18_BERUFSPOLITIK ZBW_4/2022 www.zahnaerzteblatt.de 7. Landeskongress Gesundheit Baden-Württemberg NACHHALTIGKEIT IM GESUNDHEITSWESEN Der 7. Landeskongress Gesundheit Baden-Württemberg fand auch dieses Jahr wieder im hybriden Format statt und setzte sich mit dem Thema Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen auseinander. Sämtliche Teilnehmenden, aber auch einige der Referent*innen schalteten sich online zu. Hauptreferenten waren Dr. Eckart von Hirschhausen, Arzt und Wissenschaftsjournalist, sowie Prof. Dr. Ingo Bode von der Uni Kassel, Experte für Sozialpolitik mit dem Schwerpunkt organisationale und gesellschaftliche Grundlagen. Vor dem Hintergrund der noch immer akuten Coronapandemie stand die Frage nach dem Zusammenhang von Erderwärmung, Umweltzerstörungen und Zoonosen im Mittelpunkt des Kongresses. Wohnzimmer. „Mutter Erde ist unser aller Wohnzimmer“, sagte Dr. Hirschhausen. Und deshalb dürfe die Atmosphäre nicht weiter durch Treibhausgase zerstört werden. Er forderte dazu auf, sich mehr zu engagieren und das eigene Verhalten zu ändern, um die Folgen abzumildern. Screenshots: Schwarz Auch der Gesundheitsminister von Baden-Württemberg Manne Lucha warnte in seinem Grußwort vor den langfristigen Folgen des Klimawandels, insbesondere für Kinder, „denn ihr Körper reagiert empfindlicher auf Krankheiten und Schadstoffe“, weshalb sie mit allen Folgen länger kämpfen müssen. Vor allem auch deshalb sei es notwendig, gesundheitsförderliche und klimagerechte Lebensbedingungen zu schaffen. Das Thema der gesundheitlichen Chancengleichheit erachte er hinsichtlich der drohenden Folgen des Klimawandels als immer wichtiger werdend. Zur Bekräftigung seiner Aussagen verwies er darauf, dass für Süddeutschland bis Ende des Jahrhunderts bis zu 30 Hitzewellen prognostiziert wurden. Man müsse stärker dafür sorgen, dass den Menschen im Land bewusst wird, dass die Umwelt, das Klima und die Gesundheit eng miteinander zusammenhängen. GESUNDHEITSGEFAHR „Wenn die asiatische Tigermücke in Baden-Württemberg heimisch wird und Allergien durch invasive Arten rasant zunehmen, dann sind das Alarmsignale für das Gesundheitswesen“, machte Dr. Eckart von Hirschhausen seinem Auditorium mit klaren Worten und Beispielen deutlich. Dr. Hirschhausen, der auch Gründer und Geschäftsführer der Stiftungen „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ und „Humor Hilft Heilen“ ist, betonte, dass „die Klimakrise mit Hitze, Extremwetterereignissen und neuen Infektionskrankheiten mit Abstand die größte Gesundheitsgefahr im 21. Jahrhundert“ ist. Und dies nicht nur
ZBW_4/2022 www.zahnaerzteblatt.de BERUFSPOLITIK_19 global betrachtet, sondern auch hier bei uns und keinesfalls mehr ein abstraktes Phänomen, bei dem die Anschaulichkeit fehle. CASE-STUDIES Klimaschutz sei zugleich Gesundheitsschutz, so die These Dr. Hirschhausens. Bereits der Sommer 2018 habe 20.000 Hitzetote gefordert. Laut Dr. Hirschhausens Prognosen ist auch künftig mit Hitzewellen zu rechnen. Allerdings sei keiner, weder Altenheime noch Krankenhäuser auf diese Situation vorbereitet. Daher, so Dr. Hirschhausens Anspruch, benötigen wir „Case Studies, die konkret aufzeigen, wo der Klimawandel die Gesundheit der Leute beeinträchtigt“. Koordinationsprozesse. Herausforderungen bei der Bewältigung des Klimawandels hinsichtlich der Gesundheitsversorgung zeigen sich auf mehreren Ebenen: Im Bereich der Prävention und bei längerfristigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. GRENZWERTIG Die Bewältigung des Klimawandels setzt, gerade wenn es um die Gesundheitsversorgung geht, eine problemsensible Organisation von Infrastrukturen voraus. Über diese Herausforderungen an die institutionelle Organisation des Gesundheitswesens hinsichtlich des Klimawandels sprach Prof. Dr. Ingo Bode von der Universität Kassel. Sein Fazit war eindeutig, denn er betrachtete die Organisation der Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen als „chaotisch und fragmentiert“. Hinzu komme seiner Ansicht nach der Umstand, dass das Gesundheitspersonal vielerorts am Limit arbeite. Zur Bewältigung der Klimaproblematik brauche es daher eine klare Führung, eindeutige Prozesse und auch eine territorial abgestufte Koordination aus einer Hand. ZUSAMMENHÄNGE Direkt nach der Mittagspause diskutierten Prof. Dr. Simone Sommer von der Universität Ulm und Dr. Robert M. Beyer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung den Zusammenhang von Erderwärmung, Umweltzerstörungen und Zoonosen und der Rolle des Klimawandels bei der Entstehung von SARS-CoV-1 und SARS-CoV-2. ZUKUNFTSFÄHIG Wie kann das Gesundheitswesen in Deutschland und insbesondere in Baden-Württemberg zukunftsfähig aufgestellt werden, um eine medizinische Versorgung der Menschen langfristig sicherstellen zu können? Mit dieser Fragestellung befasste sich Prof. Dr. Ralf Kindervater von der Landesgesellschaft Biopro Baden-Württemberg. Insgesamt stellte er vier Zukunftsprojekte vor, die gemeinsam mit dem Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg ausgewählt worden waren. Fazit der Präsentation: Die ärztliche Behandlung muss nachhaltiger gestaltet werden. Eines dieser Zukunftsprojekte ist im Neckar-Odenwald-Kreis angesiedelt. Mit dem Ziel, die Versorgung mit Allgemeinmedizinern im ländlichen Raum langfristig sicherzustellen, arbeiten hier Ministerien, Medizinfakultäten und kommunale Ansprechpartner eng zusammen. Die Arbeitsgruppe vor Ort wurde repräsentiert vom Ärztlichen Leiter der Neckar-Odenwald-Kliniken, PD Dr. Harald Genzwürker, und der Heidelberger Studiendekanin Prof. Dr. Sabine C. Herpertz. Gemeinsam trugen sie Details zum „Aufbau von Modellregionen für ärztliche Ausbildung“ vor. Podiumsdiskussion. Einig waren sich die Teilnehmer*innen in einem Punkt: Umweltthemen braucht eine stärkere Beachtung, denn Klimaschutz ist zugleich Gesundheitsschutz. FAZIT Abschließend waren sich alle Teilnehmer*innen einig, dass es für unsere Gesundheit bedeutend ist, eine gesunde Umwelt und eine systematische Gesundheitsförderung in einem Konzept zusammen zu führen. Entsprechende Maßnahmen werden vielerorts bereits erprobt, sind insgesamt aber noch zu wenig. Dr. Eckart von Hirschhausen brachte das Thema mit einem Satz auf den Punkt: „Wir müssen nicht das Klima retten, sondern uns“. Cornelia Schwarz
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