18 Titelthema Frauen an Universitäten und Hochschulen „Appellieren wir lautstark an unsere Zahnärztinnen und an die Gesellschaft!“ Prof. Dr. Diana Wolff ist seit 2017 Lehrstuhlinhaberin und Ärztliche Direktorin an der Poliklinik für Zahnerhaltung des Universitätsklinikums Tübingen. Dass es mit ihr und Prof. Britta Jung aus Freiburg nur zwei Ärztliche Direktorinnen an den baden-württembergischen Universitäten für Zahnmedizin gibt, liegt ihrer Meinung nach an den fehlenden Rollenbildern und deshalb „freue ich mich außerordentlich, dass ich in meiner jetzigen Position Vorbild und Rollenmodell sein kann und sehe darin eine große Verantwortung“. Welchen Appell sie an Zahnärztinnen und die Gesellschaft richtet und wie sie zu einer Quote steht, erläutert Prof. Wolff im ZBW-Gespräch. ZBW: Warum gibt es nicht mehr Ärztliche Direktorinnen? Prof. Wolff: Diese Frage stelle ich mir oft. Und sie erschließt sich teilweise aus meinem eigenen Werdegang. Wenn ich zurückblicke, dann stelle ich fest, dass mir in meinen Ausbildungsjahren Universitätsprofessorinnen als Vorbilder gefehlt haben. Ich schlussfolgere, dass ich mir (auch) deswegen meine jetzige Karriere damals weder vorgestellt noch zugetraut habe. Ich habe Ähnliches bei Kolleginnen wiedergefunden. Fragt man junge Zahnärztinnen an der Hochschule nach ihren Ambitionen, so hört man häufig, dass sie erst einmal Doktorarbeit oder Fachspezialisierung machen möchten, und dann … mal schauen. Ich mutmaße, dass das fehlende Rollenbild die Aufgabe einfach zu groß erscheinen lässt, als dass man sich ganz natürlich damit identifizieren könnte. Die Schaffung dieser Rollenbilder und deren gesellschaftliche Integration in das Selbstbild von Frauen wird helfen, talentierte und mutige junge Frauen auf diesen Weg zu führen. Einmal den Weg der Hochschulkarriere angetreten, tun sich üblicherweise in Folge von Familiengründung und Kindererziehung Hindernisse auf. Es ist ganz normal, dass in dieser Phase eine zumindest zeitweise Verschiebung der Prioritätensetzung stattfindet. Verschärft wird diese Situation durch die nach wie vor ungenügenden Hilfestellungen bei der Kinderbetreuung und die ungleich verteilten Aufgaben der Familienarbeit. Gerade aber in dieser Lebensphase ist es essentiell, die richtigen Schritte auf der Karriereleiter zu tun und Bewerbungen. Prof. Dr. Diana Wolff: „Weibliche Kandidatinnen sind meist in der Unterzahl.“ Präsenz in der Fachwelt zu zeigen. Das ist für Kolleginnen mit kleinen Kindern deutlich schwerer zu bewältigen als für ihre männlichen Kollegen. Die Überschneidung dieser turbulenten und anstrengenden Phase einer jungen Familiengründung mit der wegweisenden Phase der Habilitation und Bewerbung auf einen Lehrstuhl ist eine Herausfor- Foto: Britt Moulien/Universitätsklinikum Tübingen derung, für die es starker Nerven und individueller Lösungen bedarf. Hat man schließlich den Schritt in die Bewerbungsphase getan, so folgt die Teilnahme an verschiedenen Berufungsverfahren. Die Bewerber werden von den eingesetzten Berufungskommissionen auf Herz und Nieren geprüft und viele meiner Mitstreiter/innen können bestätigen, dass das nicht immer angenehm ist. Erfreulicherweise werden mittlerweile in den Berufungsverfahren die Aspekte der Gleichstellung sehr hoch bewertet. In den Bewerberfeldern sind weibliche Kandidatinnen jedoch meist in der Unterzahl. Somit ist die Wahrscheinlichkeit einer weiblichen Berufung geringer. Der Wettstreit um die Lehrstühle ist äußerst hart. Es gibt weibliche Bewerberinnen mit hohem fachlichem und wissenschaftlichem Qualifikationsniveau. Die Tatsache, dass diese noch nicht auf Lehrstühlen angekommen sind, stimmt mich nachdenklich und die Gründe dafür kann ich nicht benennen. Sie sind eine Ärztliche Direktorin. Wie konnten Sie die Hochschul-Karriereleiter so schnell erklimmen? Ich bin im Alter von 41 Jahren auf den Lehrstuhl berufen und zur Ärztlichen Direktorin ernannt worden. Somit liege ich im normalen Altersdurchschnitt. Nach meiner Spezialisierungsphase im Fach Präventive und Restaurative Zahnheilkunde wurde ich von meinem damaligen Abteilungsleiter, Prof. Dr. Dr. Hans Jörg Staehle, recht zügig mit 29 Jahren, zur Funktionsoberärztin in der Heidelberger Poliklinik ernannt. Die frühzeitige Übertragung dieser und darauffolgend weiterer verantwortungsvoller Funktionen war eine Herausforderung und ermöglichte mir, mich beruflich zielführend zu entwickeln. ZBW 3/2019 www.zahnaerzteblatt.de
Titelthema 19 Können Sie Ihren hochschulpolitischen Werdegang skizzieren? Gibt es jemanden, der Sie gefördert hat? Mein Werdegang verlief insofern nicht durchgehend stringent, als dass ich nach der Spezialisierungsphase ein Jahr von der Universität weggegangen bin, um in einer Praxis als angestellte Zahnärztin zu arbeiten. Nach dieser wertvollen Erfahrung kehrte ich an die Universität zurück und war bestärkt und sicher, dass ich eine Hochschullaufbahn einschlagen möchte. Es folgte die intensive fünfjährige Habilitationsphase, die Ernennung zur außerplanmäßigen Professorin nach weiteren zwei Jahren und schließlich die Ernennung zur stellvertretenden Ärztlichen Direktorin der Heidelberger Poliklinik für Zahnerhaltungskunde. Der darauffolgende Schritt zur Lehrstuhlinhaberin und Ärztlichen Direktorin erfolgte im Jahr 2017 an die Tübinger Poliklinik für Zahnerhaltung. Mein frühester Mentor war Prof. Dr. Christoph Dörfer, Kiel, der mich in der Assistenzzeit an die Wissenschaft herangeführt hat und mir schon sehr früh vermittelte, dass er in mir das Potenzial sieht, eines Tages einen Lehrstuhl innehaben zu können. Umfassend gefördert wurde ich von meinem ehemaligen Abteilungsleiter, Prof. Staehle, der mich in jeder beruflichen Entwicklungsphase unterstützt hat und der in bemerkenswert aufgeschlossener Art die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gefördert hat, bei mir und allen meinen Kolleginnen und Kollegen. Die Zusammenarbeit mit und Förderung von weiblichem Nachwuchs war für mich immer ein zentrales Thema. Mit Prof. Dr. Cornelia Frese, Heidelberg, konnte ich eine äußerst talentierte Kollegin zur Habilitation begleiten und feste persönliche und wissenschaftliche Bande knüpfen. Welche Erfahrungen haben Sie im Laufe Ihrer Hochschulkarriere gemacht? Bis auf wenige unangenehme Vorfälle war mein Weg geprägt von guten Erfahrungen. Von Kollegen bin ich stets mit Respekt und Anerkennung behandelt worden. Das Gender-Thema stand für mich nie im Vordergrund. Erst durch meine jetzige Position als eine der wenigen Lehrstuhlinhaberinnen in der Zahnmedizin und eine der wenigen Ärztlichen Direktorinnen im Universitätsklinikum Tübingen bin ich damit konfrontiert. Die Tatsache, dass man in diesen Kreisen eine derartig eklatante Minderheit darstellt, ist auf den ersten Blick vielleicht erschreckend, erhöht natürlich aber auch die Wahrnehmbarkeit und eröffnet Möglichkeiten der gezielten Einflussnahme und Sensibilisierung. Es ist allerdings eine große Herausforderung, bei diesem hochgradig polarisierenden Thema im geeigneten Moment den richtigen Ton zu treffen. Ich freue mich außerordentlich, dass ich in meiner jetzigen Position Vorbild und Rollenmodell sein kann und sehe darin eine große Verantwortung. Gemäß Mahatma Gandhi: „Be the change that you wish to see in the world.” Sehen Sie Zahnärztinnen in den Führungsgremien der Universitäten und Hochschulen ausreichend repräsentiert und ihre Interessen vertreten? Ausreichend präsentiert hieße ja mindestens in gleicher Relation in den Führungsebenen repräsentiert wie in den Mitarbeiterebenen vorhanden. Das ist ganz klar nicht der Fall. Die Führungsebenen der Hochschulen sind nach wie vor geprägt von männlichen Lehrstuhlinhabern. Jedoch sieht es eine Ebene darunter schon erfreulich vielfältiger aus – wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vertreten die Interessen beider Geschlechter in den jeweiligen Gremien. Und ganz ehrlich – die Hochschullandschaft kann und sollte davon maximal profitieren. In der letzten BZÄK-Bundesversammlung wurde sehr kontrovers über die Vertretung von Frauen in den zahnärztlichen Körperschaften diskutiert und eine Quote gefordert. Was halten Sie von einer Quote? Die Argumente der Für- und Wider- Position sind hinlänglich bekannt. Festzustellen bleibt, dass mehr Frauen in die Führungsebenen integriert werden müssen. Darin sind wir uns wohl alle einig. Nur der Weg der erfolgreichen Umsetzung ist bis dato rätselhaft. Eine neue Studie des Weltwirtschaftsforums (WEF) ergab, dass die Gleichberechtigung in Deutschland kaum vorankommt (Global Gender Gap Report 2018). Es gibt weniger Frauen in den Parlamenten. Deutschland ist im jährlichen Index des WEF auf Platz 14 abgerutscht. Im Jahr 2006 stand es noch auf Platz 5. Weltweites Problem ist vor allem die unterentwickelte Kinder- und Altenbetreuung, die dazu führt, dass Frauen die Berufstätigkeit erschwert wird. Eine Quote ist meines Erachtens eine Möglichkeit, die dringend notwendige stärkere Partizipation von Frauen einzuleiten. Was wir brauchen ist eine „kritische Anzahl“ an Frauen in den Führungsebenen, damit eine natürliche Nachwuchskultur entsteht. Eine Quote würde die Tore für Frauen weit und sichtbar öffnen. Es würde der notwendige Druck aufgebaut werden, gezielt zu fördern, zu suchen, zu ebnen und das System anzupassen. Die bekannten Nachteile einer Quotenregelung würde ich billigend in Kauf nehmen. Nun steht das Argument im Raum, dass ja auch, wenn es eine Quote gäbe, gar nicht genügend weiblicher Nachwuchs vorhanden wäre, um diese zu bedienen. Wir brauchen also neben der Quote gezielte Nachwuchsförderung. Für Neueinsteiger müssen Ausmaß, Inhalte und Herausforderungen der Ämter und Funktionen greifbar gemacht werden. Und die Türen dafür, ich kann mich nur wiederholen, müssen weit offenstehen. Appellieren wir also lautstark an unsere Zahnärztinnen, dass sie sich standespolitisch engagieren und im gleichen Atemzug lautstark an unsere Gesellschaft, dass Verantwortlichkeit für Kinder und Familie eine gemeinschaftliche Aufgabe ist, an der alle partizipieren müssen. Die Fragen stellte Andrea Mader www.zahnaerzteblatt.de ZBW 3/2019
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