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Kinderzahnheilkunde

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ZBW 11/12 2024

14_TITELTHEMA

14_TITELTHEMA ZBW_11-12/2024 www.zahnaerzteblatt.de Prävention als Schlüssel zur Vermeidung von Folgeschäden PARODONTALERKRANKUNGEN IM KINDESALTER Parodontalerkrankungen werden weitgehend als Erkrankungen des Alters wahrgenommen. Dennoch können auch junge Altersgruppen betroffen sein. Ist dies der Fall, so spielt die frühzeitige Erkennung und Therapie eine große Rolle, um Folgeschäden zu vermeiden. Dieser Beitrag soll parodontale Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen beleuchten und Diagnostik- und Präventionsmaßnahmen sowie Therapieansätze kurz umreißen. GINGIVALE ERKRANKUNGEN Gingivale Erkrankungen treten bei Kindern und Jugendlichen vielfältig in Erscheinung und können sowohl das Milchals auch das bleibende Gebiss betreffen. Eine Gingivitis ist unter den 12-Jährigen mit 77,6 Prozent weit verbreitet in Deutschland (DMS V, 2016). Sie ist charakterisiert durch Sondierungsbluten an 10 Prozent oder mehr der Messstellen, eine maximalen Taschentiefe von drei Millimeter und fehlendem Attachmentverlust 2 . Eine Einteilung erfolgt in eine plaqueinduzierte und nicht-plaqueinduzierte Gingivitis 1 . Erstere kann durch systemische Erkrankungen wie Diabetes mellitus, bestimmte Medikamente und die Pubertät verstärkt werden. Lokale Faktoren wie beispielsweise Zahnfehlstellungen oder Multibandapparaturen erschweren die Zugänglichkeit für Mundhygienemaßnahmen und können eine plaqueinduzierte Gingivitis begünstigen (siehe Abbildung 1). Zu der nicht-plaqueinduzierten Gingivitis zählen unter anderem viral bedingte Zustände wie die Gingivostomatitis herpetica im Rahmen einer Erstinfektion mit Herpes-simplex-Viren (siehe Abbildung 2) sowie gingivale Veränderungen bei der Hand-Fuß-Mund-Krankheit durch Enteroviren, Candidainfektionen oder auch onkologischen Erkrankungen wie eine Leukämie 3 . Darüber hinaus können Traumata wie Verbrennungen, ein Putztrauma oder Wangensaugen entzündliche Gingivaläsionen hervorrufen 9 . Da die durch Biofilm induzierte Gingivitis einen reversiblen Zustand darstellt, es sich jedoch gleichzeitig um die Vorstufe einer irreversiblen Parodontitis handeln kann, ist ihre Prävention und Therapie von herausragender Bedeutung. Ein gutes Individualprophylaxe-Konzept sollte neben einer eingehenden Untersuchung der Mundhöhle eine Aufklärung über die Ätiologie der Gingivitis sowie eine Beratung zu Mundhygienemaßnahmen umfassen. Eine Evaluation der häuslichen Mundhygiene mithilfe von Indizes sollte dabei ebenso durchgeführt werden wie eine altersgerechte Instruktion, Demonstration und praktische Übungen durch die Kinder und Jugendlichen selbst. Insbesondere die Reinigung der Interdentalräume sollte ab dem Zeitpunkt der Kontaktbildung zwischen den Milchmolaren den Eltern bzw. mit Erreichen der notwendigen manuellen Fähigkeiten den Kindern selbst nahegelegt werden 14 . PARODONTALE ERKRANKUNGEN Eine in jungen Jahren auftretende Parodontitis, die sich in der Regel durch eine hohe Progressionsrate sowie eine Verteilung gemäß eines Molaren-Inzisivi-Musters auszeichnet, tritt sehr selten auf und wurde ehemals auch als „aggressive Parodontitis“ bezeichnet 6 . Darüber hinaus begünstigen genetische und systemische Erkrankungen mit Einfluss auf die Immunabwehr oder auf das parodontale Stützgewebe die Entstehung 1 2 Plaqueinduzierte Gingivitis. 14-jähriger Patient: Im Zusammenhang einer unzureichenden häuslichen Plaquekontrolle und festsitzenden kieferorthopädischen Apparaturen kommt es lokal häufig zusätzlich zu entzündlich bedingten Gingivahyperplasien. Virale Infektion. Erstmanifestation einer Herpessimplex-Infektion mit dem klinischen Bild einer Gingivostomatitis bei einem 12-jährigen Patienten.

ZBW_11-12/2024 www.zahnaerzteblatt.de 15_TITELTHEMA 3 Attachmentverlust. Lokalisierter vertikaler Knochenabbau an einem ersten Molaren (Zahn 46) bei einer 16-jährigen Patientin. einer Parodontitis und können ihren Verlauf negativ beeinflussen. Dazu zählen beispielsweise das Down Syndrom, das Papillon-Lefèvre-Syndrom und Diabetes mellitus Typ 1 10 . Das wichtigste Diagnostik-Tool zur Früherkennung einer Parodontitis ist der Parodontale Screening Index (PSI). Bei Kindern ab acht Jahren und Jugendlichen bis 18 Jahren wird dieser an den sog. Indexzähnen 16, 11, 26, 36, 31 und 46 erhoben 4 . Liegen Röntgenaufnahmen vor, die beispielsweise im Rahmen einer kieferorthopädischen Therapie angefertigt wurden, können auch diese einen ersten Hinweis auf das Vorliegen einer Parodontalerkrankung geben (siehe Abbildung 3). Die Verdachtsdiagnose wird durch die Erhebung eines Parodontalbefundes und der Anfertigung eines aktuellen Orthopantomogramms bestätigt. Anschließend folgt die Einleitung einer systematischen Parodontitis-Therapie. Die adjuvante Gabe eines systemischen Antibiotikums kann gemäß der aktuell gültigen S3-Leitlinie erwogen werden. Der Indikationsbereich umfasst junge Patienten mit generalisierter Parodontitis ab Stadium III und einer hohen Progressionsrate bei gleichzeitiger Abwesenheit von modifizierbaren Risikofaktoren 15 . Nach erfolgreicher Initialtherapie schließt sich die unterstützende Parodontitis-Therapie an. Nekrotisierenden ulzerierenden Parodontalerkrankungen begegnet man bei Kindern sehr selten und meist im Zusammenhang mit begünstigenden Faktoren wie einer schwerwiegenden Fehlernährung, extremen Lebensumständen, schweren Infektionen oder einer Immunsuppression. Klinisch zeigen sich neben akuten Schmerzen umschriebene Nekrosen und Ulzerationen vor allem im Bereich der Papille und spontan auftretende gingivale Blutungen. Bei Kindern liegen häufiger begleitend Fieber, Lymphknotenschwellung und Sialorrhö vor 8 . Die initiale Schmerztherapie sollte die vorsichtige Biofilm-Entfernung, das Touchieren mit einem in H 2 O 2 getränktem Wattepellet und die häusliche Anwendung einer 0,1- bis 0,2-prozentige Chlorhexidindigluconat-Mundspüllösung beinhalten. Wenn in den ersten 24 Stunden nach Beginn der lokalen Therapie keine Verbesserung eintritt oder es zusätzlich zu Fieber und/oder Lymphknotenschwellung kommt, sollte eine systemische Antibiose mit Metronidazol für drei bis fünf Tage verordnet werden. Nach Abklingen der Akutphase schließt sich eine professionelle mechanische Plaquereduktion und im Falle der nekrotisierenden ulzerierenden Parodontitis eine systematische Behandlung an 8 . Abbildungen: Universitätsklinikum Freiburg GINGIVALE REZESSIONEN Rezessionen gehören zu den mukogingivalen Deformitäten und gehen mit einer Freilegung der Wurzeloberfläche und ästhetischen Einschränkungen im Frontzahnbereich einher. Bei der Entstehung von Rezessionen spielen verschiedene Risikofaktoren eine Rolle wie etwa das Vorliegen eines dünnen parodontalen Phänotyps, Dehiszenzen und Fenestrationen des Alveolarknochens, die Durchführung einer Parodontitis-Therapie, kieferorthopädische Apparaturen oder hoch inserierende Zungen- und Wangenbänder 5 . Eine konservative Therapie mit regelmäßigen Kontrollen und ggf. einer Behandlung von Dentinhypersensibilitäten ist in den meisten Fällen zweckmäßig und ausreichend. Nur in den seltensten Fällen wird ein mukogingival-chirurgischer Eingriff notwendig. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass schwere Formen einer parodontalen Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen eher selten auftreten, jedoch eine frühzeitige Diagnostik durch die konsequente Erhebung des PSI und eine aufmerksame Befundung des Knochenverlaufs in Röntgenbildern eine frühzeitige Diagnostik und Therapie ermöglichen können. Dr. Ann-Sophie Burkhardt, PD Dr. Anne Kruse, Prof. Dr. Fabian Cieplik, Prof. Dr. Petra Ratka-Krüger, Universitätsklinikum Freiburg Das Literaturverzeichnis kann beim IZZ bestellt werden unter Tel: 0711/222966-14 oder E-Mail: info@zahnaerzteblatt.de. www.zahnaerzteblatt.de 0711 222966-14 info@zahnaerzteblatt.de Dr. Ann-Sophie Burkhardt, Zahnärztin und wissenschaftliche Mitarbeiterin Department für Zahn-, Mundund Kieferheilkunde Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie, Universitätsklinkum Freiburg Prof. Dr. Fabian Cieplik, Ärztlicher Direktor, Department für Zahn-, Mundund Kieferheilkunde, Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie, Universitätsklinkum Freiburg PD Dr. Anne Kruse, Funktionsoberärztin, Department für Zahn-, Mundund Kieferheilkunde Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie, Universitätsklinkum Freiburg Prof. Dr. Petra Ratka-Krüger, Leitung der Sektion Parodontologie, Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie, Department für Zahn-, Mundund Kieferheilkunde, Universitätsklinkum Freiburg

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