44 Fortbildung tances“ (IMS) und „Targeted Therapies“ (TT) diskutiert (Ruggiero et al., 2014). Zu diesen Substanzen gehören der beschriebene VEGF-Inhibitor Bevacizumab sowie Tyrosinkinaseinhibitoren (Sunitinib, Sorafenib) und mTOR-Inhibitoren (Rapamycin). Auch neuere Fallberichte, zum Beispiel aus der Kopenhagener MRONJ-Kohorte, bestätigen diese Erkenntnisse und weisen eine erhöhte Inzidenz von Medikamenten-assoziierten Kiefernekrosen assoziiert mit den Targeted Therapies auf, bei der sich die Nekrosen ebenfalls spontan entwickelten. Es sind hierbei allerdings ebenso Fälle beschrieben, bei denen sich sogar unter alleiniger Gabe einer Kombination des Immunsuppressivums Everolimus und des Tyrosinkinaseinhibitors Sunitinib eine Kiefernekrose entstand (Abel Mahedi Mohamed et al., 2018). Versuchsthematik. Unsere Arbeitsgruppe ist im Rahmen eines Projektes der Fragestellung nachgegangen, ob tatsächlich ein additives Risiko der Kombinationstherapie für die Entwicklung von Kiefernekrosen besteht. Ziel der Untersuchung war es, in einem Real-Time-Zellexperiment am Beispiel von oralen Gingivafibroblasten systematisch zu prüfen, ob eine gesteigerte Toxizität bei den genannten Kom- Abb. 2a Abb. 2b Abb. 2c Abb. 2d Gingivafibroblasten. Hämalaun-Färbung der humanen Gingivafibroblasten nach 120 Stunden Versuchszeit im 24-Well-Parallelversuch zur histomorphologischen Beurteilung: Kontrolle 20-fach (2a); Kontrolle mit gleichmäßig dichtem Zellrasen, 4-fach (2b); Defekte im Monolayerbereich bei LPS- und Sunitinibexposition in Kombination mit Zoledronat 20-fach (2c); Zellrasen mit deutlich sichtbaren Lücken bei LPS- und Sunitinibexposition in Kombination mit Zoledronat, 4fach (2d). binationstherapien vorliegt. Da ein lokal beeinträchtigtes Immunsystem des Kieferknochens für die Pathogenese der Kiefernekrose eine entscheidende Rolle zu spielen scheint (Hoefert et al., 2010), wurde in der Untersuchung zudem ein Schwerpunkt auf die Analyse des immunologischen Einflusses auf die Zellen gelegt. Es ergab sich hierdurch die Frage, ob durch die Exposition von Bakterientoxinen wie Lipopolysacchariden (LPS) und einer Co-Kultur mit monozytären Zellen (THP-1-Zellen) zur Simulation der immunologischen Interaktion der Zellen (Miniimmunologiemodell) das Risiko der Entwicklung einer Medikamenten-assoziierten Kiefernekrose verstärkt wird. Real-Time Zellanalytik. Beispielhaft für die einzelnen Medikamentengruppen wurden die bereits genannten Antiresorptiva Zoledronat und Denosumab in Kombination mit den Tyrosinkinaseinhibitoren Sunitinib und Sorafenib sowie dem VEGF-Inhibitor Bevacizumab und dem mTOR-Inhibitor Sirolimus getestet. Dabei wurden hohe, mittlere und auch niedrige Konzentrationen der Medikamentenkombinationen verwendet. Die gleichen Kombinationen wurden unter der Exposition von LPS ebenfalls getestet. Die Analyse unter der Co-Kultur von THP-1-Zellen beschränkte sich auf Ansätze der Medikamentenkombinationen von den Antiresorptiva mit Bevacizumab und Sunitinib. Die Impedanz-basierte Zellanalytik des xCELLigence ® RTCA DP Instruments (ACEA Biosciences Inc.) ermöglichte eine Messung der Überlebensrate der adhärent wachsenden humanen Gingivafibroblasten (HGFs) unter dem Einfluss von unterschiedlichen Medikamentenkombinationen. Über Goldsensorelektroden am Boden von Mikrotiterplatten, die 70 bis 80 Prozent dieses Bodens erfassen, wird in einem zeitlich definierten, kontinuierlichen Intervall die Adhäsion der Zellen gemessen und diese anschließend grafisch dargestellt. Die Messung ist hierbei vor allem abhängig von der Anzahl der Zellen, die am Boden der Plates adhärent wachsen. Aber auch Veränderungen in Größe und Form der Zellen werden hierdurch erfasst. Aus einer Kontrollgruppe ergibt sich eine für die humanen Gingivafibroblasten charakteristische Standardkurve der Überlebensrate der Zellen (siehe Abb. 1). Nach dem Aussäen der Zellen bildet sich eine stabile Zellphase in ZBW 3/2019 www.zahnaerzteblatt.de
Fortbildung 45 Form eines Monolayers. Nach 48 Stunden erfolgte der Medienwechsel unter Zugabe der jeweiligen Medikamentenkombination. Die aus zwei parallelen Ansätzen gemittelten Kurvenverläufe der unterschiedlichen Kombinationsansätze wurden dann mit der Kontrollkurve verglichen und ausgewertet. Die Auswertung zeigt verminderte Wachstumskurvenverläufe der Zellen unter der Medikamentenkombination von Zoledronat und Sunitinib. Diese werden auch unter der Kombination von Zoledronat mit Sorafenib und Bevazicumab beobachtet. Daraus lassen sich verkürzte Überlebenszeiten der Gingivafibroblasten unter dem Einfluss dieser Medikamentenkombinationen herleiten. Die Zugabe von Lipopolysacchariden scheint einen weiteren negativen Effekt auf die humanen Gingivafibroblasten zu haben, da sich auch hier eine Veränderung des Kurvenverlaufes, in Form eines generalisierten frühzeitigen Abfalls der Überlebenskurve der Zellen, zeigt. Unter dem Einfluss der THP-1-Zellen ergeben sich wiederum vergleichsweise deutlicher sinkende Überlebenskurven. Besonders die Medikamentenkombinationen mit den Tyrosinkinaseinhibitoren und dem VEGF-Inhibitor zeigen im Miniimmunologiemodell im Vergleich zur Kontrolle eine verminderte Überlebensrate. Zytokinprofil. Zur Bestimmung der Interleukine und Zytokine, die von den humanen Gingivafibroblasten produziert wurden, wurden Enzyme-linked Immunosorbent Assays (ELISAs) der Überstände der Zellkulturen angefertigt. Gemessen wurden dabei die Interleukine IL-1ß, IL-6, IL-8 sowie die Signalmoleküle Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF) und Tumornekrosefaktor (TNF). Die Ergebnisse dieser Messungen zeigen unter anderem, dass sich die Zytokinproduktion unter der bakteriellen Endotoxinexposition im Versuchsmodell im Vergleich zwischen den Kontrollgruppen deutlich erhöht. Die IL-6-Produktion beispielsweise vermindert sich hingegen unter dem Einfluss der Medikamentenkombination mit dem Tyrosinkinaseinhibitor Sunitinib stark. Diese Umkehrung kann als Zeichen für eine inadäquate Reaktion der Zellen unter dem Medikamenteneinfluss interpretiert werden. Unter dem Einfluss des VEGF-Inhibitors Bevacizumab war konsequenterweise eine fehlende Produktion von VEGF zu beobachten. Fazit der Untersuchungen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich signifikante Verkürzungen der Überlebenszeit von humanen Gingivafibroblasten unter einer Kombination von Zoledronat mit den Tyrosinkinaseinhibitoren Sunitinib und Sorafenib sowie mit dem VEGF-Inhibitor Bevacizumab ergeben haben. Es ist daher von einer gesteigerten Empfindlichkeit der humanen Gingivafibroblasten unter dem beschriebenen Medikamenteneinfluss auszugehen. Die Zugabe von LPS sowie der THP-1-Zellen zeigte häufiger einen frühzeitigen und auch veränderten Abfall der Überlebenskurve. In zellmorphologischen Untersuchungen haben sich unter diesen Expositionen ebenfalls Toxizitätseffekte feststellen lassen. Daher lässt sich darauf schließen, dass unter bakterieller Reizung, zum Beispiel in Form einer Gingivitis oder Parodontitis, eine Verstärkung dieses Effekts möglich ist. In diesem Zusammenhang ist ebenso eine gestörte Wundheilung nach Mikrotraumata denkbar. Ferner könnten gestörte Abläufe in der Angio- und Vaskulogenese, wie unter dem Einfluss des VEGF-Inhibitors Bevacizumab, vor allem die anfangs beschriebene Zunahme von spontan entwickelten Medikamentenassoziierten Kiefernekrosen begünstigen. Fazit für die Klinik. Im Rahmen unserer In-vitro- Realtime-Experimente konnte erstmalig nachgewiesen werden, dass unter Kombinationstherapie von Antiresorptiva mit neuen onkologischen Therapeutika wie den Tyrosinkinaseinhibitoren ein verringertes Überleben von HGF-Zellen besteht. Somit scheint ein erhöhtes Kiefernekroserisiko (MRONJ) bei den Patienten vorzuliegen, die eine solche Therapiekombination erhalten. In Konsequenz sollte diese Patientengruppe engmaschiger kontrolliert und hinsichtlich der Verbesserung der Mundhygiene intensiver motiviert werden, als es zurzeit empfohlen wird. Auch sollten diese Patienten stringenter auf Druckstellen von Zahnersatz kontrolliert und zur konsequenten Selbstkontrolle angehalten werden. Danksagung. Wir danken dem IZKF Promotionskolleg der Medizinischen Fakultät der Eberhard- Karls-Universität Tübingen, die sowohl das Projekt als auch die Doktorandin als erste Zahnmedizinstudentin des Kollegs förderte. Ferner gilt unser Dank der AOCMF, die die Studie im Rahmen eines größeren Projektes ebenfalls unterstützt hat. Das Literaturverzeichnis finden Sie unter www.zahnaerzteblatt.de oder kann beim IZZ bestellt werden unter Tel: 0711/222966-14, Fax: 0711/222966-21 oder E-Mail: info@zahnaerzteblatt.de. Info cand. med. dent. Linda Liebaug, MTA Adelheid Munz, Prof. Dr. Siegmar Reinert, PD Dr. Dr. Sebastian Hoefert, Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsklinikum Tübingen In der ZBW-Ausgabe 7/2018 (Seite 46) finden Sie den Bericht mit Foto über die Preisverleihung der Jahrestagung AgKi mit den Preisträgern Dr. Thomas Rückschloß, ZÄ Anne Richter und Linda Liebaug und Prof. Dr. Dr. Hendrik Terheyden sowie unter www.zahnaerzteblatt.de. www.zahnaerzteblatt.de ZBW 3/2019
Laden...
Laden...
Informationszentrum Zahn- und Mundgesundheit Baden-Württemberg (IZZ)
Haus: Heßbrühlstraße 7, 70565 Stuttgart
Post: Postfach 10 24 33, 70200 Stuttgart
Telefon: 0711 222 966 0
Fax: 0711 222 966 20
presse@izzbw.de
Eine Einrichtung der Kassenzahnärztlichen
Vereinigung Baden-Württemberg
& der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg
© by IZZ Baden-Württemberg - Impressum - Datenschutz