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Kompetente und innovative Fortbildung

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Ausgabe 5/2017

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16 Fortbildung 41. Jahrestagung der südbadischen Zahnärzteschaft in Rust Risiken bei Patienten minimieren Die Fortsetzung des Tagungsprogramms am zweiten Tag in Rust zum Thema „Risiko erkennen – Risiko vermeiden“ folgte mit vier weiteren Vorträgen. Auch diesmal stand der Patient im Vordergrund, der z. B. durch kardiovaskuläre Erkrankungen, Krebs oder Diabetes mit entsprechender Medikation zusätzliche Risiken mit sich bringt. Bei der zahnmedizinischen Behandlung muss diesem Umstand Rechnung getragen werden. Die Referenten gaben den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zahlreiche Hinweise und Tipps mit auf den Weg, die sie in der Praxis umsetzen können, um die Risiken bei der Behandlung zu minimieren. Die Fortbildung in Rust folgt dem Motto: Konzentriert arbeiten, entspannt feiern, konzentriert arbeiten. Obwohl der erste Tagungstag erst in den frühen Morgenstunden nach einem rauschenden Gesellschaftsabend mit anschließender Disco zu Ende war, fand sich der Großteil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am nächsten Tag wieder pünktlich im Dome ein. Die hochspannenden Referate wirkten dabei wie Koffein, denn die Konzentration war garantiert. Risiko Kiefernekrose. Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz aus Wiesbaden berichtete in seinem Vortrag über Patienten, die aus unterschiedlichen Gründen wie z. B. Knochenmetastasen, primär malignen Knochentumoren, Osteoporose u. a. eine antiresorptive Therapie erhalten. Darunter versteht man die medikamentöse Behandlung mit Bisphosphonaten oder mit dem monoklonalen Antikörper Denosumab. Auf der einen Seite haben diese Medikamente durch hemmende Effekte an den Osteoklasten eine positive Wirkung, können aber in der Folge schwierig zu therapierende Kiefernekrosen mit sich bringen. Das Risiko steigt, je länger die Therapie andauert. Als wichtigste enorale Auslöser einer Kiefernekrose nennt Prof. Grötz Zahnentfernungen ohne Sicherheitskautelen, Prothesendruckstellen und die Parodontitis marginalis. Somit kommt dem Zahnarzt eine wichtige Rolle zu, weil er bei Patienten mit antiresorptiver Therapie durch präventive Maßnahmen einer drohenden Kiefernekrose entgegenwirken kann. Prof. Grötz empfahl, bei Risikopatienten einen Laufzettel einzusetzen, der unter www.onko-support.de heruntergeladen werden kann. Der Laufzettel soll die interdisziplinäre Kommunikation zwischen den Allgemeinmedizinern und den Zahnärzten bzw. Mund-, Kieferund Gesichtschirurgen verbessern. Evidenzbasierte Studien belegen, dass die Rate an Kiefernekrosen gesenkt wird, wenn der Zahnarzt um das Risiko weiß und auf Prophylaxe setzt. Zur Prävention von Kiefernekrosen riet Prof. Grötz bei Zahnentfernungen zu folgenden Maßnahmen: perioperative systemische antibiotische Abschirmung, Infektions-Prophylaxe z. B. mit Amoxicillin, atraumatische Zahnentfernung, keine thermische, mechanische o. ä. Knochenläsion, Glätten von scharfen Alveolenkanten, plastische Abdeckung und prolongierte Nachkontrollen. Das Vermeiden von Druckstellen bei Prothesen gehört ebenfalls zu wichtigen prophylaktischen Maßnahmen, die der Zahnarzt ergreifen sollte. Abstimmung. Bei antikoagulierten Patienten rät Prof. Dr. Gerhard Wahl, eine Zahn-OP nur in Abstimmung mit dem behandelnden Arzt durchzuführen. Schlüsselrolle. Nach Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz aus Wiesbaden kann der behandelnde Zahnarzt durch präventive Maßnahmen einer Kiefernekrose entgegenwirken. Fotos: Bamberger ZBW 5/2016 www.zahnaerzteblatt.de

Fortbildung 17 Modifikation. Laut Prof. Dr. Nadine Schlüter profitieren u. a. Personen mit Einschränkungen in der Mundhygiene von der chemischen Modifikation des Biofilms. Zusammenhang. Prof. Dr. Christof Dörfer sieht bei der Parodontitis nur einen Risikoindikator für viele Erkrankungen, aber keinen ursächlichen Faktor. Risiko Antikoagulanzien. Ältere Patienten bringen wesentlich mehr Vorerkrankungen in die Zahnarztpraxis mit als jüngere und der Zahnarzt muss vor einer Behandlung besonders auf die Medikation achten. Prof. Dr. Gerhard Wahl aus Bonn hatte im folgenden Vortrag insbesondere Patienten mit Herzoder Gefäßerkrankungen im Blick, die mit Antikoagulanzien versorgt werden. Bei ihnen muss eine lebensbedrohliche Thromboembolie durch gerinnungshemmende Mittel vermieden werden. Auch bei Patienten, die ohne jegliche Grunderkrankungen in die Praxis kommen, muss man damit rechnen, dass sie z. B. prophylaktisch Acetylsalicylsäure einnehmen. Sie sind somit Patienten mit einem hohen Blutungsrisiko, das insbesondere bei zahnärztlich-chirurgischen Eingriffen berücksichtigt werden muss. Prof. Wahl empfiehlt eine interdisziplinäre Therapieplanung, um einerseits das Blutungsrisiko während und nach der Operation zu verringern und andererseits den Patienten keinem erhöhten Thromboembolierisiko durch Veränderung seiner Medikation auszusetzen. Er rät dringend davon ab, die Medikamente, wie früher üblich, für einen gewissen Zeitraum abzusetzen, da hier die größte Thromboemboliegefahr für den Patienten bestehe. Wer allerdings die „Neuen oralen Antikoagulanzien“ (NOAK) einnimmt, darf aufgrund des schnelleren Wirkungseintritts bei Operationen kurzfristig unterbrechen. Letztendlich muss aber immer eine Abstimmung mit dem behandelnden Kardiologen oder Hausarzt erfolgen, denn jeder Patient ist in Bezug auf sein Blutungsund Embolierisiko individuell zu beurteilen. Kariesrisiko. Zwar weniger lebensbedrohlich, aber nicht minder wichtig war das Thema des dritten Vortrags. Prof. Dr. Nadine Schlüter aus Freiburg stellte das Kariesrisiko in den Vordergrund und beleuchtete insbesondere den supragingivalen Biofilm. Dabei bot Prof. Schlüter eine Übersicht über das breite Spektrum der Möglichkeiten zur Entfernung oder Modifikation des kariogenen Biofilms. So stellte sie hier verschiedene Verbindungen vor, die den Biofilm chemisch oder biochemisch entfernen oder so modifizieren sollen, dass er weniger kariogen ist, wie z. B. Chlorhexidin, Triclosan, polyvalente Metallkationen (z. B. Silber, Zinn), Xylit, Arginin oder Probiotika. Doch die Anwendung von Chlorhexidin, Triclosan oder Zinn ist mit Nebenwirkungen verbunden, während die anderen Verbindungen zwar keine negativen Begleiterscheinungen zeigen, aber die endgültige Evidenz des kariesprotektiven Effekts vermissen lassen. Die beste Plaquekontrolle ist somit nach wie vor die mechanische Entfernung des Biofilms sowie die Reduzierung des Zuckerkonsums. Parodontitisrisiko. Mit einem aufschlussreichen Vortrag über den Sinn und Unsinn, Zusammenhänge zwischen Parodontitis und Allgemeinerkrankungen herbeizuführen, schloss Prof. Dr. Christof Dörfer aus Kiel die Fortbildungsveranstaltung in Rust. Er zeigte auf, dass es mittlerweile eine solide Datenbasis für ein Zusammenspiel der Parodontitis und bestimmten Erkrankungen wie Diabetes oder Endokarditis gibt, aber er legte den Zahnärzten ans Herz, die Parodontitis stets unabhängig von der Allgemeinerkrankung zu sehen: „Parodontitis ist eine eigenständige und behandelbare Erkrankung. Potenzielle Verbindungen zu anderen Erkrankungen spielen für die Indikation zur Therapie allenfalls eine untergeordnete Rolle!“, so Prof. Dörfer. Er gab den Teilnehmern dazu konkrete Handlungsempfehlungen mit auf den Weg. Wer nach den beiden Fortbildungstagen in Rust immer noch nicht genug von Risiken und deren Vermeidung hatte, der konnte beim optionalen Besuch im angrenzenden Freizeitpark seine eigene Risikobereitschaft testen. » claudia.richter@izz-online.de www.zahnaerzteblatt.de ZBW 5/2016

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