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Impfung in Zahnarztpraxen

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Ausgabe 4/2022

24_BERUFSPOLITIK

24_BERUFSPOLITIK ZBW_4/2022 www.zahnaerzteblatt.de Dr. Carmen Budau im Interview zum Notfalldienst „DAS IST GUT, WAS WIR HIER MACHEN“ Dr. Carmen Budau ist niedergelassene Zahnärztin in Baienfurt im Landkreis Ravensburg. Im Interview berichtet sie über den Spagat, den der Notfalldienst für sie als alleinerziehende Mutter bedeutet, und äußert Wünsche, wie man den Notfalldienst familienfreundlicher gestalten könnte. Foto: privat Dr. Carmen Budau ist auch im Notfall für ihre Patientinnen und Patienten da. ZBW: Frau Dr. Budau, wir wollen heute über das Thema zahnärztlicher Notfalldienst sprechen. Der Notfalldienst ist ja Teil des Sicherstellungsauftrags der KZVen, womit die Vertragszahnärztinnen und -zahnärzte dazu verpflichtet sind, Notfalldienste zu übernehmen. Vielleicht können Sie zu Beginn einmal beschreiben, wie oft Sie für den Notfalldienst eingeteilt sind, wie lange dieser geht und wie Sie diese Zeiten organisieren? Als Praxis sind wir zwei bis drei Mal im Jahr für den Notdienst eingeteilt, die Anzahl der Dienste ist dabei je nach Kreis unterschiedlich. Bei uns im Kreis Ravensburg müssen wir nicht das komplette Wochenende abdecken wie in anderen Kreisen, sondern wir sind entweder Samstag oder Sonntag oder für die Brückentage eingeteilt. Darüber sind wir sehr glücklich, denn es gibt auch Kreise, die sehr viel öfter Notdienst haben. Worüber wir jedoch ein wenig unglücklich sind, sind die Nachtnotfalldienste für die Praxen am Wochenende. In diesem Beruf sind mittlerweile überwiegend Frauen tätig. Und die Nachtnotdienste sind für uns Frauen schwieriger zu organisieren. Wir wissen ja nicht, wer kommt. Ich als Frau traue mich nicht, alleine den Notdienst durchzuführen. Meine Ex-Chefs waren alle Männer, die haben immer alleine den Nachtnotdienst gemacht. Aber ich traue mich nicht alleine in die Praxis zu fahren, muss ich ehrlich sagen. Denn bis meine Mitarbeiterin da ist, die nicht gerade um die Ecke wohnt, und bis dann die Stühle vorbereitet sind und die Technik hochgefahren ist, dauert es zwei Stunden. Ist das sinnvoll? Wir würden es begrüßen, wenn es die Möglichkeit gäbe, den Nachtnotdienst auf 23 Uhr oder auch 24 Uhr zu begrenzen. Ich denke, da würde dann niemand etwas sagen. Und wenn es irgendwie die Möglichkeit gäbe, diese Nachtnotdienste ganz abzuschaffen, wäre das wunderbar. In der Notfalldienstordnung steht, dass es eine feste Zeit gibt, in der in der Praxis behandelt werden muss, also beispielsweise von 10 bis 11 Uhr. Und während der restlichen Zeit hätte man telefonische Bereitschaft. Wie ist das bei Ihnen? Sind Sie rund um die Uhr in der Praxis, wenn Sie Notfalldienst haben? Bis jetzt war es immer so, dass die Patienten nicht nur in dieser festgelegten Sprechstunde anrufen, sondern gleich um 8 Uhr morgens, also wenn mein Dienst anfängt. Und es ist oft der Fall, dass sie den Notfall größer machen, als er eigentlich ist. Oft kommen am Wochenende Fälle in die Praxis, die kein wirklicher Notfall sind und die nicht unmittelbar behandelt werden müssten. Da sind dann Retainer oder Schneidekanten abgebrochen und es kratzt etwas an der Lippe, das sind keine Notfälle. Aber am Telefon sind die Leute nicht ehrlich, da wird oft übertrieben. Von dem, was wir in der Praxis am Wochenende behandeln, sind maximal 50 Prozent wirkliche Notfälle. Aber wenn die Patienten da sind, dann schicken wir sie in der Regel nicht nach Hause. Und das schaffen wir dann alles nicht in dieser einen Stunde. Manchmal arbeiten wir wirklich durchgehend und kaum ist man dann Zuhause, kommt zu Ruhe und will mit der Familie zu Abend essen, dann ruft wieder jemand an und man fährt wieder in die Praxis. Wie viele Patientinnen und Patienten haben Sie ungefähr an einem ganz normalen Notfalldiensttag? Das ist unterschiedlich. Ich hatte acht Patienten, aber ich hatte auch über 20

ZBW_4/2022 www.zahnaerzteblatt.de 25_BERUFSPOLITIK Patienten. Als angestellte Zahnärztin war ich in einer größeren Praxis, da waren es auch mal 40 Patienten. Im Schnitt sind es wohl acht Patienten vormittags und acht Patienten nachmittags. Sie haben gesagt, dass es für Sie als Frau nicht einfach ist, abends oder nachts den Notfalldienst auszuführen. Wie lösen Sie dieses Problem? Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Dieses Jahr bin ich am Heiligen Abend mit Notfalldienst dran. Ich bin alleinerziehende Mutter, meine Tochter ist nicht mehr ganz klein, trotzdem braucht sie noch ihre Mama. Es ist schwierig, gerade am Heiligen Abend nachts das Kind alleine zu lassen. Das muss man gut organisieren. Manchmal kommt mir die Notfalldiensteinteilung wie ein Lotteriespiel vor. Warum könnte man sich nicht überlegen, welche Zeiten für welche Kollegen am besten zu besetzen sind? Für Eltern sind die Schulferien ein Problem. Wir Eltern müssen immer einen Plan B finden und Kompromisse treffen. Das geht schon, aber es ist nicht immer leicht. Ich habe mich nicht beschwert, dass ich am Heiligen Abend Notdienst habe. Ich verstehe das, ich bin verpflichtet und ich muss auch mal dran sein. Und nur weil ich alleinerziehende Mutter bin, will ich auch keine Sonderbehandlung haben. Aber schön ist es nicht und Sie haben mich gefragt, wie ich mich als Frau und als Mutter fühle und dann sag ich Ihnen: Der Spagat zwischen Familie und Beruf ist hier besonders schwierig. Trotzdem liebe ich meinen Beruf. Haben Sie als Frau einmal eine Situation im Notfalldienst erlebt, die für Sie bedrohlich war? Ja, das habe ich. Seitdem ich selbständig bin, gab es einmal eine etwas gefährliche Situation, aber da war dann auch die Polizei dabei. Da kam einer mit Handschellen aus dem Gefängnis zu mir in die Praxis. Da habe ich mich nicht wohlgefühlt, weil man ja nicht weiß, wie die Menschen reagieren. Der Mann ist gekommen, weil er höllische Schmerzen hatte, er hatte auch panische Angst vor Spritzen und wollte den Mund nicht aufmachen. Die Polizei wollte, dass ich ihn behandle. Aber ich kann ja niemanden zwingen. Das war schon eine Situation, bei der ich dachte: Oh Gott, am liebsten würde ich jetzt woanders sein. Und als angestellte Zahnärztin hatte ich auch einen Fall, da kam ein Drogensüchtiger und ich war unsicher, was ich sagen soll, damit er nicht überreagiert. Der Mann war wie in Trance und hatte zudem noch einen großen Hund dabei. Und wir am Stuhl sind ja alles Frauen – meine Helferinnen sind alle noch sehr jung. Klar hat man dann Respekt in einer solchen Situation. Aber sowas passiert auch tagsüber, zum Beispiel, dass Betrunkene in der Praxis anfangen zu schreien und zu randalieren, wenn sie kurz warten müssen. Wir erleben immer wieder Situationen, die mit Vorsicht zu genießen sind. Bis jetzt habe ich aber nie einen Patient abgelehnt. Zu meinem Lebensgefährten habe ich aber gesagt, wenn nachts jemand anruft und ich in die Praxis muss, dann muss er mitkommen, alleine gehe ich nicht. Gibt es beim Notfalldienst auch schöne Aspekte? Situationen, die Sie positiv überrascht haben? Ja, selbstverständlich – und das gilt nicht nur für den Notdienst! Wenn man sieht, dass man helfen kann, dass man jemanden von Schmerzen befreien kann, dann sieht man die Dankbarkeit und das Glitzern in den Augen der Patienten. Das sind unbezahlbare Momente. Das gibt uns Kraft, nach vorne zu schauen und zu sagen, das ist gut, was wir hier machen. Das ist immer ein sehr schönes Erlebnis. Wir als Zahnärzte, die wir mit Menschen arbeiten, sind privilegiert, weil wir immer dieses positive Feedback bekommen. Haben Sie eine Idee, ob sich der Notfalldienst im ländlichen Bereich anders gestaltet als beispielsweise in der Stadt? Da bin ich etwas überfragt, aber ich denke, dass die Leute auf dem Land nicht wegen jeder Kleinigkeit nachts anrufen. Die halten mehr aus und gehen erst am Montag. Das ist meine Empfindung auf Grundlage der Gespräche mit Kollegen: Je größer die Stadt, desto mehr Notfälle. Und ein aktuelles Thema: Hat Corona den Notfalldienst verändert? Für uns hat sich gar nichts geändert, überhaupt nicht. Die Hygienemaßnahmen sind dieselben, egal ob der Patient Hepatitis, Aids oder Corona hat. Unsere Hygienemaßnahmen sind bei allen Patienten gleich hoch. Es ist auch richtig, dass wir Zahnärzte nicht zwischen geimpften und ungeimpften Patienten unterscheiden. Wir sind Zahnärzte und keine Richter! Was ist, wenn Sie mal den Notfalldienst nicht übernehmen können? Wie helfen Sie sich dann weiter? Sind Sie in einem Netzwerk organisiert? Zuerst schauen wir untereinander, ob wir eine andere Praxis finden, die für uns einspringen kann. Bei uns im Kreis Ravensburg wird ständig von anderen Praxen angerufen, um zu klären, ob jemand den Notfalldienst übernehmen oder tauschen kann. Und wenn das nicht klappt, dann melden wir uns bei der Bezirksdirektion Tübingen und fragen, ob die was wissen. Ich weiß aber zum Beispiel, dass am Heiligen Abend niemand tauschen will, da muss ich es erst gar nicht erst versuchen. Dann machen mein Kind und ich dieses Jahr eben Bescherung in der Praxis (lacht). Halten Sie die Regelung, dass sich Zahnärztinnen ab der Schwangerschaft bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes vom Notfalldienst befreien lassen können, für familientauglich? Gäbe es eine Lösung, die der Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser entgegenkommen würde? Ja, es wäre wirklich eine große Hilfe für Frauen mit kleinen Kindern, wenn sie länger als diese drei Jahre befreit wären. Wenn es so wäre, dass man zumindest vom nächtlichen Notfalldienst befreit wäre, dann wäre das sicherlich schon eine große Erleichterung. Denn tagsüber lässt sich gut eine Betreuung organisieren, tags ist der Notdienst gut machbar. Aber nachts lasse ich meine 14-jährige Tochter immer noch nicht gerne alleine. Haben Sie sich denn, als Sie schwanger waren und als Ihre Tochter klein war, vom Notfalldienst befreien lassen? Ja, das habe ich gemacht. Das war richtig gut. Fühlen Sie sich von der KZV BW gut betreut bei der Durchführung des Notfalldiensts? Würden Sie sich etwas wünschen? Ich fühle mich sehr gut betreut. Wenn wir eine Frage haben, dann ist die Bezirksdirektion die erste Station, bei der wir anrufen und nachfragen und da gibt es immer jemanden, der uns eine Antwort gibt oder uns hilft, Dienste zu tauschen. Das ist schon sehr gut.

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