22 Titelthema Mit viel Freude in der Freiberuflichkeit angekommen Zu Besuch bei jungen Praxisgründern Dr. Annette Hornstein und Dr. Phillip Wallowy haben vor sechs Jahren die Praxis von Dr. Hornsteins Mutter in Pfullingen übernommen. Kurz danach traf ZBW-Redakteur Christian Ignatzi die beiden Berufsanfänger bei einer Standespolitischen Nachwuchstagung. Wie hat sich ihre Praxis seitdem entwickelt? Ein Besuch bei den jungen Zahnärzten, die ihren Traum von der Selbstständigkeit verwirklicht haben. Was erwartet sich die „Generation Y“ von ihrem Berufsleben? Weniger Arbeit, mehr Freizeit, oder gar umgekehrt? Das fragte das ZBW in der Ausgabe 11/2014. Anlass dazu war die Standespolitische Nachwuchstagung in Biberach, bei der sich junge Zahnärztinnen und Zahnärzte fanden, die davon erzählten, ob sie sich selbstständig machen wollen oder lieber in einem Angestelltenverhältnis arbeiten. Die Niederlassung in eigener Praxis erscheint vielen – so die These damals – als Auslaufmodell. Doch viele der jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte sahen die Situation anders. Dr. Friederike Listander etwa zog es aus Ulm in die Provinz nach Beimerstetten, wo sie ihre eigene Praxis gründete. Ihre Praxis hat eine eigene Facebookseite, auf der sie Selfies von sich und Kolleginnen von Fortbildungen postet. Bei einem Fotoshooting hat sich die junge Zahnärztin gemeinsam mit ihrem Team auf einer saftig grünen Wiese fotografieren lassen. Viele Gründer. Auch Zahnarzt Dr. Michael Konrad war schon im Jahr 2014 in den Social-Media- Netzwerken vertreten und hat nach seiner Assistenzzeit den Wechsel von der Stadt aufs Land gewagt. Zumindest, wenn man die Verhältnisse betrachtet. Nach seiner Approbation an der Uni Tübingen im Jahr 2007 zog es ihn zur Assistenzzeit nach Berlin. Vor einem Jahr ließ er sich in Friedrichshafen- Ailingen am Bodensee nieder. Als der damals 32-Jährige von seinen Plänen für sein Arbeitsleben erzählte, zeigte sich deutlich, dass er ein Mitglied der Generation Y ist: „Ich will auf jeden Fall, dass die Work- Life-Balance stimmt“, sagte er. Ein Angestelltenverhältnis stand nie zur Debatte: „Ich habe mich niedergelassen, weil ich selbst im therapeutischen Spektrum entscheiden will, was ich tue und was nicht“, sagt er. „Natürlich ist es ein Haufen Arbeit, aber die eigene Praxis kann ich hinsteuern, wohin ich will. Als Angestellter schuftet man nur für andere.“ So ähnlich sah es auch das junge Zahnarzt-Paar Dr. Annette Hornstein und Dr. Phillip Wallowy. Für die beiden stellte sich die Frage nach einer Anstellung nie. Denn Dr. Hornstein und Dr. Wallowy übernahmen die Praxis von Dr. Hornsteins Mutter in Pfullingen. Der Vorteil einer Gemeinschaftspraxis besteht für die junge Frau nicht darin, weniger Arbeit zu haben, sondern: „Eine Gemeinschaftspraxis verbessert das Arbeitsklima und die Qualität der Behandlung. Vier Augen sehen mehr als zwei“, sagte sie damals. Wie sich die Praxis nun, vier Jahre später entwickelt hat, zeigt ein Besuch bei den beiden Jungzahnärzten. Ein Teilzeitmodell hilft Dr. Hornstein derzeit, wie Dr. Wallowy strahlend berichtet. Denn die beiden sind im April 2018 Eltern einer Tochter geworden. Nachwuchs. „Annette fängt gerade erst wieder an, zwei Tage pro Woche mitzuarbeiten“, erzählt Dr. Wallowy. Um die Betreuung der Tochter kümmert sich die Oma, die nach ihrer Praxisübergabe Zeit hat. „Das ist ein Vorteil der Selbstständigkeit, dass ich mir die Zeit freier einteilen kann als in einem Angestelltenverhältnis“, sagt der Zahnarzt, der sich Zeit nehmen konnte, als der Geburtstermin sich ankündigte. Auch heute hat er gewisse Arbeiten abgegeben und seinen Arbeitsalltag umstrukturiert. „Natürlich kann ich nicht ganz darauf verzichten zu arbeiten, aber ich habe gewisse Aufgaben komprimiert“, sagt er. Bei den Dres. Hornstein und Wallowy sind heute 30 Mitarbeiter angestellt. Zahnärzte, Zahnmedizinische Fachangestellte und sogar Zahntechniker. „Da muss man als ZBW 3/2019 www.zahnaerzteblatt.de
Titelthema 23 Entspannt. Dr. Annette Hornstein (links) bei der Behandlung eines Patienten. Offen. Dr. Annette Hornstein und Dr. Phillip Wallowy fühlen sich in ihrer eigenen Praxis wohl. Fotos: Hornstein-Wallowy Chef schon da sein“, sagt Wallowy, der in den vergangenen fünf Jahren zahlreiche Bücher über Mitarbeiterführung verschlungen hat und sich im Selbststudium zum Chef ausbildete. „Man muss einfach machen, einfach ausprobieren“, sagt er. Genau das taten die beiden Praxisgründer auch, als es darum ging, die Praxis zu modernisieren. Im Lauf der Jahre haben sie immer weiter expandiert und ihre Räume nun zu einer Art modernen Wellnesstempel für zahnmedizinische Zwecke ausgebaut. Wer die Praxis betritt, findet sich in einem hellen, aber nicht schrillen Raum wieder. Im Wartezimmer trällern Popmusiker unaufdringlich leise aus den Boxen. Gitarrenklänge, sanfter Gesang – das zieht sich durch bis in die Behandlungsräume. LED-Bildschirme hängen dort in unterschiedlichen Größen an den Wänden. Schlank und aufgeräumt wirkt die Praxis, aber trotzdem nicht übertrieben steril. Weiß, Beige und Rosétöne überwiegen an Wand, Decke und Boden. Deckenleuchter hüllen den Raum in ein neutrales, helles Licht. Bei der Behandlung von Kindern wandelt der weiße Bildschirm an der Wand sich zu einem Mini-Kino. Zeichentrickfilme sollen ihnen dann die Angst nehmen. Stimmiges Konzept. Angst ist ein gutes Stichwort, denn „Angst hat ja fast jeder, der hier reinkommt“, sagt Dr. Wallowy, der seinen Patienten den Aufenthalt so angenehm wie möglich machen will. Das scheint zu funktionieren. „Man hört sehr viel Positives“, sagt er. „Wir setzen viel daran, dass wir anders sind und gewisse Servicesachen anbieten, die es nicht gibt.“ Der Patient soll mit einem „Wow- Effekt“ in die Praxis kommen. Dabei sollen nicht nur aufeinander abgestimmte Lichtspender helfen, wie die nicht zu grellen Deckenleuchten oder lilafarbene Stimmungslichter im Röntgenraum, sondern auch viele Kleinigkeiten, die „wir jeden Tag aufs neue mühsam implementieren und die die Gesamtsumme ausmachen.“ In jedem Behandlungszimmer ist digitales Röntgen möglich, Patienten erhalten eine automatische Terminerinnerung per SMS und jeder Patient erhält Dr. Wallowys private Handynummer, sollte er nach einem chirurgischen Eingriff etwas benötigen. Ein Anruf beim Patienten, ob alles in Ordnung sei, sei ohnehin Standard. „Die Atmosphäre hier trägt viel zur Patientenzufriedenheit bei“, sagt Dr. Wallowy und deutet auf die Wand. „Wir haben versucht, bewusst auf irgendwelche Poster an der Wand zu verzichten und wenn wir Röntgenbilder besprechen, vergrößern wir sie auf den Bildschirmen so lang, bis der Patient genau gesehen hat, was wir mit ihm vorhaben.“ Das Praxiskonzept hatten Dr. Hornstein und Dr. Wallowy von langer Hand geplant und nach und nach weiterentwickelt. Seit Mitte 2015 umfasst die Praxis ein weiteres Stockwerk. 2016 kam das eigene Labor dazu. „Wir sind nicht mit einem besonderen Fokus rein“, sagt der 37-jährige Zahnarzt. „Wir hatten einen Praxisplaner, den ich aus einer früheren Arbeit kannte, als wir noch Arbeitnehmer waren. Mit ihm haben wir alles besprochen und wir wollten einfach eine schöne Praxis haben.“ Nicht nur für die Patienten, sondern auch für sich selbst. „Wir sind acht, neun Stunden am Tag hier. Das muss dann natürlich auch primär unseren Geschmack widerspiegeln. Unsere Praxis sollte geschmackvoll, ästhetisch und hochwertig sein.“ Geglückt ist das den beiden Gründern, findet auch die Fachassistentin für Chirurgie, Jacqueline Grädener: „Mir gefällt das junge Team hier und vor allem, dass alles vernetzt ist“, sagt sie. Selbstverwirklichung. Für das Praxiskonzept haben Dr. Hornstein und Dr. Wallowy schon mehrere Auszeichnungen erhalten. Eine Selbstverwirklichung im Beruf, die vor sechs Jahren begonnen hat und die sie bis heute nicht bereuen: „Auf gar keinen Fall. Für uns gab es nichts anderes“, sagt Dr. Wallowy, der sich nicht falsch verstanden wissen will: „Ich hatte immer nur liebe Chefs, das war alles gut“, sagt er und lacht. „Aber es war einfach die Freiheit, die Unabhängigkeit, die uns gereizt hat.“ Die Freiheit haben, das zu verwirklichen, was man will. Für viele Vertreter der jungen Zahnarztgeneration ist das nach wie vor ein wichtiger Punkt bei der Wahl der Berufslaufbahn. » christian.ignatzi@izz-online.de www.zahnaerzteblatt.de ZBW 3/2019
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