42_FORTBILDUNG ZBW_1/2022 www.zahnaerzteblatt.de Fortbildungsveranstaltung des ZFZ in Sindelfingen WAS IST NEU BEI DER PROPHYLAXE? Das Zahnmedizinische Fortbildungszentrum Stuttgart (ZFZ) führte Ende Oktober eine Neuauflage seiner Fortbildungsreihe zum Thema Prophylaxe durch. Die Veranstaltung „Prophylaxe-Update 2021 – Was ist neu?“ wurde zum ersten Mal in hybrider Form angeboten: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten die Fortbildung wahlweise in Präsenz in der Sindelfinger Stadthalle besuchen oder online im Live stream verfolgen. Alle Referentinnen und Referenten waren live vor Ort. Prophylaxe-Update. Die Leiterin des ZFZ, PD Dr. Yvonne Wagner (2. v. l.) hatte mit Prof. Dr. Nadine Schlüter, Dr. Philipp Müller-Eberspächer und DH Karolin Staudt (v. r.) ein kompetentes und sympathisches Referententeam am Start. Fotos: C. Richter Inhaltlich bewegte sich das Prophylaxe- Update von den neuesten Erkenntnissen zur Vermeidung frühkindlicher Karies und zur Molaren-Inzisiven- Hypomineralisation über die Umsetzung der neuen Richtlinien bei der Paro dontitistherapie in der Zahnarztpraxis bis zur Diagnostik und Therapie von dentalen Erosionen. ZAHNGESUNDHEIT VON KINDERN Im ersten Vortrag widmete sich PD Dr. Yvonne Wagner, Leiterin des ZFZ Stuttgart, der Diagnostik und Therapie der frühkindlichen Karies sowie des Phänomens der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation. Fast jedes zweite sechsjährige Kind hat Karies im Milchgebiss (Early Childhood Caries, ECC). Die Hauptgründe liegen in den Ernährungsgewohnheiten mit zu vielen zuckerhaltigen Mahlzeiten und säurehaltigen Getränken und einer unzureichenden Mundhygiene. Hinzu kommt, dass die Zahnhartsubstanz des Milchgebisses viel dünner ist und die Zähne weniger mineralisiert sind. Karies im Milchgebiss führt zu Problemen bei der Kaufunktion, zu Schmerzen oder zu Sprachproblemen. Oftmals leidet die Psyche der Kinder darunter. Je nach Zustand ist eine umfangreiche Zahnsanierung bis hin zur Zahnentfernung nötig, um weitere zahnmedizinische Folgen wie z. B. Zahndurchbruchsstörungen, Stellungsanomalien oder Schmelzbildungsstörungen bis hin zu Folgen für die Allgemeingesundheit zu minimieren. Dr. Wagner vermittelte umfangreiche Empfehlungen zur Kariesprävention im Rahmen der Mundhygiene sowie zu Ernährungs- und Trinkgewohnheiten. Im Bereich der Therapieoptionen sprach sich Dr. Wagner für den biologischen Ansatz der
ZBW_1/2022 www.zahnaerzteblatt.de 43_FORTBILDUNG „non-restorative caries control“ mit Schwerpunkt Mundhygiene und Fluoriden aus und plädierte für viertel- bis halbjährliche Kontrollen. Die restaurative Versorgung kariöser Zähne solle befundabhängig erfolgen bei Extraktion nicht erhaltungsfähiger Milchzähne. Priorität hat der Schutz des Zahnkeims bleibender Zähne. KREIDEZÄHNE Im zweiten Teil ihres Vortrags führte Dr. Wagner in die möglichen Ursachen und Therapieoptionen der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) ein. Da die Pathogenese der Kreidezähne nach wie vor unklar ist, gibt es bislang keine Präventionsmöglichkeiten. Eines von sechs Kindern ist von MIH betroffen. Der MIH-Schmelz zeigt eine reduzierte Härte und Elastizität, eine geringere Mineralienmenge und Qualität, eine erhöhte Porosität sowie eine geringere Dichte. In der Folge kommt es zu Hypersensitivität und Substanzverlust. Betroffene Kinder putzen aufgrund von Schmerzen seltener die Zähne, wodurch sich die Lage weiter verschlimmert. Dr. Wagner betonte, wie wichtig eine frühzeitige Diagnose der MIH ist, um entsprechend des Schweregrades schnell die Therapie einleiten zu können. Zur Behandlung von MIH gehören u. a. die Remineralisation des Zahnschmelzes, Desensibilisierung poröser Oberflächen, Fissurenversiegelung sowie generell alle Präventionsmaßnahmen zur Vermeidung von Karies. PARODONTITIS-UPDATE Mit den neuen Richtlinien zur Parodontitistherapie befassten sich zwei Hybride Fortbildung. Die ZFZ-Leiterin PD Dr. Yvonne Wagner bot den Teilnehmenden des Prophylaxe-Updates 2021 die Möglichkeit, die Veranstaltung in Präsenz oder online zu verfolgen. Profis aus dem ZFZ Stuttgart: Oberarzt Dr. Philipp Müller-Eberspächer, M.Sc., sowie Lehr-Dentalhygienikerin Karolin Staudt. Im Zusammenspiel erläuterten sie die Neuerungen bei den zahnärztlichen und prophylaktischen Aufgaben im Rahmen der neuen Richtlinie und zeigten dabei auf, dass Teamwork ein wichtiger Baustein in der Behandlungsstrecke ist. Die PAR-Richtlinie des Gemeinsamen Bundeausschusses vom Dezember 2020 brachte neue Klassifikationen und Bezeichnungen hervor. Die entsprechende Langversion der S3-Leitlinie ist bis Dezember 2025 gültig, umfasst 155 Seiten und bringt mehr als 60 Therapieempfehlungen hervor, auf die sich das Team in der Zahnarztpraxis erst einmal einstellen muss. Dr. Müller-Eberspächer legte den Teilnehmenden ans Herz, sich dieses Regelwerks anzunehmen, denn es beantwortet nahezu alle Fragen, die sich im Rahmen der PAR-Therapie auftun. Die Parodontitis wird dort in „Staging“ und „Grading“ unterteilt, um die verschiedenen Erscheinungsformen im individuellen Krankheitsfall weiter zu beschreiben. Die Stadien beschreiben dabei die Schwere und das Ausmaß der Erkrankung, die Grade beschreiben die wahrscheinliche Progressionsrate. Nach der Diagnosestellung wird die Patientin bzw. der Patient nach einem stufenweise ablaufenden, aufeinander aufbauenden Therapiekonzept behandelt. Karolin Staudt erläuterte, wann und wie welche Behandlungsbausteine zur Andwendung kommen und was es mit dem häuslichen Biofilmmanagement, der patientenindividuellen Mundhygiene unterweisung (MHU) oder der unterstützenden Parodontitistherapie (UPT) auf sich hat. Die Umsetzung der PAR-Richtlinie ist komplex und wer weitere Unterstützung benötigt, findet im Fortbildungskatalog des ZFZ Stuttgart sicherlich das passende Angebot. DENTALE EROSIONEN Welche zerstörerische Wirkungen sich bei dentalen Erosionen zeigen und wie sie diagnostiziert und therapiert werden, vermittelte Prof. Dr. Nadine Schlüter, Leiterin des Bereichs Kariesforschung an der Universität Freiburg, auf eindrucksvolle Weise. Dentale Erosionen sind nicht-kariesbedingte Zahnhartsubstanzschäden, die auf plaquefreien Zahnoberflächen chemisch hervorgerufen werden, z. B. durch die direkte Einwirkung von Säuren aus Speisen oder Getränken, aber auch durch Magensäure. Die Einwirkung von Säuren auf die Zahnhartsubstanz führt zur Reduktion der Oberflächenhärte. Gleichzeitig erhöht sich die Anfälligkeit für abrasiv bedingte Schäden. Somit verlaufen chemische und mechanisch verursachte Zahnhartsubstanzschäden oft gleichzeitig. Prof. Dr. Schlüter zeigte anhand von mikroskopischen und klinischen Erscheinungsbildern wie dentale Erosionen diagnostiziert werden und welche therapeutische Maßnahmen helfen. Zu den kausalen Maßnahmen gehört die Identifizierung der Säurequelle und deren Vermeidung, z. B. saure Nahrungsmittel oder die Kontaktzeit zu erosiven Getränken reduzieren oder ganz auf saure Getränke verzichten bzw. in Kombination mit Kalzium konsumieren. Bei Essstörungen mit Erbrechen oder bei Refluxerkrankungen kann eine symptomatische Therapie helfen. Es gilt, die Zahnhartsubstanz vor weiterer Demineralisierung und Reduktion der Oberflächenhärte zu schützen. Hier ist der Einsatz von Produkten empfehlenswert, die zu einer Verbesserung der Säureresistenz führen (z. B mineralische Präzipitate). FAZIT Das Prophylaxe-Update lieferte den Teilnehmenden aktuelle anwendungsbezogene Erkenntnisse für den Praxisalltag. Insgesamt waren rund 80 ZFAs, ZAHs und Zahnärztinnen und Zahnärzte nach Sindelfingen gekommen. Den Livestream verfolgten ca. 150 Personen. Da alle Vorträge aufgezeichnet wurden, gab es zudem die Möglichkeit, die Beiträge noch 14 Tage lang abzurufen. Claudia Richter
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