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Junge Zahnärztinnen und Zahnärzte im Blickpunkt

Ausgabe 3/2019

46 Fortbildung

46 Fortbildung ZFZ-Winterakademie Vorwärts in die Zukunft des Praxisalltags Unter dem spannenden Motto „Gestern war heute noch Zukunft“ richtete das Zahnmedizinische Fortbildungszentrum (ZFZ) Stuttgart Ende Januar die ZFZ-Winterakademie aus. Zur 25. Auflage der Fortbildungsveranstaltung waren 380 Zahnärztinnen und Zahnärzte zum Mövenpick-Hotel am Stuttgarter Flughafen gekommen. Sie erwarteten „aktuelle Antworten auf Fragen des Praxisalltags“, so der Untertitel der Veranstaltung, und ZFZ-Direktor Prof. Dr. Johannes Einwag hielt Wort. Seine Referenten vermittelten u. a. neueste Erkenntnisse zur Parodontitis-Therapie, zur Prothetik am tiefzerstörten Zahn, zur Kieferorthopädie bei Erwachsenen oder zu Augmentationstechniken. Team für die Zukunft. Prof. Dr. James Deschner, Prof. Dr. Michael Naumann, Prof. Dr. Philipp Meyer-Marcotty, Gastgeber Prof. Dr. Johannes Einwag, Prof. Dr. Dr. Daniel Rothamel und PD Dr. Christian Tennert (v. l.) sorgten für ein hochkarätiges Fortbildungsprogramm. Bei Jubiläen blickt man üblicherweise auf den Anfang zurück, um aufzuzeigen, was bislang alles erreicht wurde. Der Blick war bei der 25. ZFZ-Winterakademie ausschließlich nach vorne gerichtet – so wie in den vergangenen Jahren auch. Denn die Zukunft des Praxisalltags ist der stetige Motor dieser Fortbildungsreihe. Nach dem offiziellen Teil, bei dem Dr. Eberhard Montigel, Vorsitzender des ZFZ-Verwaltungsrats und zugleich Vorsitzender der Bezirkszahnärztekammer Stuttgart, einige Grußworte ans Auditorium richtete, warteten sechs namhafte Referenten aus dem deutschsprachigen Raum auf ihren Einsatz. Parodontitis-Therapie. Prof. Dr. James Deschner, Universität Mainz, stellte gleich zu Beginn seines Vortrags die Frage: Muss bei einer Parodontitis operiert werden oder kann auch konservativ behandelt werden? Anhand zahlreicher Beispielfälle und Studien belegte er folgende Erkenntnisse im Rahmen der Parodontitistherapie: Full- Mouth-Debridement/-Desinfektion und quadrantenweises Debridement sind gleichermaßen wirksam. Bei der photodynamischen Therapie bzw. Lasertherapie gibt es lediglich einen kurzzeitigen Vorteil bei unterstützender Anwendung. Die adjuvante lokale Applikation von Antiseptika/Antibiotika hat nur einen klinisch geringen Vorteil, während die systemische Applikation von Antibiotika (Amoxicillin/ Metronidazol) bei schwerer und rasch fortschreitender Parodontitis vorteilhaft sein kann. Unterstützend können auch Probiotika eingesetzt werden. Letzten Endes gibt es zwischen der nichtchirurgischen und der chirurgischen Therapie keine signifikanten Unterschiede. Für den Zahnerhalt sind außerdem eine adäquate Mundhygiene, Patientencompliance und ein funktionierendes Recall-System unerlässlich. Kausale Kariestherapie. PD Dr. Christian Tennert, Universität Bern, stellte aktuelle Erkenntnisse der kausalen Kariestherapie vor. Sein wichtigster Ansatzpunkt ist eine antikariogene Ernährung mit möglichst wenig Zucker und Stärke, um den dentalen Biofilm zu schwächen. Bei der Mundhygiene ist auf eine fluoridhaltige Zahnpasta zu achten, um die Remineralisation zu fördern. Sind die Zähne von Karies betroffen, so gilt laut Dr. Tennert heute die Devise „heal & seal“ statt „drill & fill“. Bei leichten Kariesläsionen im Zahn liefert die Kariesinfiltration gute Ergebnisse. Je nach Fortschreiten der Karies kommen restaurative Maßnahmen (Füllung, Teilkrone, Krone) zum Einsatz. Um den Zahn vital zu halten, erfolgt die Kariesexkavation vor allem in Pulpanähe nur selektiv. Auch in der Endodontie gibt es interessante Innovationen: maschinelle Wurzelkanalaufbereitungen mit nur einer Feile, neue Desinfektionsmethoden (NaOClbasiertes Spülkonzept, Schall-/ Ultraschallaktivierung von NaO- Cl bzw. EDTA, antimikrobielle photodynamische Therapie, Laser, Ozon) oder Heißabfüllmethoden. Tiefzerstörter Zahn. Prof. Dr. Michael Naumann, Charité-Univer- ZBW 3/2019 www.zahnaerzteblatt.de

Fortbildung 47 Volles Haus. Zur 25. ZFZ-Winterakademie waren 380 wissbegierige Zahnärztinnen und Zahnärzte gekommen. sitätsmedizin Berlin, beleuchtete die Möglichkeiten der postendodontischen Versorgung. Als Ausgangspunkt seiner Überlegungen stellte er die Frage: „Sollte sich der Patient in Zeiten gut etablierter und gut funktionierender Implantatsysteme den Erhalt tiefzerstörter Zähne leisten?“ Er ging dabei auf die Perspektiven von aufwändig endodontisch behandelten Zähnen sowie von implantat-prothetischem Zahnersatz ein und stellte deren Stärken und Schwächen gegenüber. Letzten Endes sind Implantate zwar immer belastbarer, aber auch hier gibt es Risiken wie Nichteinheilung, Periimplantitis, Frakturen oder Schraubenlockerung. Der Erhalt eines Implantats kann außerdem teurer sein als der Erhalt von eigenen Zähnen. Unabhängig von allen fachlichen Überlegungen gilt aber selbstverständlich: Wenn der Patient seinen Zahn nicht erhalten möchte, sollte man nicht gegen seinen Willen therapieren. KFO für Erwachsene. Dass es bei der kieferorthopädischen Therapie keine Altersbegrenzung gibt, schilderte Prof. Dr. Philipp Meyer-Marcotty, Universität Göttingen, eindrucksvoll anhand von zahlreichen Fallbeispielen. Allerdings ist die Ausgangssituation beim Erwachsenen meist deutlich komplexer als beim Kind oder Jugendlichen! So gibt es Schnittstellen zwischen der Kieferorthopädie und der zahnärztlichen Prothetik, der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie und der Zahnerhaltung/Parodontologie. Ein hoher kieferorthopädischer Behandlungsbedarf liegt z. B. bei Parodontitis-Patienten vor. Die kieferorthopädische Therapie beginnt dabei – je nach Vorbehandlung – sechs Monate nach der initialen konservativen Parodontitis-Therapie bzw. sechs Wochen nach einer offenen chirurgischen PA-Therapie. Wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche kieferorthopädische Therapie sind Kariesfreiheit, Entzündungsfreiheit, optimale Mundhygiene, Mitarbeit des Patienten, Nichtraucher. Fotos: Wosilat Augmentationstechniken. Welche Materialien idealerweise zum Knochenaufbau bei Kieferdefektrekonstruktionen zum Einsatz kommen, stellte Prof. Dr. Dr. Daniel Rothamel, Mönchengladbach, vor. Insbesondere ging er der Frage nach, ob innovative Augmentationstechniken durch Spenderknochen als Chance oder Risiko zu betrachten sind. Neben der Verwendung von xenogenem und alloplastischem Knochenersatz stehen heute zunehmend allogene Augmentationsmaterialien, also Humanknochenspenden, zur Verfügung. Sie sind aufgrund ihres Kollagengehalts im Hinblick auf das osteogene Potenzial höherwertiger einzustufen als konventionelle entproteinierte Materialien. Industriell individualisierte Augmentate bieten heute eine Verbesserung der Passgenauigkeit, Verringerung der OP- Zeit und Vermeidung von intraoperativen Kontaminationen. Ob durch den konfektionierten Einsatz von Allografts eines Tages die Entnahme von Eigenknochen entbehrlich werden wird, ist noch fraglich. Prävention durch Ernährung. Wie eine gesunde Ernährung die parodontale Gesundheit beeinflussen kann, erläuterte PD Dr. Johan Wölber, Universität Freiburg, in seinem Vortrag zum Thema Prävention und Gesundheitsförderung. Der Zahnmediziner mit der Zusatzbezeichnung „Ernährungsmediziner“ zeigte auf, dass Ernährungsfehlverhalten, insbesondere zu hoher Zuckerkonsum, nicht nur aus kariesprophylaktischer Sicht von Bedeutung sind, sondern auch der parodontalen Gesundheit wesentlich schaden können. Die Mundhygiene hat vornehmlich einen lokalen Effekt. Aktuelle Studien zeigen, dass Plaque nicht unbedingt der wirkliche Grund für Karies und Parodontitis ist, sondern ein ungesunder Lebensstil! Zuviel Zucker, Weißmehl, Säfte, Zigaretten und fehlende körperliche Aktivität haben entscheidende Auswirkungen auf die Entzündungsbereitschaft im Organismus, im Guten wie im Schlechten. Bei Parodontitis empfahl Dr. Wölber zur Unterstützung der Therapie den Konsum von Blaubeeren, Kiwis, nitrathaltigen Pflanzen, Omega-3-Fettsäuren und schwarzem Kaffee. Insgesamt sollte die Ernährung in der Zahnarztpraxis viel stärker thematisiert werden, nicht nur bei Patienten mit Parodontitis. Eine Ernährungsumstellung hin zu „Slow Carbs“, also langsam verdaulichen Kohlenhydraten, hat sowohl einen gesamtgesundheitlichen als auch einen oralen Effekt. Neben der Motivation, sich in Sachen Ernährung und Lebensstil positiver zu verhalten, nahmen die Teilnehmer/innen am Ende der ZFZ-Winterakademie auch das notwendige Rüstzeug mit, um am nächsten Arbeitstag in der Praxis mit dem neu Erlernten gleich loslegen zu können. Denn die Zukunft von morgen beginnt schon heute. » richter@lzk-bw.de www.zahnaerzteblatt.de ZBW 3/2019

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