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Kinderzahnheilkunde

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ZBW 11/12 2024

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28_TITELTHEMA ZBW_11-12/2024 www.zahnaerzteblatt.de 4a 4b 4c 4d 4e 4f dann durch eine Tübinger Atmungsplatte in Flötenform ersetzt wurde (3b), konnte eine Tracheotomie vermieden werden. Die schwerwiegenden Befunde des Franceschetti-Syndroms mit ausgeprägter pharyngealer Enge und Dorsallage der Zunge (3c) in Kombination mit einer Choanalatresie führten dazu, dass das Kind auch nach der Säuglingszeit bis zum Alter von zehn Jahren nur mit eingesetzter Flötenplatte nachts frei atmen und erholsam schlafen konnte (3e). Abbildung 3d zeigt eine Fotomontage der Flötenplatte im Fernröntgenbild. Tagsüber kam das Kind ohne jegliche Atemhilfe gut zurecht (3f). Seit der operativen Korrektur der Choanalatresie im Alter von zehn Jahren kann das Kind auch nachts ohne Platte gut schlafen. Einer klassischen kieferorthopädischen Behandlung steht somit nichts mehr im Wege. LIPPEN-KIEFER-GAUMENSPALTE Ein Neugeborenes mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalte wurde erfolgreich mit einer Gaumenplatte mit Nasenpelotte nach Grayson und extraoralem Tape behandelt (4a, 4b). Nach nur drei Monaten konnten die Kiefersegmente erfolgreich einge- 5a 5b 5c 5d 5e 5f

ZBW_11-12/2024 www.zahnaerzteblatt.de 29_TITELTHEMA ordnet werden. Die präoperativen Voraussetzungen intraoral (4c) und extraoral (4d) sind verbessert. Bis zum Zeitpunkt der Einschulung entwickelte sich eine harmonische Kiefer- und Gesichtsentwicklung (4e, 4f). AGLOSSIESYNDROM Eine fünfjährige Patientin mit Aglossiesyndrom zeigte aufgrund der fehlenden Zunge einen sehr hohen Gaumen (5a) und eine extreme Hypoplasie des Unterkiefers (5b), die zusätzlich durch multiple Nichtanlagen verstärkt wurde. Der Mundboden wölbt sich hoch und täuscht dadurch das Vorhandensein einer Zunge vor. In Okklusion verschwindet der Unterkiefer im Oberkiefer zu einer zirkulären Nonokklusion (5c). Die fehlende Reinigungskraft der Zunge trug sehr zur kariösen Zerstörung aller Milchzähne bei. Durch langjährige kieferorthopädische Interventionen (5d) und intensive Anleitung zur Mundhygiene in enger Zusammenarbeit mit dem betreuenden Hauszahnarztteam konnten die anatomischen Verhältnisse weitgehend verbessert werden (5e, 5f). Erstaunlicherweise erreichte das Mädchen durch intensive logopädische Therapie einen verständlichen Spracherwerb, der sich daran zeigte, dass sie in der Lage war, eine Kinderkirchgruppe zu leiten und die Kinder durch ihre Geschichten zu fesseln. Die dargestellten Fallbeispiele verdeutlichen, dass selbst bei komplexen syndromalen Erkrankungen und schwer behinderten Patient*innen gängige kieferorthopädische Methoden und Geräte erfolgreich eingesetzt werden können. Zusätzlich werden ad hoc entwickelte Geräte eingesetzt, die auf die spezifischen anatomischen und funktionellen Bedürfnisse der Patient*innen zugeschnitten sind. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit spielt hierbei eine entscheidende Rolle, da die Behandlung häufig neonatologische, chirurgische und pneumologische sowie logopädische Therapien erfordert. Diese Bemühungen sollten von den betreuenden Zahnarztteams vor Ort mit präventiven Maßnahmen unterstützt werden. Kinder mit Entwicklungsstörungen haben im Vergleich zu Kindern ohne Entwicklungsstörungen noch immer einen schlechteren Zahngesundheitszustand. Die umfangreichen Therapien, die bei schweren Entwicklungsstörungen erforderlich sind, stellen für die betroffenen Familien eine erhebliche Belastung dar, wodurch die Zahngesundheit häufig aus dem Blick verloren wird. Die betreuenden Zahnarztteams sollten den Kindern Prophylaxe empfehlungen geben, die ihrem individuellen Entwicklungsstand entsprechen, und den Eltern spezifische Ratschläge entsprechend den besonderen Bedürfnissen ihres Kindes vermitteln. Regelmäßige Motivation aller Beteiligten ist dabei entscheidend. Grundsätzlich gelten für Kinder mit Entwicklungsstörungen dieselben allgemeinen Empfehlungen für das entsprechende Kindes- und Jugendalter. Besondere Vorsicht ist jedoch bei Kindern mit ausgeprägten Schluckstörungen geboten. FAZIT Die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit der Kieferorthopädie bietet einzigartige Chancen für die Therapie komplexer syndromaler Erkrankungen mit orofazialen Manifestationen. Der erhöhte Zeit- und Arbeitsaufwand sowie die intensive Kooperation zwischen verschiedenen medizinischen Disziplinen sowie den betreuenden Hauszahnarztpraxen führen zu besseren funktionalen und ästhetischen Behandlungsergebnissen und verbessern somit die Lebensqualität der betroffenen Kinder und Jugendlichen. TIPP Der Referent für Inklusive Zahnmedizin der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg und der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg empfiehlt, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass neben den bekannten FU- und IP-Positionen für Kinder mit Pflegebedarf und/oder Behinderung meist auch die BEMA-Nr. 174a (Mundgesundheitsstatus und -plan) und 174b (Mundgesundheitsaufklärung) angesetzt werden können. Bei geschickter Terminierung können Kinder mit Pflegebedarf und/oder Behinderung alle drei Monate individualprophylaktisch zu Lasten der Krankenkassen in jeder Zahnarztpraxis betreut werden können (Hinweis der Redaktion: siehe hierzug auch Tabelle auf Seite 17 in dieser Ausgabe). Dr. Margit Bacher, Tübingen, Dr. Thinh Pham, Tübingen, ZÄ Mai Pham, Tübingen, Prof. Dr. Bernd Koos, Tübingen, Prof. Dr. Dr. Michael Krimmel, Tübingen www.zahnaerzteblatt.de 0711 222966-14 info@zahnaerzteblatt.de Dr. Margit Bacher, Fachzahnärztin für Kieferorthopädie, Kieferorthopädische Gemeinschaftspraxis Tübingen Prof. Dr. Bernd Koos, Ärztlicher Direktor, Poliklinik für Kieferorthopädie, Universitätsklinikum Tübingen Foto: Beate Armbruster, Copyright Universitätsklinikum Tübingen ZÄ Mai Pham, Fachzahnärztin für Kieferorthopädie, Kieferorthopädische Gemeinschaftspraxis Tübingen Dr. Thinh Pham, Fachzahnärztin für Kieferorthopädie, Kieferorthopädische Gemeinschaftspraxis Tübingen Prof. Dr. Dr. Michael Krimmel, Geschäftsführender Oberarzt, Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsklinikum Tübingen

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