20 Titelthema Strukturwandel in der Zahnmedizin Unsere Zukunft als Zahnärzte selbst gestalten Der Strukturwandel ist in der Zahnmedizin angekommen. Die jungen Kolleginnen und Kollegen stellt das vor große Herausforderungen. Zentrales Ziel des Zukunftsreferates der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg ist es, den jungen Zahnärztinnen und Zahnärzten auch in Zukunft gute Chancen zu ermöglichen, ihren Beruf nach ihren Vorstellungen auszuüben. Ehrenamt und Hauptamt der KZV BW arbeiten hierbei eng zusammen. Perspektiven. Die Zukunftsreferenten der KZV BW, Dr. Christian Engel (im Bild; vorne) und Dr. Florentine Carow-Lippenberger, befassen sich mit zentralen Zukunftsfragen des zahnärztlichen Berufsstands. Die aktuellen, durch Studien belegten Trends zeigen deutlich, dass sich die Ausübung des zahnärztlichen Berufs und die Struktur der Zahnärzteschaft in den nächsten zwölf Jahren massiv verändern werden. Die Anzahl männlicher Kollegen (derzeit 61 Prozent) wird deutlich zurückgehen, die Zahl der Zahnärztinnen wird anteilig auf 61 Prozent steigen – das Geschlechterverhältnis kehrt sich um. Zurzeit üben noch zwei Drittel der Kolleginnen und Kollegen ihre Tätigkeit selbstständig in einer eigenen Praxis aus – aktuellen Prognosen zufolge wird es im Jahr 2030 nur noch knapp die Hälfte sein. Ein großer Teil unseres Berufsstandes zieht offenbar die Tätigkeit in Anstellung der Tätigkeit in eigener Praxis vor. Aktuelle Analyse. Was führt eigentlich die jungen Kolleginnen und Kollegen in solch eine „unselbstständige“ Entwicklung? Aus der Analyse aktueller Statistiken lässt sich schließen, dass die etablierten Berufsmodelle – insbesondere die des selbstständigen Zahnarztes in der Einzelpraxis – in Zukunft nicht mehr ein Garant für Erfolg sein werden. Dies haben viele junge Kolleginnen und Kollegen erkannt und suchen nach neuen Formen, ihren Beruf erfolgreich ein Leben lang ausüben zu können – und das muss nicht mehr unbedingt selbst und ständig sein. 50 Prozent der im Jahre 2030 tätigen Zahnärzte Foto: Stollberg wünschen eine Berufsausübung in Anstellung und dies zu 62 Prozent in Teilzeit – bei einer Wunscharbeitszeit von 32,5 Stunden/Woche. Der niedergelassene „Durchschnittszahnarzt“ verfügt 2018 hingegen über eine deutlich höhere Arbeitsbelastung von durchschnittlich 46,6 Wochenstunden bei gleichzeitig geringer werdender Rendite, verbunden mit einem hohen unternehmerischen Risiko. Die Frage stellt sich, welche Wege eingeschlagen werden können, um den jungen Kolleginnen und Kollegen wieder zu mehr beruflicher Perspektive und Eigeninitiative im Ehrenamt zu verhelfen? Priorität hat: Das Wort „Freiberuflichkeit“ auch für Berufsanfänger mit Leben zu füllen. Die Standesorganisationen müssen den jungen Zahnärzten ein Gefühl der Sicherheit vermitteln, die genannten Hemmnisse schrittweise abbauen und gezielt Hilfestellung und Modelle für die Niederlassung aufzeigen. Selbstständigkeit. Die Selbstständigkeit bietet neben persönlicher Freiheit vor allem die finanzielle Freiheit – das sind wichtige Anreize für den jungen Zahnarzt, sich in eigener Praxis niederzulassen. In der heutigen Zeit müssen die Kolleginnen und Kollegen über fundierte Kenntnisse in Betriebswirtschaft, exzellente Kenntnisse in Personalführung und hervorragende Kommunikationsmöglichkeiten mit den Patienten verfügen, um wirtschaftlich erfolgreich agieren zu können. Da dies während der Ausbildung nicht vermittelt wird, ist die Hürde für die Niederlassung anfangs hoch. Die Standesorganisationen sind hier mehr als bisher gefordert, junge Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen. Neue Versorgungsformen. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit neuen Versorgungsformen ist zwingend erforderlich. Die Ein- ZBW 3/2019 www.zahnaerzteblatt.de
Titelthema 21 zelpraxis wird in Zukunft nicht mehr die tragende Rolle spielen. Mehrbehandlerpraxen und Medizinische Versorgungszentren (MVZ) werden im Dentalmarkt mitbestimmen. Es ist zu erwarten, dass die Anzahl an MVZs im Jahre 2019 in Baden-Württemberg im dreistelligen Bereich liegen wird. Die KZV BW ist gefordert, hierzu Modelloptionen anzubieten – sonst werden dies andere Institutionen und zum Beispiel Fremdinvestoren übernehmen. Es ist zu beobachten, dass gerade die neuen Praxisformen für junge Kolleginnen und Kollegen ein hohes Maß an Attraktivität bieten. Warum also sollte die Zahnärzteschaft diese Praxisformen nicht stärker für sich selbst nutzen? Das Rad der Zeit kann man bekanntlich nicht zurückdrehen. Ein Blick ins europäische Ausland zeigt, in welche Richtung die Entwicklung gehen kann. Zahlreiche europäische Länder deregulieren den Zahnarztmarkt. In einigen dieser Länder gehören Kliniken und Zahnarztketten schon lange zum Alltag, sie besitzen Marktanteile von über 30 Prozent. Der europäische Healthcare-Sektor ist mit einem geschätzten Volumen von 80 Milliarden Dollar einer der wichtigsten Wachstums- und Investitionsmärkte. Firmen und Personen, die über große finanzielle Reserven verfügen, werden auch in Deutschland, dem größten Dentalmarkt innerhalb Europas, verstärkt in diesen Sektor hineindrängen. Die Frage stellt sich, ob wir diese Entwicklung als freiberufliche Zahnärzte so hinnehmen wollen und die Versorgungslage dadurch besser wird. Beruf mit Perspektive. Auch wenn die Entwicklung heute beunruhigend klingt, für uns Zahnärzte hat sie einen positiven Nebeneffekt: Der Zahnarztberuf hat Perspektive! Er ist konjunkturunabhängig und finanzstark, sonst hätte kein Investor der Welt Interesse an unserer Profession. Offensichtlich schaffen Großinvestoren, was kleineren Zahnarztpraxen aufgrund der zunehmenden Bürokratielast immer schwieriger gelingt, nämlich einen zahnärztlichen Betrieb mit einer guten Rendite und einem geringeren Risiko betriebswirtschaftlich erfolgreich zu führen. Dieses Ziel zu erreichen erfordert eine erhebliche Umorientierung – sowohl bei den Zahnärzten als auch bei den Standesorganisationen. Wichtig ist, die Fäden für die wesentlichen Zukunftsentscheidungen in eigenen Händen zu behalten und diese Neuausrichtung im Rahmen der ehrenamtlichen Selbstverwaltung als Zahnärztegemeinschaft selbst zu steuern. Unser Leitsatz lautet deshalb: Zahnarztberuf im Wandel – unsere Zukunft selbst gestalten! Dr. Christian Engel, Zukunftsreferent der KZV BW Anzeige »Historische Bauten zeugen vom Leben und Kunstsinn vergangener Generationen. Deshalb helfe ich gern mit, unser kulturelles Erbe zu erhalten.« Günther Jauch Wir bauen auf Kultur. Helfen Sie mit! Spendenkonto 305 555 500 BLZ 380 400 07 www.denkmalschutz.de www.zahnaerzteblatt.de ZBW 3/2019
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