetag 2017 (v. l.): Dr. Christian Kirschneck, Prof. Dr. Michael Wolf, PD Dr. Christiane Kunert-Keil, PD Dr. Dr. Bernd Lethaus, PD Dr. Susanne Proksch, Dr. Katharina Reichenmiller, Prof. Dr. Werner Götz, Dr. Anna Damanaki. Foto: DGZMK/Michelle Spillner ZBW 2/2018 www.zahnaerzteblatt.de

Fortbildung 33 brin, dessen Applikation in entsprechenden Regenerationsmodellen zur Bildung eines pulpaähnlichen Gewebes führte. Als Ziel für die klinische Anwendung sieht sie eine „guided endodontic repair“-Strategie, bei der nach Konditionierung und induzierter Freisetzung endogener Wachstumsfaktoren diese Faktoren auf einem Trägermaterial in den Wurzelkanal appliziert werden. Stammzellforschung. Priv.- Doz. Dr. Susanne Proksch, Klinik für Zahn erhaltungskunde und Parodontologie, Universitätsklinikum Freiburg, beschäftigt sich mit dentaler Stammzellforschung. Für ihre Forschung erhielt sie kürzlich den Mathilde-Wagner-Preis und leitet momentan eine Arbeitsgruppe im interdisziplinären Forschungsverbund „G.E.R.N – Gewebeersatz, Regeneration und Neogenese“ an der Universität Freiburg. Sie gab einen fundierten Überblick über die Interaktionen von Stammzellen, die in ihren „Nischen“ im Körper zahlreichen biochemischen und biomechanischen Einflüssen ausgesetzt sind. Diese Interaktionen modifizieren auch das Verhalten von Stammzellen im dentalen und orofazialen Bereich. Dazu gehören beispielsweise Wechselwirkungen mit Mikroorganismen, mit Zellen des Immunsystems oder Osteoblasten. Eine mechanische Beeinflussung durch Zugkräfte verändere ebenfalls das Verhalten der Zellen z. B. hinsichtlich ihres Proteinmetabolismus. Die Kenntnisse dieser gegenseitigen Einflüsse sind eine wichtige Voraussetzung für das Verhalten von Stammzellen auf Biomaterialien im Rahmen des Tissue Engineering. Dr. Proksch berichtete über eigene Untersuchungen an Scaffolds, hier porenhaltige Polymervliese, welche mit Stammzellen interagieren. Wichtig seien auch die mechanischen Eigenschaften solcher Materialien. Als eine wichtige Technologie für regenerative Verfahren betrachtet sie die Entwicklung von zellbesiedelten Membranen („cell sheets“) und spezielle biologische 3D-Druckverfahren (sog. Bioplotting), mit denen der Druck unterschiedlich kombinierter Gewebe, z. B. von Zement- Wurzelhaut-Knochen-Konstrukten, realisiert werden könnte. Translationale Forschung. Priv.-Doz. Dr. Christiane Kunert- Keil, Leiterin des Forschungslabors der Poliklinik für Kieferorthopädie des Universitätsklinikums Dresden untersucht die Einheilung von Knochenersatzmaterialien nach „socket preservation“ und berichtete über ihre Untersuchungen an verschiedenen Tiermodellen. Hierbei ging es auch um die Frage, inwieweit sich Zähne durch augmentierte Areale hindurch kieferorthopädisch bewegen lassen und durch Knochenverdichtung sowie Vaskularisierung beeinflusst werden. Sie stellte eine laufende klinische Studie vor, in der an Patienten nach Extraktion von Prämolaren oder Molaren und socket preservation mit einem kommerziell erhältlichen, kollagenbasierten Ersatzmaterial eine Zahnbewegung in die augmentierte Region erfolgte. Schließlich präsentierte Dr. Kunert-Keil erste erfolgversprechende Ergebnisse zur Anwendung von Knochenmehl für regenerative Therapien. Knochenmehle werden in ihrem Labor im Hinblick auf ihre Zusammensetzung untersucht und ihre mögliche osteogene Kapazität getestet. Erste Versuche zur Füllung von Knochendefekten mit einem solchen Mehl im Schafmodell zeigten gute Regenerationstendenzen. Kopf-Hals-Chirurgie. Priv.-Doz. Dr. Dr. Bernd Lethaus, Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Uniklinik RWTH Aachen, präsentierte seine komplexen Studien zum Tissue Engineering in der rekonstruktiven Kopf-Hals-Chirurgie. Ausgehend von Patientenfällen, bei denen nach umfangreichen tumorbedingten Resektionen aufwändige, langwierige und belastende Rekonstruktionsverfahren notwendig sind, stellte er neue experimentelle Ansätze vor, die eine Verbesserung vor allem der knöchernen Regeneration erwarten lassen. Auch hierbei ist Grundlagenforschung die Basis, um zunächst eine Auswahl alloplastischer Trägermaterialien auf Eignung für eine Besiedlung mit mesenchymalen Stammzellen in vitro zu etablieren und später am Tiermodell weiterführend zu testen. Als weiteren Ansatz berichtete er über magnesiumhaltige, biokompatible Materialien, die durch Oxidationsverfahren zusätzlich beschichtet und so nicht nur belastungsstabil, sondern auch kontrolliert resorbierbar hergestellt wurden. Zum Abschluss gab er einen Überblick über ein laufendes Projekt zur ektopen Knochenpräformation, um zunächst im Tierversuch vaskularisierte und personalisierte Knochenimplantate herstellen zu können. Erste Ergebnisse werden in Kürze erwartet. Lethaus betonte abschließend, dass CAD-CAM-Verfahren helfen werden, in Kombination mit Tissue Engineering die Rekonstruktions- und Rehabilitationschirurgie im Kopf- Hals-Bereich zu verbessern. Preisträger. Ebenfalls schon Tradition haben die Vorträge der Preisträger der vorangegangenen AfG-Jahrestagungen. Dieses Mal waren es Dr. Matthias Widbiller aus der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie der Universität Regensburg (1. Preis) und Dr. Anna Damanaki aus der Abteilung für Experimentelle Zahnheilkunde der Zahnklinik der Universität Bonn (2. Preis). Professor Galler fasste den Vortrag von Dr. Widbiller, der wegen eines Forschungsaufenthaltes im Ausland nicht persönlich vortragen konnte, zusammen, in dem es um die Gewinnung von Wachstumsfaktoren aus humaner Dentinmatrix und deren Einsatz in der experimentellen Pulparegenerationsforschung ging. Dr. Damanaki stellte ihre Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Parodontitis und Adipositas vor. Klinisch und histologisch konnte sie bei übergewichtigen Mäusen inflammatorische Veränderungen am Zahnhalteapparat nachweisen. Fazit. Der Erfolg des Gemeinschaftssymposiums ist Anlass, auch am 9. November 2018 wieder eine solche Veranstaltung auf dem Deutschen Zahnärztetag zu realisieren. Eine weitere Tagung ist das Satellitensymposium des TAKRegMed am 8. Juni auf der 68. Jahrestagung der DGMKG in Dresden. Prof. Dr. Werner Götz, Bonn, Dr. Katharina Reichenmiller, Tübingen www.zahnaerzteblatt.de ZBW 2/2018

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