26 Fortbildung a b c d Abb. 7a-d DNA-Extraktion aus den Taschenprobenstreifen und praktische Durchführung der real-time Polymerasekettenreaktion (PCR). (a) Mittels des Nexttec DNA Isolation Systems wird die vorhandene bakterielle DNA aus dem Probenstreifen in 50 µl Elutionspuffer gelöst. (b) Zur Amplifikation der bakteriellen DNA aus den parodontalen Taschen werden neben der eluierten Patientenprobe (1), erregerspezifische Primer (hier P. intermedia (P.i.) und T. forsythia (T.f.)) (2), passende keimspezifische fluoreszierende TaqMan-Sonden (hier P.i.-Sonde gekoppelt mit Cy5 und T.f.-Sonde gekoppelt mit FAM) (3) sowie PCR-Puffer, Nukleotide und DNA-Polymerase (4) verwendet. (c) Die Amplifikation der bakteriellen DNA erfolgt im Bio-Rad iQ5 Thermocycler. (d) Zur Auswertung der real-time PCR dient anschließend die Bio-Rad iQ5-Software. Die Grenzen der rein mechanischen Therapie liegen sowohl bei schweren chronischen und aggressiven Verlaufsformen der Parodontitis wie auch bei Parodontitis in Kombination bzw. auf dem Boden von immunsupprimierenden Systemerkrankungen (z. B. Diabetes mellitus oder HIV (43)). Ursächlich hierfür sind – ähnlich wie oben dargestellt – Keime, die sich der mechanischen Therapie entziehen (16, 63, 73). Gesteigert wird der Therapieerfolg durch eine begleitende systemische Antibiotikatherapie (37, 49, 61). Jedoch ist der komplexe und hoch organisierte Biofilm gegenüber äußeren Einflüssen, wie auch Antibiotika, sehr widerstandsfähig (17). Die mechanische Desintegration des Biofilms erhöht die Wirksamkeit der antimikrobiellen Therapie (29). Daher sollten Antibiotika immer additiv und nicht alternativ zur mechanischen Therapie eingesetzt werden. Der beste Zeitpunkt für den Beginn der Einnahme ist der letzte Behandlungstag der mechanischen Therapie (30, 38), entweder am Morgen des Behandlungstages oder direkt im Anschluss an die Therapie. Eine adjuvante Antibiotikatherapie kann in schweren Fällen zudem den weiteren chirurgischen Therapiebedarf verringern oder gänzlich vermeiden (40). Bakterieller Erregernachweis. Der mikrobiologische Erregernachweis ermöglicht die Bestimmung der mikrobiellen Flora und liefert – in Abhängigkeit des Testverfahrens – eine qualitative oder quantitative Angabe der vorliegenden Erreger. Das labordiagnostische Ergebnis differenziert jedoch nicht zwischen einer chronischen und aggressiven Parodontitis (39, 55). Diagnostisch und therapeutisch entscheidend hierfür sind zunächst einmal das klinische Bild, die spezielle Anamnese und der röntgenologische Befund des Patienten. Die daraus abgeleitete Diagnose kann, je nach Art und Schweregrad der Erkrankung, eine Indikation zur Keimlastbestimmung liefern. Eine gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DG Paro) und der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) empfiehlt eine mikrobiologische Diagnostik bei folgenden Diagnosen (5): ZBW 2/2018 www.zahnaerzteblatt.de
Fortbildung 27 • Aggressive Parodontitis • Generalisierte schwere chronische Parodontitis • Therapieresistente Parodontitiden, bei denen es trotz adäquater mechanischer Therapie zu fortschreitendem Attachmentverlust kommt • Schwere Parodontitiden in Verbindung mit systemischen Erkrankungen (z. B. Diabetes, Immunsuppression) Sollte das Testergebnis trotz offensichtlicher klinischer Befunde negativ ausfallen, könnte dies daran liegen, dass bislang nicht kultivierbare und daher nicht näher identifizierte Mikroorganismen an der Krankheitsentstehung beteiligt sind. Weitere Möglichkeiten bestehen in einer dysregulierten Immunantwort, einer genetischen Prädisposition oder Defekten im Bereich des Kollagen- oder Knochenmetabolismus. Das Ergebnis der mikrobiologischen Tests hilft bei der Entscheidung, ob und mit welchem Wirkstoff eine adjuvante antimikrobielle Therapie notwendig ist. Zudem ist es sinnvoll, nach Abschluss der antiinfektiösen Therapie erneut eine mikrobielle Diagnostik durchzuführen, um den Therapieerfolg zu überprüfen (15, 60). Dafür ist, wie bereits erwähnt, nicht immer eine vollständige Elimination der Keime notwendig. In vielen Fällen ist bereits eine Reduktion der Keimlast ausreichend. Im Falle eines Therapiemisserfolgs, bei klinisch persistierender Entzündung und progredientem Attachmentverlust, kann unter Umständen eine weitergehende mikrobiologische Diagnostik mit Erregeranzucht und Resistenztestung versucht werden. Zuvor sollte allerdings sichergestellt werden, dass nicht eine unterbliebene oder fehlerhafte Einnahme der Antibiotika durch den Patienten für den ausbleibenden Therapieerfolg verantwortlich ist. Labordiagnostische Testverfahren. Es existieren verschiedene Testverfahren zum Nachweis der Erreger des subgingivalen Mikrobioms, die mit ihren Vorund Nachteilen im Folgenden erläutert werden sollen. Kultur. Grundsätzlich besteht die „eher theoretische“ Möglichkeit, Bakterien aus parodontalen Taschen kulturell anzuzüchten. Dies gilt insbesondere für die fünf Markerkeime der Parodontitis (P. gingivalis, T. forsythia, T. denticola, P. intermedia und A. actinomycetemcomitans). Da es sich größtenteils um obligat anaerobe Keime handelt, können hierzu in der bakteriologischen Routinediagnostik Flüssignährmedien (Thioglycolat- Boullion: enthält u. a. Kasein- und Sojapeptone, Glucose, B-Vitamine, Hämin und Vitamin K1) sowie Festnährmedien (Schaedler-Agar mit Schafblut, Schaedler- Kanamycin-Vancomycin-Agar mit Schafblut) verwendet werden. Antibiotikazusätze im Agarmedium dienen der Keimselektion durch Hemmung des Wachstums von fakultativ anaeroben gramnegativen Stäbchen (Kanamycin) bzw. obligat anaeroben grampositiven Stäbchen (Vancomycin). Aufgrund der Probenabnahme aus den parodontalen Taschen mittels eines Papierstreifens ist eine initiale kulturelle Anzucht mittels Drei-Ösen-Ausstrich (Abb. 3a) grundsätzlich nicht möglich. Stattdessen müssen die Erreger zunächst in einem Thioglycolat-Flüssignährmedium angezüchtet werden, um sie anschließend auf Festnährmedien zu subkultivieren. Dieses Prozedere schränkt die Quantifizierbarkeit der Erreger ein. Die Kultur der Festnährmedien erfolgt zudem stets unter anoxischen Bedingungen in einem Anaerobiertopf (Abb. 3b) für mindestens weitere 48 Stunden. Mit diesen Verfahren können die verschiedenen Keime nun visuell durch ihre unterschiedlichen Wachstumscharakteristika (Kolonieform und -farbe) unterschieden werden (Abb. 4a). Einzelkolonien werden dann weiter zur Herstellung einer Reinkultur auf einem frischen Festnährmedium subkultiviert (Abb. 4b). Mittels MALDI-TOF (Matrix- Assistierte Laser-Desorption-Ionisierung (MALDI) mit Flugzeitanalyse (engl. time of flight, TOF) lässt sich anschließend die Erregerspezies identifizieren (Abb. 5a, b). Zudem bietet die bakterielle Anzucht die Möglichkeit der Resistenztestung mittels E-Testung (Epsilometer- Testung). Exemplarisch wurde hier eine Resistenztestung für Porphyromonas spp. (Abb. 6a, b, c) bzw. Aggregatibacter spp. (Abb. 6d, e, f) durchgeführt. Im Vergleich zu Porphyromonas spp. zeigt sich bei Aggregatibacter spp. eine Resistenz gegenüber Metronidazol (MTZ) und Clindamycin (CD) durch ein Keimwachstum bis zu einer Antibiotikakonzentration von 256 µg/ ml (Abb. 6e, f). Zusammenfassend ist die kulturelle Erregeranzucht jedoch sehr aufwändig, langwierig und kostenintensiv. Sie bleibt daher nur ausgewählten, speziellen Fragestellungen vorbehalten. Darüber hinaus ist präanalytisch zu berücksichtigen, dass anaerobe Keime sehr schnell in Kultur gebracht werden müssen, da sie andernfalls bereits auf dem Transport absterben. Zudem können kulturell nur etwa 50 Prozent der oralen Mikrobiota angezüchtet werden (42, 45). Molekularbiologische Verfahren. Im Gegensatz zur kulturellen Erregeranzucht, die schnelle Transportzeiten zum Nachweis viabler Erreger voraussetzt, basieren molekularbiologische Testverfahren der fünf Parodon- Abb. 8 Auswertung der real-time PCR-Ergebnisse: Das Ergebnisdiagramm gibt die für jeden Keim bestimmte Erregermenge in Bezug auf die untersuchte Probe an. Keimzahlen kleiner 100 Bakterien je Probe befinden sich unterhalb der Nachweisgrenze (< 1 x 10 2 ). Keimzahlen > 1 x 10 10 liegen oberhalb des linearen Messbereichs und können daher nicht mit der nötigen Genauigkeit angegeben werden. Abkürzungen: A. a.: Aggregatibacter actinomycetemcomitans, P.g.: Porphyromonas gingivalis, T.f.: Tannerella forsythia, P.i.: Prevotella intermedia, T.d.: Tannerella denticola. www.zahnaerzteblatt.de ZBW 2/2018
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