8 Titelthema Städtisches Leben, Familienvereinbarkeit und Arbeiten im Team Wie sich junge Zahnärztinnen ihre Zukunft vorstellen Der Zahnarzt der Zukunft wird in den meisten Fällen eine Zahnärztin sein. Was wünschen sich die jungen Kolleginnen, die derzeit in den Beruf streben? Was ist ihnen bei ihrer Berufsausübung und im Praxisalltag wichtig? Welche Rahmenbedingungen müssen gegeben sein, damit sie sich als Zahnärztinnen gerne an einem Ort niederlassen? ruf bei den Zahnärztinnen eine große Rolle. Dies zeigt unter anderem die Studie „Zukunftsbild Heilberufler 2030“ der apoBank, die belegt, dass unter den Zahnärztinnen im Jahr 2030 Teilzeitbeschäftigungen und Anstellungen im Gegensatz zu Vollzeitbeschäftigung und Selbstständigkeit einen höheren Stellenwert einnehmen. Dennoch wird die Selbstständigkeit sowohl bei Zahnärztinnen als auch bei ihren männlichen Kollegen nach wie vor bevorzugt, wenn auch in kooperativen Praxismodellen. Bezüglich des Niederlassungsortes sieht sich die gesamte befragte Zahnärzteschaft vor allem in einer mittelgroßen Stadt. Was bewegt junge Zahnärztinnen sich in eigener Praxis niederzulassen? Ganz klar: Die Rahmenbedingungen, die zu den Lebensentwürfen der jungen Frauen passen, müssen gegeben sein. Oder anders ausgedrückt: Die Vorteile einer Niederlassung müssen gegenüber denen einer Anstellung überwiegen. Attraktiv sind die Arbeitsbedingungen dann, wenn sie auf die Lebensplanung der Frauen abgestimmt sind und eine individuelle Freizeitplanung, aber vor allem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen. Gemeinschaftspraxen. Kooperative Praxismodelle, Teamwork und fachlicher Austausch, geregelte flexible Arbeitszeiten und eine gute Infrastruktur vor Ort – das sind die Voraussetzungen für viele junge Zahnärztinnen, um sich niederzulassen. Die Zukunft der Human- und Zahnmedizin wird weiblicher. Das belegte wiederholt im Dezember 2018 eine Studie der Stiftung Gesundheit, der zufolge der Gesamtteil der Ärztinnen in der ambulanten Versorgung im Jahr 2028 bei 54 Prozent liegen wird. Wirft man einen Blick auf die Studierenden der Zahnmedizin in Baden- Württemberg, so sind heute bereits 65 Prozent Frauen, 2030 wird es erstmalig mehr Zahnärztinnen als Zahnärzte im Land geben. Wie diese jungen Frauen ihre Zukunft gestalten, wird entscheidend mitprägen wie unsere künftige zahnärztliche Versorgung aussehen wird. Dabei spielt der Wunsch nach Vereinbarkeit von Familie und Be- Foto: Solis Images/Shutterstock.com Arbeitszeiten. Geregelte und planbare Arbeitszeiten sind für die Organisation von Familie und Beruf, aber auch für einen notwendigen Freizeitausgleich von entscheidender Bedeutung. Ein Leben, das nur die Praxis und die Patienten kennt, will heutzutage so gut wie niemand mehr. Hier bietet die Niederlassung an sich gute Aussichten. Das haben auch die Zahnärztinnen erkannt, die an der apoBank-Studie teilgenommen haben. Aus Sicht der jungen Zahnärztinnen ist auch 2030 die Selbstständigkeit die attraktivste Berufsausübungsform. Allerdings mit einer wesentlichen Änderung: Nicht mehr die Einzelpraxis steht an Platz eins, vielmehr werden künftig Kooperationen gewählt. 23 Prozent der befragten Zahnärztinnen gehen davon aus, 2030 selbstständig in einer BAG zu arbeiten. Auch die Praxisgemeinschaft können sich 23 Prozent vorstellen. In einer Einzelpraxis wollen jedoch nur 17 Prozent tätig sein. Kooperative Berufsmodelle. Kooperative Berufsmodelle bieten also den Zahnärztinnen von morgen eine gute Möglichkeit, die eigenen Lebensvorstellungen umzusetzen. Als Hauptmotivation für die Niederlassung geben sowohl ZBW 3/2019 www.zahnaerzteblatt.de
Titelthema 9 die weiblichen als auch die männlichen befragten jungen Zahnärzte eine größere Entscheidungsfreiheit und höhere Verdienstmöglichkeiten, aber auch freiere Gestaltungsspielräume der Arbeitszeiten und bessere Selbstverwirklichungsmöglichkeiten an. Sie tragen zwar in der Selbstständigkeit auch eine größere Verantwortung und ein höheres finanzielles Risiko. Gleichzeitig sind sie aber unabhängig und können die besonderen Anforderungen ihrer Familiensituation bei der Gestaltung der eigenen Arbeitszeit flexibel berücksichtigen. Außerdem ist es ihnen möglich, zum Beispiel während der Schwangerschaft, während Kindererziehungszeiten oder während Pflegezeiten von Familienangehörigen Vertreter/innen, Entlastungsassistenten/innen und Haushaltshilfen anzustellen. Diese Vorteile der Niederlassung lernen vor allem diejenigen frühzeitig kennen und schätzen, die bereits im Rahmen der eigenen Ausbildung oder als junge Zahnärztin eine Zeit lang in einer gut organisierten Praxis gearbeitet haben. Zukunftsvisionen. Wenn junge Zahnärztinnen sich ihre Zukunft vorstellen, steht nicht mehr nur die Praxis im Mittelpunkt. Eine gut austarierte Work-Life-Balance ist für die meisten essenziell wichtig: Beruf, Freizeit und Familie müssen miteinander vereinbar sein. Teamstrukturen. Gerade für arbeitende Eltern, egal ob im ärztlichen oder nichtärztlichen Bereich, ist die Delegation von Aufgaben wichtig. Es ist unmöglich, alles selbst zu machen – sowohl bei der Arbeit als auch zu Hause. Die Abkehr von den hierarchischen Arbeitsstrukturen im medizinischen Bereich und das Schaffen von (interdisziplinären) Teamstrukturen bieten für die Zukunft große Chancen und kommen den Vorstellungen der jungen Medizinerinnen und Medizinern entgegen. Dann nämlich, wenn anfallende Aufgaben abgegeben oder von vornherein geteilt werden können, sind flexible Teilzeitarbeitsmodelle und die gemeinsame Übernahme von Verantwortung leichter möglich. Dieses ist auch in gemeinschaftlich geführten Praxen der Fall. Vor allem Frauen liegt die Arbeit im Team, sie schätzen den fachlichen Austausch und ein kollegiales Miteinander. Ein Bürokratieabbau, eine der großen berufspolitischen Forderungen, würde zusätzlich das straffe Zeitmanagement zwischen Beruf und Familie entlasten. Soziales Umfeld. Wenn Eltern nicht auf Beruf und Karriere verzichten wollen, ist ein soziales Umfeld, das entlastet und unterstützt, viel wert. Hochqualifizierte Frauen leben häufig als Doppelkarrierepaar, das Austarieren der Lebens- und Karrierepläne ist dann oftmals eine besondere Herausforderung. Insbesondere die Partner untereinander, aber auch andere Familienmitglieder wie Omas und Opas können die Berufstätigkeit mittragen und fördern, indem sie bei der Kinderbetreuung einspringen oder auch emotional unterstützen, wenn herausfordernde Situationen gemeistert werden müssen. Die Überlegung, ob die eigene Praxis nicht unter Umständen in der Nähe der Großeltern eröffnet werden soll, kann also durchaus sinnvoll sein. Aber auch ein Netzwerk aus Freunden, die sich gegenseitig aushelfen und auch für den nötigen Ausgleich in der Freizeit sorgen, spielt eine wichtige soziale Rolle. Rahmenbedingungen. Nicht zuletzt bilden die gesellschaftlichen Bedingungen einen wichtigen Rahmen für die Karriereentwicklung von Zahnärztinnen und den Entschluss sich niederzulassen. Gerade diejenigen, die Kinder haben, sind auf eine gute wohnortnahe Infrastruktur angewiesen. Das bedeutet Kindertageseinrichtungen, die praxiskompatible Öffnungszeiten haben. Schulen, die unter Umständen auch einen Mittagstisch, eine Nachmittags- und eine Ferienbetreuung anbieten. Alternativ käme auch ein Netzwerk infrage, das diese Betreuungsaufgaben weitestgehend abdeckt. Denkbar wäre beispielsweise eine Tagesmutter für mehrere „Praxiskinder“ zu engagieren. Kleinere Gemeinden im ländlichen Raum können hier punkten, wenn sie eine solche Infrastruktur bereitstellen. Denn wenn die Betreuung der Kinder gesichert ist, wird auch die Niederlassung ohne nähere Anbindung an eine Stadt wieder attraktiv. Für viele spielt bei der Niederlassung auch eine Rolle, ob die eigenen Freizeitaktivitäten und die der Kinder wohnortnah angeboten werden. Schließlich geht es um eine gute Work-Life-Balance, in der man durch lange Wege die ohnehin knappe Zeit nicht zusätzlich verkürzen will. Dieses sind einige Aspekte, die eine Rolle spielen, wenn Frauen das Pro und Contra einer Niederlassung überlegen. Berufspolitisch muss es in den kommenden Jahren darum gehen, die jungen Kolleginnen und Kollegen auf ihrem Weg zu begleiten. Es bedarf funktionierender Praxis-Beispiele als Vorbild, die eine gute, erstrebenswerte Vereinbarkeit von Beruf, Freizeit und Familie aufzeigen, um der nachfolgenden Generation Mut zu machen, diesen Weg einzuschlagen. » jenny.dusche@kzvbw.de Foto: Antonio Guillem/Shutterstock.com www.zahnaerzteblatt.de ZBW 3/2019
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