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Kinderzahnheilkunde

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ZBW 11/12 2024

46_FORTBILDUNG

46_FORTBILDUNG ZBW_11-12/2024 www.zahnaerzteblatt.de Tagungspräsidentin. Neue Wege beschritt Prof. Dr. Britta A. Jung bei der diesjährigen wissenschaftlichen Tagung der kieferorthopädischen Gesellschaft. Präsident der DGKFO. Prof. Dr. Peter Proff betonte, dass die Veranstaltung eine ideale Gelegenheit biete, sich umfassend über aktuelle Forschungsergebnisse zu informieren und die Kollegialität zu pflegen. suchungen an 73 brasilianischen Patient*innen umfassten, die sich mit unterschiedlichen Protokollen und in verschiedenen Lebensaltern einer Therapie unterzogen, untermauerten die These, dass die erfolgreichsten Ergebnisse in der Präpubertät erzielt werden können. MOLEKULARE ZELLFORSCHUNG Malokklusionen und dentofazialen Deformitäten der Klasse III sind multifaktoriell und das Ergebnis einer Interaktion zwischen Umweltfaktoren und Genen. Das bisherige Wissen um dentofaziale Fehlbildungen wird neuerdings auch um molekulargenetische Grundlagen ergänzt. In Zukunft könnten auch molekularbiologische Erklärungen für negative Begleiterscheinungen von kieferorthopädischen Behandlungen wie etwa Resorptionen oder parodontale Destruktion gefunden werden. Ergebnisse einer Forschergruppe um Dr. Matthias Weider aus der Kieferorthopädie der Uni Erlangen zeigten, dass Varianten des Parathormonrezeptors 1 (PTH1R) oft mit einer primären Zahndurchbruchsstörung (PFE) assoziiert sind. Allerdings ist über die krankheitsverursachenden Mechanismen noch wenig bekannt. DIGITALISIERUNG Dr. Philipp Eigenwillig, Brandenburg, einer der Pioniere der digitalen Kieferorthopädie, sprach zum Thema „Evolution in Orthodontics – Künstliche Intelligenz und digitale Technologien“ und gab einen Einblick in die Möglichkeiten, die die KI für die Kieferorthopädie und den digitalen Workflow bietet. Dazu gehören u. a. die Analyse von intra oralen Scans zur Erkennung von Fehlstellungen, eine automatisierte Bildanalyse, eine bessere Vorhersagbarkeit von Behandlungsergebnissen und das Montitoring der Behandlungsfortschritte, unterstützt durch ein Remote-Monitoring via Smartphone. In weiteren Kurzvorträgen wurden der Einsatz von Intraoralscannern und der CAD/CAM in der Kieferorthopädie beleuchtet. Tagungspräsidentin Prof. Dr. Britta A. Jung präsentierte Ergebnisse ihrer Arbeitsgruppe aus Freiburg und Bern zur radiologischen Analyse des retromolaren Raumes bei einseitiger Nichtanlage der zweiten Prämolaren im Unterkiefer. Nach kieferorthopädischem Lückenschluss durch Minischrauben oder Miniplatten konnte eine durchschnittliche Vergrößerung des Retromolarraumes um 8,6 (± 3.1) Millimeter festgestellt werden. Diese ca. zweieinhalbfache Vergrößerung des Retromolarraumes zeigt, wie eine skelettal gestützte Mesialisierung der unteren Molaren die okklusalen Einstellung der Weisheitszähne erfolgreich verbessert. LÜCKENSCHLUSS Dr. Peter Göllner, Bern, widmete sich dem Lückenschluss in der ästhetischen Zone, dabei konnte er mit imponierenden Beispielen von ehemaligen Patienten aufwarten. Seiner Ansicht nach ist „alles Eigene hundert Prozent besser als alles Künstliche“. Daraus formte er den Grundsatz „Form follows gravity“ und plädierte bei Frontzahntraumata immer für den kieferorthopädischen Lückenschluss. „Vitale Zähne folgen im Laufe der Jahre und Jahrzehnte der Schwerkraft – das kann ein Implantat nicht.“ Komplizierte Fälle. Dr. Hubertus van Waes, referierte zu Zahndurchbruchsstörungen im Milch- und Wechselgebiss. Kieferorthopädische Frühbehandlung. Prof. Dr. Lorenzo Franchi betonte, wie wichtig das richtige Alter für den Therapiebeginn ist.

ZBW_11-12/2024 www.zahnaerzteblatt.de 47_FORTBILDUNG Retinierte Zähne. Prof. Dr. Stella Chaushu beschäftigte sich mit Faktoren, die Prognose und Behandlungsdauer retinierter Zähne beeinflussen. Ehrnährung. Prof. Dr. Johan Wölber sprach über die Ernährung im Kontext der Kieferorthopädie. BESONDERE BEDÜRFNISSE Prof. Dr. Stella Chaushu, Jerusalem, war mit zwei Themen im Hauptprogramm vertreten. Besonders bewegend war ihr erster Vortrag, an dessen Ende sie ihr multiethnisches Team an der zahnmedizinischen Fakultät der hebräischen Universität Hadassah vorstellte. Eindringlich sprach sie von der dringenden Notwendigkeit des Friedens in ihrer Heimatregion. Dieser erste Vortrag beschäftigte sich mit Faktoren, die Prognose und Behandlungsdauer retinierter Zähne beeinflussen. Ihre aus langer Erfahrung resultierende Message: „Wenn Platz vorhanden ist, kommen die Zähne von selbst, denn sie wissen, wo sie hingehören“. Da sich Prof. Chaushu außerdem intensiv für Kinder mit „besonderen Bedürfnissen“ engagiert, ein Überbegriff, der eine Reihe von geistigen Behinderungen zusammenfasst, war auch ihr Referat am Samstag gut besucht. Die Prävalenz und Schwere von Fehlstellugen bei diesem Personenkreis ist auch hierzulande besonders hoch. Um als Kieferorthopäd*in einen therapeutischen Zugang zu bekommen, bedarf es eines strukturierten Behandlungsansatzes. Wie dieser aussehen kann, zeigte Prof. Chaushu an zahlreichen Beispielen. ERNÄHRUNG Das zweite Hauptthema des Kongresses „Gesund und fit durch Kieferorthopädie“ wurde von einem fulminanten Beitrag eingeleitet. Prof. Dr. Johan Wölber ist nach 23 Jahren in Freiburg seit einem Jahr Leiter des Bereich Parodontologie an der Medizinischen Fakultät der TU Dresden. Er hat zusätzlich zur Zahnmedizin eine Ausbildung als Ernährungsmediziner absolviert und ist ein gefragter Referent, wenn es um Ernährung und Zahngesundheit geht. „Als Jäger und Sammler in der Steinzeit hatten unsere Vorfahren gesunde Zähne, obwohl sie keine Zahnbürste kannten“. Heute leiden in Deutschland 98 Prozent der Menschen an Karies und die Hälfte der Erwachsenen hat Parodontitis, obwohl 95 Prozent regelmäßig ihre Zähne putzen. „Das zeigt, dass Mundhygiene allein nicht ausreicht und der Zahnbelag nicht schuld sein kann“, so Prof. Wölber, der vollkommen auf Zucker verzichtet. Seiner Ansicht nach spielt vor allem der Konsum von Industriezucker eine entscheidende Rolle bei der Entstehung oraler Erkrankungen. Als Beleg führte er das überraschende Ergebnis eines Experiments des Schweizer Fernsehens an, das für eine Dokumentation zehn Teilnehmer vier Wochen lang in die Steinzeit versetzte. Alle ernährten sich nur von der Jagd und von Wildfrüchten. Trotz fehlender Mundhygiene war das Zahnfleisch der Teilnehmenden nach Ende des Experiments gesünder als vorher. Auch können archäologische Funde belegen, dass Menschen vor der Sesshaftwerdung durch ihre kauintensive Nahrung größere Kiefer ohne Engstellen und mit genügend Platz für Weisheitszähne aufwiesen. Das ist insofern bemerkenswert, als heute Weisheitszähne am häufigsten extrahiert werden, da sie bei 80 Prozent der Erwachsenen retiniert sind.In der anschließenden Diskussion kam die Rede auf sein Buch „Die Ernährungszahnbürste“ und im Auditorium, wurde, halb im Spaß, der Wunsch nach einem Rezeptbuch für die richtige Ernährung bei festsitzenden Zahnspangen geäußert. ENERGYDRINKS Mit dem Auswirkungen eines übermäßigem Konsums von Energydrinks beschäftigte sich Prof. Dr. Dr. Dirk Wiechmann, Bad Essen. Im Zusammenhang mit diesen bei Jugendlichen sehr beliebten Wachmachern, die sich durch einen hohen Zuckergehalt und schädliche Säuerungsmittel auszeichnen, kann es zu irreversiblen Schmelzentkalkungen kommen Bei einer gleichzeitig stattfindenden kieferorthopädischen Behandlung mit vestibulären festsitzenden Apparaturen können White-Spot-Läsion erschreckende Ausmaße annehmen. Prof. Wiechmann untersuchte, ob bei Risikopatienten mit ungünstiger Ernährung brackettierte linguale Zahnoberflächen signifikant weniger von Schmelzentkalkungen betroffen sind und konnte frühere Studien bestätigen, in denen eine größere Robustheit lingualer Zahnoberflächen gegen Entkalkungen nachgewiesen wurde. Ebenfalls thematisiert wurde der Einfluss der Ernährung auf die Ausbildung des Kieferknochens und die antimikrobielle Wirkung von Probiotika auf kariogene Biofilme. Eine Arbeitsgruppe aus Tübingen legte interessante Ergebnisse einer Untersuchung zur mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität bei Patienten mit einer kraniofazialen Anomalie vor. Als Fazit lässt sich feststellen, dass der diesjährige Kongress genau das bot, was Prof. Dr. Dr. Peter Proff, Präsident der DGKFO, schon in seiner Begrüßung versprach: „Eine ideale Gelegenheit sich über aktuelle Forschungsergebnisse umfassend zu informieren und die Kollegialität zu pflegen“. Deutlich wurde auch, dass die Kieferorthopädie ein „integraler und unverzichtbaerer Bestandteil einer modernen zahnärztlichen und ärztlichen Therapie“ ist. Dorothea Kallenberg

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