12 Titelthema Berufssituation der jungen Zahnärztinnen Jung, weiblich und gut organisiert Seit Jahren steigt der Frauenanteil in der Zahnmedizin an. Derzeit liegt der Anteil der Zahnärztinnen in Baden-Württemberg bei 41 Prozent. Je jünger die Altersgruppen, desto höher wird der Frauenanteil. In der Altersgruppe bis 35 Jahre liegt er bei 59 Prozent – Tendenz weiter steigend. Diese Strukturveränderung bleibt nicht ohne Folgen, denn Frauen setzen aufgrund der Familienplanung beruflich oft andere Prioritäten als Männer. Wir haben Zahnärztinnen zwischen 33 und 39 Jahren befragt, um ihre Berufssituation näher zu beleuchten: Wie gestalten sie ihre Karriere? Welche Erfahrungen machen sie bei der Familienplanung? Welche Tipps geben sie anderen jungen Zahnärztinnen? Foto: Fotolia/WavebreakmediaMicrof das „Zukunftsbild der Heilberufler 2030“ brachte wiederum hervor, dass Zahnärztinnen die Selbstständigkeit in einer Kooperation als attraktivste Form der Berufsausübung der Zukunft sehen. Alltag junger Zahnärztinnen. Statistiken und Durchschnittswerte zeichnen zwar ein gutes Allgemeinbild der Zahnärztelandschaft, aber wie sieht die Realität der jungen Zahnärztinnen in Baden- Württemberg zwischen 33 und 39 Jahren nun konkret aus? Wie sehen die Zahnärztinnen ihre Chancen im Berufsleben? Wie schaffen sie es, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren? Wie sichern sie sich im Fall einer Schwangerschaft finanziell ab und wie organisieren sie ihren Praxisalltag mit Baby oder Kleinkind? Zehn Zahnärztinnen haben sich die Mühe gemacht und uns wertvolle Antworten zu ihrer Berufssituation geliefert. Zusätzlich wurden auf Facebook noch weitere Stimmen zum Thema eingefangen. Anhand der Antworten, die wir auf Wunsch anonymisiert dokumentieren, zeichnen sich verschiedene Berufsausübungssituationen ab. Die Frauen sind in der Zahnmedizin weiter auf dem Vormarsch. Ihr Anteil liegt in Baden-Württemberg aktuell bei 41 Prozent. Einer Prognose des Instituts Deutscher Zahnärzte (IDZ) zufolge werden die Frauen im Berufsstand in den nächsten Jahren zahlenmäßig gleichziehen. Im Jahr 2030 wird es deutlich mehr Frauen als Männer in der Zahnmedizin geben. Dies wird nicht ohne Folgen bleiben. Schon heute zeichnen sich bei der Berufsausübung deutliche Unterschiede ab: Während heute über 75 Prozent der Zahnärzte niedergelassen sind, sind es bei den Zahnärztinnen nur 56 Prozent. Zahnärztinnen streben eher in ein Angestelltenverhältnis, während sich die Männer lieber selbst niederlassen wollen. Existenzgründungen. Wie sieht die Bereitschaft, eine eigene Zahnarztpraxis zu betreiben, bei den jungen Zahnärztinnen und Zahnärzten nun konkret aus? Das IDZ führt zusammen mit der Deutschen Apotheker- und Ärztebank regelmäßig die bundesweite „Existenzgründungsanalyse Zahnärzte“ durch. Demnach ist der Anteil der weiblichen Existenzgründer im Jahr 2016 auf 45 Prozent gesunken. Im Jahr zuvor lag er noch bei 48 Prozent. Hier zeichnet sich ab: Immer weniger Frauen entscheiden sich für eine eigene Zahnarztpraxis und suchen in den ersten Berufsjahren häufiger das Anstellungsverhältnis. Ob sich dieser Trend in Zukunft manifestieren wird, bleibt fraglich, denn die IDZ-Studie über Gemeinschaftspraxis. Der Idealfall für eine junge Zahnärztin ist die Tätigkeit in einer Gemeinschaftspraxis, am besten zusammen mit dem eigenen Mann. Gerade in Zeiten der Familienplanung kann die Zahnärztin eine Weile zurückstecken und bekommt Rückendeckung von ihrem Partner. Teilweise wird bei solchen Gemeinschaftsmodellen ein weiterer Zahnarzt angestellt, damit das Arbeitsvolumen bewältigt werden bzw. die Zahnärztin ihren Beruf eine Zeit lang in Teilzeit ausüben kann. Wie z. B. Dr. Kristin B., die zwei Kinder hat und mit ihrem Mann eine Gemeinschaftspraxis betreibt, bei der zwei weitere Zahnärzte angestellt sind: „In unserer Praxis arbeiten wir im Schichtbetrieb, sodass mein Mann ZBW 3/2019 www.zahnaerzteblatt.de
Titelthema 13 und ich uns abwechseln können“. Zahnärztin Dr. Pinar D. hat ebenfalls zwei Kinder und zeigt sich insgesamt zufrieden mit ihrer Tätigkeit in der ehelichen Gemeinschaftspraxis: „Ich habe das Glück, dass ich meinen Mann an meiner Seite habe und er mich, soweit es ging, vertreten konnte. Generell ist es aber sehr schwierig, Mama und Zahnärztin zu sein, denn die Kinder sind im Kindergarten leider oft krank, was natürlich einen großen Einfluss auf meine Tätigkeiten hatte. Oft mussten Patienten umbestellt werden.“ Alleine als Zahnärztin hätte sie sich vermutlich nicht niedergelassen, weil Familie und Beruf für sie so nur schwer funktionieren würde. Einzelpraxis. Drei der befragten Zahnärztinnen sind in einer Einzelpraxis tätig. Dr. Shirin H. hat als alleinerziehende Mutter eine ältere Praxis übernommen und ist mit ihrer Selbstständigkeit trotz aller Anstrengungen zufrieden. Auf die Frage, ob sie gerne an ihrer Situation etwas ändern würde, antwortet sie: „Vielleicht würde ich zusammen mit einer Kollegin oder einem Kollegen eine Praxis führen. Aber alleine zu sein, hat auch Vorteile.“ Dr. Nadine H. hat vor gut einem Jahr eine neue Praxis gegründet. Sie hatte sich diesen Schritt bewusst überlegt, als logische Konsequenz ihres beruflichen Werdegangs: „Ich habe fast mehr als 20 Jahre Berufserfahrung: 1997 startete ich die Ausbildung zur Zahnarzthelferin, 2007 machte ich den Abschluss zur Dentalhygienikerin, danach kam das Studium. Ich habe viel gesehen, viel erlebt und viele Ideen und Verbesserungen sammeln können. Da dachte ich, das schaffe ich auch! Ich habe mein Konzept und das kann ich jetzt in meiner eigenen Praxis umsetzen.“ Zahnärztin Pia S. hat während der Schwangerschaft eine Einzelpraxis übernommen und bis einen Tag vor der Geburt gearbeitet. Nach vier Wochen ist sie in die Praxis zurückgekehrt und hat ihre Entscheidung, in eine Einzelpraxis zu gehen, nicht bereut: „Es war die richtige Entscheidung, sich selbstständig zu machen. Leider bremst uns die Politik mit ihren Regelungen und Gesetzen immer mehr aus. Es bleibt zu wenig Zeit für die Patienten.“ Berufsausübung. Über 56 Prozent der Zahnärztinnen in Baden-Württemberg sind in eigener Praxis niedergelassen. Angestellte Zahnärztin. Das Anstellungsverhältnis bietet jungen Zahnärztinnen zahlreiche Vorteile. So sind sie z. B. im Falle einer Schwangerschaft finanziell abgesichert. Durch flexible Arbeitszeiten können sie ihren Beruf auch besser auf das Familienleben abstimmen. Die Zahnärztin Dr. Melanie A. ist mit ihrer Stelle als angestellte Zahnärztin sehr zufrieden, möchte aber nicht ausschließen, sich später doch noch selbstständig zu machen. Dr. Iris T. war sechs Jahre angestellt, bevor sie sich selbstständig machte. Doch sie sieht ihren Schritt in die Selbstständigkeit im Nachhinein kritisch: „Durch die ständigen zusätzlichen bürokratischen Aufgaben in der Praxis bleibt selbst am Wochenende immer weniger Zeit für die Familie. Daher sollte man mit Familie vielleicht doch besser angestellt bleiben, auch wenn ich dies den Patienten nicht wünschen würde.“ Dr. Iris T. sieht nämlich die zunehmende Feminisierung zugleich als großes Problem an: „Die MVZ werden immer mehr im Kommen sein, allerdings glaube ich nicht, dass dies zum Wohl der Patienten ist. Es ist realistisch gesehen sehr schwer, Familie und Beruf zu vereinbaren, v. a. wenn man beidem gerecht werden möchte. Dr. Babette H. machte in ihrer Zeit als angestellte Zahnärztin folgende Erfahrung: „Es war manchmal schwierig, die Patienten von meinem Können zu überzeugen, da diese immer die Termine beim „richtigen“ Chef wollten. In der eigenen Praxis war dieses Problem nicht existent.“ Probleme beim Einstieg. Ein Großteil der befragten Zahnärztinnen vermisste im Zahnmedizinstudium Inhalte wie Verwaltungsaufgaben, Abrechnung, Betriebswirt- Struktur der Zahnärzteschaft in Baden-Württemberg (Stand 31.Januar 2019) Behandelnd tätige Zahnärzte in Baden- Württemberg Niedergelassene Zahnärzte In Praxis angestellte zahnärztlich Tätige Studierende der Zahnmedizin in BW im Wintersemester 17/18 Gesamt Frauen Männer 9284 6197 2661 1872 3843 = 41 Prozent 2056 = 33 Prozent 1572 = 59 Prozent 1208 = 65 Prozent 5441 = 59 Prozent 4141 = 67 Prozent 1089 = 41 Prozent 664 = 35 Prozent Foto: proDente e.V./Johann Peter Kierzkowski (Quellen: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, LZK-Mitgliederverwaltung) www.zahnaerzteblatt.de ZBW 3/2019
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