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Kinderzahnheilkunde

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ZBW 11/12 2024

16_TITELTHEMA

16_TITELTHEMA ZBW_11-12/2024 www.zahnaerzteblatt.de Inklusive Zahnmedizin bei Kindern INDIVIDUELLE ANSÄTZE FÜR EINE EINFÜHLSAME BEHANDLUNG Die zahnmedizinische Betreuung von Kindern erfordert nicht nur Fachwissen, sondern auch eine feinfühlige und an die Bedürfnisse der jungen Patienten angepasste Kommunikation. Dazu hat es sich bewährt, Kinder behutsam mit Hilfe der „Tell-Show-Do-Technik“ an zahnärztliche Behandlungen und Geräte, Instrumente und Materialien heranzuführen. Besonders bei Kindern mit Behinderungen spielt eine individuell abgestimmte und kleinschrittige Vorgehensweise eine entscheidende Rolle, um diese erfolgreich behandeln zu können. Foto: Adobe Stock/Drobot Dean Für den Vertrauensaufbau bei Kindern mit Behinderungen eignet sich deshalb in besonderem Maße die „Tell-Show- Show-Feel-Do-Technik“. Sie erlaubt es, die individuellen Anforderungen von Patienten mit zahnmedizinisch relevanten Behinderungen im Kindesalter zu berücksichtigen. Dazu zählen vor allem: a) Kinder mit Down-Syndrom b) Kinder mit einem Syndrom aus dem Bereich der seltenen Erkrankungen (z. B. Fragiles X-Syndrom, Angelman-Syndrom, Rett-Syndrom, Williams-Beuren- Syndrom, usw.) c) Kinder mit Cerebralparese d) Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung e) Kinder mit einer intellektuellen Beeinträchtigung aufgrund von unbekannten Ursachen f) Kinder mit starker Sehbehinderung oder Blindheit g) Kinder mit starker Hörbehinderung oder Gehörlosigkeit In diesem Beitrag kann nur kurz auf verschiedene Besonderheiten der o. a. Gruppen mit Beeinträchtigung eingegangen werden. DOWN-SYNDROM Bei Kindern mit Down-Syndrom liegt immer eine intellektuelle Beeinträchtigung vor, die sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Daneben können bei ihnen zahlreiche physische Veränderungen vorliegen. Explizit sollte deshalb im Rahmen der Anamnese erfragt werden, ob kardiale Probleme und eine Beeinträchtigung des Hörvermögens vorliegen. Außerdem besteht bei Kindern mit Down-Syndrom sehr oft eine deutliche Hypotonie der Muskulatur im Kopf-Hals-Bereich. Dies führt vielfach zum Erscheinungsbild des fehlenden Mundschlusses und einer Pseudo-Makroglossie. Da Personen mit Down-Syndrom ein stark erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Parodontitis bereits im jungen Erwachsenenalter haben, ist bei ihnen von Kindheit an eine intensive präventiv-zahnmedizinische Betreuung dringend zu empfehlen. SELTENE ERKRANKUNGEN Wenn bei einem Kind ein Syndrom aus dem Bereich der seltenen Erkrankungen vorliegt, muss fast immer damit gerechnet werden, dass bei diesem Kind eine intellektuelle Beeinträchtigung vorhanden ist. Zu jedem der beispielhaft angeführten Syndrome lassen sich zusätzlich bestimmte Hauptmerkmale nennen. Mädchen und Jungen mit Williams-Beuren-Syndrom sind sehr geräuschempfindlich, aber musikalisch. Außerdem liegt bei ihnen fast immer eine Angiopathie mit daraus resultierender therapiebedürftiger Hypertonie vor. Vom Fragilen X-Syndrom sind fast nur Jungen betroffen und diese weisen vielfach Symptome einer Autismus-Spektrum-Störung auf. Im Gegensatz dazu sind vom Rett-Syndrom fast nur Mädchen betroffen, die fast immer auf einen Rollstuhl angewiesen sind und bei denen häufig ein starker Bruxismus zu beobachten ist. Das Angelman-Syndrom kann Jungen und Mädchen gleichermaßen betreffen. Sowohl beim Rett-Syndrom als auch beim Angelman-Syndrom ist der Anteil der Kinder mit einer schweren geistigen Beeinträchtigung sehr hoch und demzufolge ist die rein verbale Kommunikation mit diesen Kindern stark eingeschränkt.

ZBW_11-12/2024 www.zahnaerzteblatt.de 17_TITELTHEMA STRUKTURIERTE PRÄVENTIVE BETREUUNG VON 6–17-JÄHRIGEN KINDERN UND JUGENDLICHEN MIT BEHINDERUNG UND PFLEGEGRAD IM KALENDERJAHR 01 174a 01 174a IP 1 174b IP 1 174b IP 2 107a IP 2 107b IP 4 IP 4 IP 4 IP 4 Zahnstatus (DMFT-Index) Zahnstatus (DMFT-Index) Anfärben und Plaque-Index Anfärben und Plaque-Index Anfärben und Plaque-Index Anfärben und Plaque-Index Beratung und Aufklärung Beratung und Aufklärung Beratung und Aufklärung Beratung und Aufklärung Zahnreinigung und Fluoridierung Zahnreinigung und Fluoridierung Zahnreinigung und Fluoridierung 1. QUARTAL 2. QUARTAL 3. QUARTAL 4. QUARTAL Zusätzlich bei Fissurenversiegelung von bleibenden Molaren (IP 5) Zahnreinigung und Fluoridierung Grafik: Andreas Schulte; IZZ Maßnahmen und BEMA-Abrechnungspositionen im Überblick. Schematischer Ablauf für die strukturierte präventive Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit Pflegegrad. Dargestellt sind die Maßnahmen in Textform und die in Frage kommenden Abrechnungspositionen nach BEMA in Ziffern. CEREBRALPARESE Kinder mit einer Cerebralparese sind in sehr unterschiedlichem Ausmaß von motorischen Einschränkungen vor allem im Hand-, Arm- und/oder Beinbereich betroffen. In schweren Fällen sind diese Kinder darauf angewiesen, einen Rollstuhl zu benutzen. Bei einem Teil der Kinder mit schwerer Cerebralparese liegt ein verlangsamter Schluckakt vor und dies hat zur Folge, dass die Zeit für die Nahrungsaufnahme stark verlängert ist. Zusätzlich bestehen bei Kindern mit schwerer Cerebralparese sogenannte persistierende Reflexe im Mund- und Lippenbereich, wie z. B. Saugreflex, Schluckreflex, Beißreflex und Würgereflex. Dies erfordert seitens der Zahnmedizin ein besonders behutsames Vorgehen bereits bei der Untersuchung der Mundhöhle und der Zähne, und umso mehr bei einer gegebenenfalls erforderlichen zahnärztlichen Therapie. Außerdem liegt bei ca. der Hälfte der Kinder mit Cerebralparese in unterschiedlichem Ausmaß eine intellektuelle Beeinträchtigung vor. AUTISMUS-SPEKTRUM-STÖRUNGEN Das Erscheinungsbild der Autismus-Spektrum-Störungen ist sehr vielfältig. Es hat sich bewährt, diese Störungen in drei Hauptgruppen einzuteilen: frühkindlicher Autismus, atypischer Autismus und Asperger-Syndrom. Bei Kindern mit frühkindlichem Autismus liegt in der Mehrzahl der Fälle auch eine intellektuelle Beeinträchtigung vor. Kinder mit Asperger-Syndrom sind in der Regel sehr intelligent und verfügen über ein sehr gutes Gedächtnis für Gesehenes und Gehörtes. Allen Kindern mit einer Autismus-Spektrum-Störung ist gemeinsam, dass sie eine reduzierte Beziehungsfähigkeit aufweisen und eingeschränkte Interessen und Aktivitäten haben. Autistische Kinder haben Schwierigkeiten, das Gelernte auf andere Situationen, Personen oder Orte zu übertragen. Ritualisierte Abläufe sind deshalb für diese Kinder außerordentlich wichtig. SEHBEHINDERUNG Wenn Kinder blind sind oder von einer sehr starken Sehbehinderung betroffen sind, muss die Kommunikationsstrategie natürlich berücksichtigen, dass sie nichts oder kaum sehen können. Dafür muss sehr viel erklärt werden und es muss diesen Kindern die Gelegenheit gegeben werden, im Sinne der „Tell-tell-feel-feel-do-Technik“ u. a. die zahnärztlichen Instrumente abtasten zu können. HÖRBEHINDERUNG Bei Kindern mit starker Hörbehinderung oder Gehörlosigkeit muss unbedingt gewährleistet werden, dass sie vor, während und nach der Behandlung die Lippen des Zahnarztes bzw. der Zahnärztin ablesen können. SPEZIELLE ASPEKTE BEI ANAMNESEERHEBUNG Bei allen Kindern sollte im Rahmen der Anamnese immer erfragt werden, ob eine Beeinträchtigung oder Behinderung vorliegt. Wenn dies bejaht wird, sollte nach genauen Einzelheiten gefragt werden. Falls die Eltern angeben, dass ihr Kind von einer der vielen seltenen Erkrankungen betroffen ist, kann man sich diesbezüglich auf der Webseite „orpha.net“ die notwendigen medizinischen Informationen verschaffen. Unabhängig davon sollte in Erfahrung gebracht werden, ob bei den Kindern mit einer Beeinträchtigung oder Behinderung ein Pflegegrad vorliegt. Letzteres ist insofern wichtig, als alle Personen mit Pflegegrad Anspruch auf zusätzliche zahnmedizinisch-präventive Leistungen haben. PRÄVENTIVE BETREUUNG Das Hauptziel der zahnmedizinischen Versorgung aller Personen mit Behinderung ist der möglichst lebenslange Erhalt der Zähne und eine gute Mundgesundheit. Deshalb muss die präventive Betreuung gerade dieser Patientengruppe möglichst vom ersten Milchzahn an erfolgen. Dazu gehört vor al-

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