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Im Wandel der Welle

Ausgabe 1/2022

30_POLITIK ZBW_1/2022

30_POLITIK ZBW_1/2022 www.zahnaerzteblatt.de Koalitionsvertrag der Ampelparteien VEREINBARUNGEN FÜR DIE GESUNDHEITSPOLITIK „Mehr Fortschritt wagen“ ist das Motto der neuen Bundesregierung unter Kanzler Olaf Scholz, die im Dezember vereidigt wurde. Das Feld der Gesundheitspolitik wird künftig von Minister Karl Lauterbach (SPD) verantwortet. Inhaltlich haben die drei Parteien in ihrem gemeinsamen Regierungsprogramm verschiedene Maßnahmen und Zielsetzungen zusammengestellt, die in der kommenden Legislaturperiode in Angriff genommen werden sollen. Wir werfen für Sie einen Blick auf die zentralen, die zahnärztliche Versorgung betreffenden, Aspekte. Koalitionsvertrag. „Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit.“ Hält der Vertrag, was die drei Koalitionspartner versprechen? Foto: imago images/J. Schicke Die übergeordneten Ziele im Kapitel zu Gesundheit und Pflege spiegeln den Anspruch der Koalitionspartner wider, für alle Menschen – in der Stadt und auf dem Land – eine bedarfsgerechte, qualitativ hochwertige Versorgung und Pflege zu gewährleisten. Dazu gehören Innovationen und weitere Schritte bei der Digitalisierung. Die Arbeitsbedingungen der Gesundheitsberufe und Pflegekräfte sollen verbessert und eine langfristig stabile Finanzierung des Gesundheitswesens und der Pflege sichergestellt werden. Eine bedeutsame Rolle spielt aus aktuellen Gründen die Krisenfestigkeit des Gesundheitswesens. ÖGD UND KRISENPRÄVENTION Der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) soll im Zusammenspiel zwischen Bund, Ländern und Kommunen gestärkt werden. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung soll in einem Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit am BMG aufgehen, in dem die Aktivitäten im Public- Health Bereich, die Vernetzung des ÖGD und die Gesundheitskommunikation des Bundes angesiedelt sind. Ein Gesundheitssicherstellungsgesetz soll die effiziente und dezentrale Bevorratung von Arzneimittel- und Medizinprodukten sowie regelmäßige Ernstfallübungen für Gesundheitskrisen sicherstellen. Auch die Versorgung mit innovativen Arzneimitteln und Impfstoffen soll sichergestellt und Engpässe verhindert werden. Die Herstellung von Arzneimitteln inklusive der Wirk- und Hilfsstoffproduktion soll nach Deutschland oder in die EU zurückverlagert werden. Das RKI soll in seiner wissenschaftlichen Arbeit weisungsungebunden sein.

ZBW_1/2022 www.zahnaerzteblatt.de 31_POLITIK Bewertung: Die Coronapandemie hat verschiedene Defizite unseres Systems offenbart. Im Sinne einer besseren Krisenfestigkeit zeigen die vorgesehenen Maßnahmen, insbesondere die Bevorratung von Arzneiund Hilfsmitteln, sowie die Herstellung solcher vor Ort in die richtige Richtung. Ein gut aufgestellter ÖGD ist ebenfalls wünschenswert. Als Lehre aus der derzeitigen Situation ist jedoch eine verbindliche Einbindung der Selbstverwaltung mit ihrer einzigartigen Expertise für Versorgungsfragen in Entscheidungsprozesse zur Krisenbewältigung zwingend geboten. Gesundheitsfragen. Verantwortlich für die Umsetzung der Vorhaben im Koalitionsvertrag: Der neue Gesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach. Foto: karllauterbach.de MEDIZINISCHE VERSORGUNG Die stationäre wie ambulante Versorgung soll künftig gemeinsam mit den Ländern zu einer sektorenübergreifenden Versorgungsplanung entwickelt werden. Ziel ist dabei eine stärkere Ambulantisierung anstelle vermeidbarer stationärer Aufenthalte. Um die ambulante Versorgung gerade in ländlichen Regionen zu stärken, streben die drei Parteien den Ausbau multiprofessioneller integrierter Gesundheits- und Notfallzentren an. Die Gründung von kommunal getragenen Medizinischen Versorgungszentren soll erleichtert und bürokratische Hürden abgebaut werden. Entscheidungen des Zulassungsausschusses müssen künftig durch die zuständige Landesbehörde bestätigt werden. Im ländlichen Raum sollen zudem Angebote durch Gemeindeschwestern und Gesundheitslotsen ausgebaut werden. Die Notfallversorgung soll in den integrierten Notfallzentren in enger Zusammenarbeit zwischen den kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenhäusern erfolgen. Die KVen bekommen die Option, die ambulante Notfallversorgung selbst sicherzustellen oder diese Verantwortung in Absprache mit dem Land ganz oder teilweise auf die Betreiber zu übertragen. Bewertung: Innovative Modelle zur Sicherung der wohnortnahen ambulanten Versorgung sind für den allgemeinmedizinischen Bereich im Grundsatz positiv zu sehen. Es darf aber nicht zu einer schrittweisen Übertragung von Kompetenzen der Selbstverwaltung auf die staatlichen Ebenen kommen. Zudem wird hier die eigenständige Rolle der Zahnmedizin völlig übersehen. Der Versorgungsauftrag muss weiterhin bei den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen, die am besten in der Lage sind, diesen zu erfüllen, liegen. KRANKENHAUSVERSORGUNG Die Ampelparteien planen einen Bund- Länder-Pakt mit dem Ziel einer „modernen und bedarfsgerechten“ Krankenhausversorgung. Entsprechende Empfehlungen für eine Krankenhausplanung sollen durch eine Regierungskommission erarbeitet werden – dieses betrifft etwa Kriterien wie die Erreichbarkeit sowie die demografische Entwicklung. Auch die Krankenhausfinanzierung soll auf eine neue Grundlage gestellt werden: So sollen Krankenhäuser abhängig von ihrer Versorgungsstufe (Primär-, Grund-, Regel-, Maximalversorgung, Unikliniken) Honorare durch ein „differenziertes System erlösunabhängiger Vorhaltepauschalen“ bekommen. Zudem soll der Bund „einen Anteil der für eine bedarfsgerechte Investitionsförderung der Krankenhäuser anfallenden Ausgaben“ in den Ländern übernehmen. Bewertung: Die zahnmedizinische Versorgung ist hiervon nur am Rande betroffen. Wenn eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung tatsächlich zu einem effizienteren Einsatz von GKV-Mitteln führt, könnten frei werdende Mittel anderweitig zur Stärkung der Versorgung eingesetzt werden. BUDGETIERUNG In unterversorgten Regionen soll die Budgetierung der ärztlichen Honorare im hausärztlichen Bereich aufgehoben werden. Eine Aussage für den vertragszahnärztlichen Bereich trifft das Papier nicht. Bewertung: Obwohl der vertragszahnärztliche Anteil an den GKV-Ausgaben seit Jahren kleiner wird, bleibt die Budgetierung hier (ungeachtet der Sonderregelung für 2021 und 2022) erhalten. Hier verpasst die neue Bundesregierung ein wichtiges Signal, das dazu beitragen könnte, Versorgungsengpässe bei der zahnmedizinischen Versorgung präventiv zu vermeiden. KRANKENVERSICHERUNG Eine große gesundheitspolitische Baustelle ist die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung, die sowohl durch verschiedene gesetzliche Anforderungen aus der letzten Legislaturperiode als auch durch die Belastungen der Coronapandemie stark unter Druck geraten ist. Allein für 2022 musste die alte Bundesregierung die Kassen mit 28,5 Mrd. Euro stützen. Auch für die Zukunft wird eine steigende Steuerfinanzierung in Kauf genommen. „Den Bundeszuschuss zur GKV dynamisieren wir regelhaft“, heißt es. Eine Entlastung der Krankenkassen soll über geringere Arzneimittelpreise

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