28 Berufspolitik Gesetzgeber schließt Strafbarkeitslücken Kein Mehrwert durch das Antikorruptionsgesetz Nach jahrelangem Anlaufnehmen hat der Bundestag Mitte April das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen („Antikorruptionsgesetz“) beschlossen. Mit diesem Gesetz werden zwei neue Straftatbestände im Strafgesetzbuch verankert: die Bestechlichkeit (§ 299a) und die Bestechung (§ 299b) im Gesundheitswesen. Obwohl sich die zahnärztlichen Standesvertreter seit Jahren für eine Null-Toleranz-Politik beim Thema „Korruption“ ausgesprochen haben, standen sie der Gesetzesinitiative ablehnend gegenüber. Kammern auf Länderebene kein bundesweit einheitliches Strafrecht gewährleistet werden könne. Offensichtlich setzte sich diese Ansicht auch im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Bundestages durch: Der Berufsrechtsbezug im Gesetzestext wurde ersatzlos gestrichen. „Trotz grundsätzlich guter Absichten hat der Gesetzgeber ein kompliziertes Instrument geschaffen, das Heilberufe unverhältnismäßig diskriminiert und einen Generalverdacht gegenüber allen ehrlich arbeitenden Zahnärzten und Ärzten erhebt“, konstatierte die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) anlässlich der Verabschiedung des Antikorruptionsgesetzes. Zudem gebe es bereits umfängliche und völlig ausreichende Sanktionsmaßnahmen, die bis zum Entzug der Zulassung reichten und faktisch einem Berufsverbot gleichkämen. „Das neue Gesetz schafft also im Vergleich zur bestehenden Rechtslage keinen Mehrwert“, so der KZBV- Vorstandsvorsitzende Dr. Wolfgang Eßer. Foto: Fotolia Berufsrechtsbezug gestrichen. Im Zusammenhang mit den Berufsordnungen, in denen die angesprochenen Sanktionsmöglichkeiten verankert sind, gab es im Vorfeld heftige Diskussionen. Der Referentenentwurf des Antikorruptionsgesetzes sah nämlich vor, die strafrechtliche Bewertung an berufsrechtliche Kriterien zu knüpfen – eine Konstellation, der auch die KZV BW frühzeitig und entschieden entgegentrat, u. a. durch Veröffentlichung des Katalogs „Sechs Gründe gegen einen Verweis auf berufsrechtliche Pflichten“. „Wenn der Bundesgesetzgeber von seinem Recht Gebrauch macht, Straftatbestände einzuführen, ist er auch verpflichtet, die wesentlichen Dimensionen des Unrechts selbst zu bestimmen. Dazu gehört auch die Festlegung des strafbaren Verhaltens“, stellte Christian Finster, stv. Vorstandsvorsitzender der KZV BW, klar. Diese Pflicht könne nicht auf das Berufsrecht abgewälzt werden, zumal durch die Unterschiede zwischen den Berufsordnungen der Strafrahmen. Das neue Gesetz sieht vor, dass – vereinfacht gesagt – künftig jeder Angehörige eines Heilberufs mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft wird, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, wenn er einen anderen bei folgenden Tätigkeiten bevorzugt: (1.) bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, (2.) bei dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, oder (3.) bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial. In besonders schweren Fällen ist eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren möglich. Der Strafrahmen für die aktive Bestechung im Gesundheitswesen ist mit demjenigen der Bestechlichkeit identisch. Die Straftatbestände erfassen alle Heilberufsgruppen, die für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordern. Dazu gehören neben Zahnärzten, Ärzten, Tierärzten und Apothekern auch Psychotherapeuten, Gesundheits- und Krankenpfleger, Ergotherapeuten, Logopäden und Physiotherapeuten. Zwischen der privatärztlichen und der vertragsärztlichen Versorgung wird nicht unterschieden. Da die Strafttatbestände als Offizialdelikte ausgestaltet wurden, können die Staatsanwaltschaften von Amts wegen tätig werden. Es bedarf keines Strafantrages. » schildhauer@meduco.de ZBW 5/2016 www.zahnaerzteblatt.de
Berufspolitik 29 Interview mit Christian Finster, stv. Vorstandsvorsitzender der KZV BW KZV will mit professioneller Beratung rechtliche Unsicherheiten ausräumen Das neue Antikorruptionsgesetz mag zwar eine Lücke im Strafrecht schließen, kann aber auch erhebliche Unruhe in die Praxen tragen. Dies betrifft nicht nur das Vertrauensverhältnis zwischen Zahnarzt und Patient. Auch geschäftliche Konstellationen, zum Beispiel Kooperationen mit oder Beteiligungen an Dentallaboren, können problematisch sein, ohne dass den Beteiligten wirklich klar ist, in welchem Detail die rechtlichen Fallstricke zu verorten sind. Hier will die KZV BW praxisnahe Unterstützung leisten, wie im Gespräch mit dem stv. Vorstandsvorsitzenden Christian Finster über die Einführung des Korruptionstatbestands im Gesundheitswesen deutlich wird. Dimension. Wenn der Bundesgesetzgeber Straftatbestände einführt, ist er auch „verpflichtet, die wesentlichen Dimensionen des Unrechts selbst zu bestimmen. Dazu gehört auch die Festlegung des strafbaren Verhaltens“, stellte Christian Finster, stv. Vorstandsvorsitzender der KZV BW, klar. ZBW: Am 14. April 2016 verabschiedete der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen. Wie bewerten Sie die Einführung der Straftatbestände der Bestechlichkeit und Bestechung für die Heilberufe? Christian Finster: Die neuen Regelungen werden eine enorme rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung haben. Sie werden Maßstab für sämtliche im Gesundheitswesen praktizierte Geschäftsbeziehungen sein. Es findet durch das neue Korruptionsstrafrecht eine Ungleichbehandlung mit anderen Freien Berufen statt. Die Heilberufe werden unter Generalverdacht gestellt. Das wird weder den Ärzten noch den Zahnärzten gerecht, die tagtäglich mit großem Engagement und hohem persönlichen Einsatz ihrem Beruf sehr verantwortungsbewusst und mit großem Vertrauen der Patienten nachgehen. Fotos: Bamberger Von Seiten der Heilberufe wurde u. a. argumentiert, dass ein Antikorruptionsgesetz schon deshalb überflüssig sei, weil das Vertragszahnarztrecht bzw. Berufsrecht vor Missbräuchen schütze. Dennoch gab es immer wieder Medienberichte über Korruption im ärztlichen, aber auch im zahnärztlichen Bereich. Bedeutet das, dass die Selbstverwaltung ihren Aufgaben nicht gerecht wurde? Nein, das heißt das nicht. Natürlich nimmt die Selbstverwaltung ihre Aufgaben wahr. Es gibt sowohl vertragszahnärztliche als auch berufsrechtliche Vorschriften, die in der Vergangenheit auch konsequent angewendet wurden, wenn der Verdacht auf ein korruptives Verhalten vorlag. Diese Vorschriften werden auch nach Einführung des Antikorruptionsgesetzes nicht gegenstandslos werden. Die Tatsache, dass sich der Gesetzgeber dafür entschieden hat, z. B. bei den KZVen die Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen nicht aufzulösen, belegt doch, dass die zahnärztlichen Institutionen offensichtlich bei Bedarf viel näher dran sind als die Staatsanwaltschaften; aber auch, dass sie funktionieren. Die Ausgestaltung des Gesetzentwurfs, der ursprünglich eine Anknüpfung des Strafrechts an berufsrechtliche Regeln vorsah, sorgte für lange juristische Diskussionen. Auch die KZV BW hatte sich im Mai 2015 in einem Sechs-Punkte-Katalog gegen den Berufsrechtsbezug ausgesprochen. Worin lag aus Ihrer Sicht die Problematik? Die in der ursprünglichen Fassung vorgesehene Tatbestandsvariante der Verletzung der berufsrechtlichen Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit ist zu Recht gestrichen worden. Damit ist den nicht nur von uns geäußerten Bedenken im Hinblick auf die Unbestimmtheit und Uneinheitlichkeit der in Bezug genommenen Berufsordnungen Rechnung getragen worden. Es wäre ansonsten zu einem Strafrechtsflickenteppich, je nach www.zahnaerzteblatt.de ZBW 5/2016
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