Aufrufe
vor 6 Monaten

Kinderzahnheilkunde

  • Text
  • Foto
  • Stuttgart
  • Bruxismus
  • Praxis
  • Ausbildung
  • Versorgung
  • Mitglied
  • Prof
  • Tomppert
  • Arbeit
  • Kinderzahnheilkunde
ZBW 11/12 2024

10_TITELTHEMA

10_TITELTHEMA ZBW_11-12/2024 www.zahnaerzteblatt.de Die Rolle der Zahnmedizin bei der Früherkennung ORALE MANIFESTATIONEN SYSTEMISCHER ERKRANKUNGEN Neben der frühkindlichen Karies gibt es orale Erkrankungen, die sich als Ausdruck einer Allgemeinerkrankung in der Mundhöhle manifestieren können. So können sich neben Symptomen, die den Körper betreffen, auch Auffälligkeiten in der Mundhöhle zeigen. Dabei kann es vorkommen, dass dem Patienten Befunde noch unbekannt sind und eine weiterführende Diagnostik und ggf. Therapie eingeleitet werden muss. Häufig handelt es sich um Erstmanifestationen einer Allgemeinerkrankung, weshalb der zahnärztliche Blick von entscheidender Bedeutung sein kann, um eine möglichst frühzeitige Erkennung und notwendige Behandlung der Erkrankung zu ermöglichen. Unterschiedlichste Krankheitsbilder sowie Arzneimittelwirkungen können sich oral manifestieren und dabei Störungen in der Zahnhartsubstanz und dem Zahnhalteapparat sowie Mundschleimhautveränderungen verursachen. Neben malignen hämatologischen Erkrankungen und oralen Manifestationen von Syndromerkrankungen sind hierbei im Kindes- und Jugendalter vor allem auch virale und bakterielle Infektionen als potenzielle Ursachen für Veränderungen in der Mundhöhle zu nennen. HYPOVITAMINOSEN Vitaminmangelerkrankungen können zu Auffälligkeiten in der Mundhöhle mit entsprechenden Folgen für die Zahnentwicklung bzw. die Zahn- und Mundgesundheit führen. Bei Vitamin-A-Mangel werden neben Zahnhartsubstanzstörungen wie Zahnfehlbildungen und Schmelzhypoplasien auch Parodontopathien beschrieben. Als Symptome eines ausgeprägten Vitamin-D-Mangels können Schmelzverfärbungen und Schmelzdefekte (Abb. 1a und 1b) in Form von Grübchen bis hin zu Substanzverlusten als Folge eines gestörten Knochenund Calcium-Phosphat-Stoffwechsels auftreten und sich als Rachitis manifestieren. Der Skorbut betrifft vor allem den Zahnhalteapparat und kann sich als Vitamin-C-Mangel mit Zahnausfall und schlechter Wundheilung äußern. Gingivale Entzündungen, Hyperplasien mit Zahnlockerungen und Petechien werden ebenfalls beschrieben 1 . CHRONISCH ENTZÜNDLICHE DARMERKRANKUNGEN Bei etwa 25 Prozent aller Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung (CED) wird die Diagnose vor dem 18. Lebensjahr gestellt, wobei etwa ein Viertel der Kinder und Jugendlichen bei Diagnosestellung jünger als zehn Jahre ist 2 . Als orale Manifestation kann hier bei bis zu zehn Prozent der Patienten mit Colitis ulcerosa und bei bis zu 25 Prozent der Patienten mit Morbus Crohn eine aphthöse Stomatitis auftreten. Als spezifische Läsionen sind neben dem auch bukkal zu beobachtenden Pflasterrelief eine Gingivitis, eine Lippenschwellung mit Fissuren, Ulzerationen (Abb. 2) oder ödematösen Schwellungen beschrieben. GINGIVAHYPERPLASIEN Gingivahyperplasien bei Kindern manifestieren sich in erster Linie als unerwünschte Arzneimittelwirkung. Die medikamenteninduzierte Zahnfleischüberwucherung/Hyperplasie 1a 1b Schmelzbildungsstörungen. Sechseinhalbjähriger Patient mit nachgewiesenem Vitamin-D-Mangel. Die durchbrechenden Zähne 11 und 21 zeigen Schmelzbildungsstörungen (Abb. 1a). Diese Strukturstörungen betreffen auch die Zähne 32, 31, 41 und 42 (Abb. 1b).

ZBW_11-12/2024 www.zahnaerzteblatt.de 11_TITELTHEMA (MIG) zeigt sich sekundär nach einer längeren Einnahme von blutdrucksenkenden Medikamenten, beispielsweise Nifedipin und Diltiazem-Typen, einschließlich Amlodipin, von Antikonvulsiva wie Phenytoin und von Immunsuppressiva wie Cyclosporin A. Es wird empfohlen, bereits vor Beginn der Therapie eine adäquate Mundhygiene zu etablieren, da dies das Risiko für die Entwicklung einer MIG signifikant reduzieren kann. In diesem Kontext erweist sich die Einbindung der Kinder in ein zahnärztliches Präventionsprogramm als besonders wichtig 3 . HERPES-INFEKTION Virale Infektionen spielen in der oralen Pathologie eine bedeutende Rolle, insbesondere im Zusammenhang mit der Gingiva und Mundschleimhaut. Die Gingivostomatitis herpetica stellt die häufigste Form der apparenten Primärinfektion mit HSV dar und manifestiert sich zumeist bereits im frühen Kindesalter. Bei einer Infektion mit dem Herpes-Simplex-Virus (HSV) können Kinder eine Vielzahl unspezifischer und systemischer Symptome wie Fieber, Kopfschmerzen, Reizbarkeit, Appetitlosigkeit und Unwohlsein entwickeln, die die Eltern zunächst häufig auf das Zahnen zurückführen. Neben starken Schmerzen zeigen sich Foetor ex ore und eine hochrote Gingiva, die sich in der Folge als Herpesläsionen in Form von Aphten und Blasen im Mundbereich sichtbar macht 4 . HAND-FUß-MUND-KRANKHEIT Die durch Coxsackieviren (A16, A6, A10) ausgelöste Virusinfektion zeigt sich ein bis zwei Tage nach Fieberbeginn in der Regel als schmerzhaftes Enanthem in der Mundschleimhaut. Es erscheinen kleine rote Flecken, die Bläschen und oftmals Ulcera bilden. Betroffen sind vor allem Zunge, Zahnfleisch und die Mundschleimhaut. Gleiche Bläschen sind an den Hand- und Fußflächen sichtbar. Typische Begleiterkrankungssymptome sind leichtes Fieber, Diarrhoe und Kopfschmerzen 5 . IMPETIGO CONTAGIOSA Bakterielle Infektionen spielen in der pädiatrischen Dermatologie und Mundgesundheit eine bedeutende Rolle. Eine der häufigsten bakteriellen Hautinfektionen im Kindesalter ist die Impetigo contagiosa, die durch bakterielle Erreger wie Staphylococcus aureus und Streptococcus pyogenes verursacht wird. Kinder sind häufiger betroffen als Erwachsene, da die Inzidenz mit dem Alter abnimmt. Zu den wichtigsten Erregern gehören Staphylococcus aureus und Streptococcus pyogenes. Das klassische Erscheinungsbild der charakteristischen honigfarbenen, verkrusteten Läsionen erleichtert die Diagnose, die in der Regel auf der klinischen Präsentation beruht. Die Erkrankung verläuft in der Regel mild, allerdings wird häufig eine antimikrobielle Behandlung eingeleitet, um die Ausbreitung zu reduzieren und den klinischen Verlauf zu verkürzen 6 . GENETISCHE STRUKTURANOMALIEN Genetisch bedingte Dysplasien sind hereditäre Erkrankungen wie die Amelogenesis imperfecta, bei denen der Schmelz und die Dentinogenesis imperfecta, bei denen das Dentin betroffen sind. Dabei kann die Dentinogenesis ein Symptom der Osteogenesis imperfecta sein (Typ 1). Beide Dysplasien benötigen engmaschige strukturierte zahnärztliche Konzeptbetreuungen/-therapien. HYPOPHOSPHATASIE Das klinische Bild ist vielseitig und betrifft die Mineralisation 2 Neunjährige Patientin mit Morbus Crohn. Ulcusbildung im Bereich der Unterlippe. von Knochen und Zähnen. Typische Befunde für milde Formen der Hypophosphatasie sind frühe Exfoliationen der Milchzähne oder Knochenmineralisierungsstörungen in Kombination mit einer verminderten Aktivität der alkalischen Phosphatase im Labor 7 . Bei unerklärten Auffälligkeiten der Zähne sollte eine dementsprechende Abklärung erfolgen. FAZIT Bei Kindern und Jugendlichen im Bereich der Pädiatrie auftretende Erkrankungen können sich oral manifestieren, weshalb die Erkennung spezifischer Symptome für den Zahnarzt von entscheidender Bedeutung ist. Orale und periorale Symptome erfordern eine multidisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Zahnärzten und Pädiatern, was die enge Verknüpfung zwischen beiden Disziplinen betont. PD Dr. Nelly Schulz-Weidner, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Gießen Das Literaturverzeichnis kann beim IZZ bestellt werden unter Tel: 0711/222966-14 oder E-Mail: info@zahnaerzteblatt.de. www.zahnaerzteblatt.de 0711 222966-14 info@zahnaerzteblatt.de PD Dr. Nelly Schulz-Weidner, Oberärztin, Poliklinik für Kinderzahnheilkunde, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Gießen Fotos: PD Dr. Nelly Schulz-Weidner

Ausgaben des Zannärzteblatt BW

© by IZZ Baden-Württemberg - Impressum - Datenschutz