40_FORTBILDUNG ZBW_1/2024 www.zahnaerzteblatt.de Skill-Labs der Uniklinik Tübingen eröffnet INNOVATIVE LEHRFLÄCHEN Ein wegweisendes Kapitel in der Geschichte der Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde begann bereits im Januar 2018 mit der Planung eines ehrgeizigen Projekts: dem Neubau der zahnärztlichen Vorklinik auf dem Dach des ehemaligen Bettenbaus. Nach Jahren der Vorbereitung und intensiven Bauarbeiten öffneten pünktlich zum Start des Sommersemesters 2023 die hochmodernen Lehrflächen ihre Türen. Fotos: Uni Tübingen 3-D. Im CAD-Raum können die Studierenden 3-D- Modelle erstellen, die im Fertigungsraum durch 3-D-Druck realisiert werden. Im Rahmen einer kleinen Feier mit Sektempfang und Panelgesprächen zum Bau und der Einrichtung eröffneten Prof. Dr. Jens Maschmann, leitender ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Tübinger Universitätsklinikums, Prof. Dr. Bernd Koos, geschäftsführender ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, sowie Prof. Dr. Fabian Hüttig, Studiendekan Zahnmedizin, die neuen Räumlichkeiten. ANSATZ Die Vision hinter dem Projekt war klar definiert: Die neue Vorklinik sollte nicht nur technologisch zukunftsfähig sein, sondern sich auch deutlich von herkömmlichen universitären Vorkliniken abheben. Gleichzeitig wurde großer Wert auf Nachhaltigkeit gelegt, was unter anderem bedeutet, dass viele Geräte vom bisherigen Gebäudekomplex mit in den Neubau umgezogen werden konnten. „Weil sie noch funktionieren und gepflegt wurden und in ihrer Bauart teilweise besser sind, als wenn wir neue Modelle gekauft hätten“, ließ Prof. Dr. Hüttig das Auditorium wissen. Zentrales Element der neuen Vorklinik sind die beiden Phantomsäle, die je 40 Plätze für den Unterricht bieten. Zwischen den Sälen befinden sich Funktionsräume für verschiedene praktische Übungen wie Gießen, Strahlen, Gipsen und Polieren. Ein teilbarer Seminarraum und Büroflächen ergänzen das Lehrangebot. Der CAD- Raum ermöglicht den Studierenden die Erstellung von 3-D-Modellen, die im angrenzenden Fertigungsraum entweder 3-D-gedruckt oder Phantomikum. 40 Phantomeinheiten mit Supervisionskameras ermöglichen die Simulation klinischer Behandlungssituationen inklusive Videofeedback. voll automatisiert gefräst oder gedruckt werden können. Die Lehrflächen werden durch die Bestandsbibliothek mit Lerninseln komplettiert und bilden zusammen mit den Forschungslaboren den neuen „Lehr- und Forschungsbau“ der Zahnmedizin. Ein bedeutender Schritt in der Ausbildung ist die Integration digitaler Elemente. An den sogenannten Phantomköpfen üben Studierende die Patientenbehandlung. Durch das neue Videotracking können Lehrende nun situativ korrigierend eingreifen, was den Lernerfolg steigert. An 16 Arbeitsplätzen können unterschiedliche Mund- und Laborsituationen mittels Digitalisierung von Gebisssituationen und Kiefermodellen simuliert und trainiert werden. Eine Spezialsoftware ermöglicht es den Studierenden zudem, patientenindividuelle Medizinprodukte zu konstruieren und am Phantomkopf zur Überprüfung einzusetzen. Ein lokales Audio-Video-Netz verbindet außerdem alle Lehrräume der Skill-Labs untereinander und schafft somit eine effektive Lehrumgebung. „Es macht rießen Spaß, auf dieser Fläche zu lehren“, resümierte Prof. Dr. Hüttig. GEBÄUDEHISTORIE Die Geschichte des Gebäudes, in dem das Skill Lab heute untergebracht ist, ist sehr bewegt: Im Jahr 1965 als dreigeschossige Bettenstation erbaut, wurden 2005 zwei Etagen abgebrochen, um ein Jahr später eine Laboretage hinzuzufügen. Bereits damals wurde die Statik des Gebäudes auf eine spätere Aufstockung vorbereitet. Eine Erweiterung um vier Geschosse im Technikum. 40 Hybrid-Arbeitsplätze mit Phantomkopfeinheiten erlauben kombinierte Abläufe und klinische Behandlungen. hinteren Teil des Grundstücks brachte schließlich das Gebäude wieder auf seine ursprüngliche Höhe. Die Bauzeit des aktuellen Baus erstreckte sich von Oktober 2020 bis Februar 2023. Die Gesamtkosten für Bau und Einrichtung betrugen 8,1 Millionen Euro, wovon allein 3,4 Millionen Euro in die hochmoderne Ausstattung investiert wurden. Cornelia Schwarz
ZBW_1/2024 www.zahnaerzteblatt.de 41_FORTBILDUNG Forum Rottweil GEHIRN UND SCHMERZ Die neunte Veranstaltung der Reihe „brain meets music“ fand Anfang Oktober im Vinzenz-von-Paul-Hospital in Rottweil statt. Dr. Reinhard Schugg, Gastgeber und Leiter des Forums Rottweil, begrüßte die Teilnehmer*innen zu einem faszinierenden Abend, der sich der Verbindung von Neuropsychologie und Musik widmete. Die Mechanismen der Schmerzentstehung im Gehirn und deren Verarbeitung werfen Fragen auf: Welche Prozesse führen zur Entstehung von Schmerz und wie erfolgt die Verarbeitung dieses Signals? Dr. Schugg hatte zu diesem Thema Prof. Dr. Herta Flor, wissenschaftliche Direktorin des Instituts für Neuropsychologie und Klinische Psychologie am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim als Gastreferentin eingeladen. Ihr Vortrag mit dem Titel „Au! ... Schmerz, lass nach“ gab spannende Einblicke in die Welt der Schmerzforschung. SCHMERZGEDÄCHTNIS Schmerzen hinterlassen Gedächtnisspuren und das Schmerzgedächtnis manifestiert sich dort, wo der Schmerz auftritt, leitete Prof. Flor ihren Vortrag ein. Bei chronischen Schmerzen spielten Lern- und Gedächtnisprozesse sowie damit verbundene Veränderungen im Gehirn eine bedeutendere Rolle. Neben Veränderungen im expliziten Gedächtnis seien besonders implizite Lernprozesse wie Sensibilisierung und Konditionierung von Bedeutung. Bildgebende Verfahren zeigten, dass bei Schmerzsyndromen der Skelettmuskulatur dauerhafte zentralnervöse Veränderungen auftreten, die zu einer verstärkten Wahrnehmung von Schmerzen führen und durch Lernen beeinflusst werden können. Affektive und kognitive Prozesse spielen dabei eine modulierende Rolle. Dabei sei wichtig zu verstehen, dass das Gehirn die wahrgenommene Realität verarbeite und nicht die physische Realität selbst. Heute wissen wir, erläuterte Prof. Flor, dass vor allem soziale Faktoren dazu beitragen, dass Schmerzen chronisch werden. THERAPIEANSÄTZE Entscheidend sei, Schmerzen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, unterstrich Prof. Flor. Eine zeitnahe Intervention könne dazu beitragen, die Entwicklung von chronischen Schmerzen zu verhindern. Gleichzeitig sollten bereits im frühen Stadium psychologische Strategien zur Emotions- und Motivationsregelung eingesetzt werden. Bei der Anwendung pharmakologischer Behandlungen sei darauf zu achten, negative Effekte zu vermeiden. Ein weiterer wichtiger Aspekt sei die Identifikation und gezielte Behandlung von Risikopatient*innen. Dies ermögliche eine personalisierte Herangehensweise an die Therapie, um individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden. Im Rahmen des Lernprozesses sei es entscheidend, negative Muster zu vermeiden und stattdessen Lösungen zu fördern. Dies unterstütze nicht nur die Bewältigung des Schmerzes, sondern auch das Neulernen positiver Verhaltensweisen. Schließlich sollte besonderes Augenmerk auf die Vermeidung oder Umkehrung zentralnervöser Gedächtnisspuren gelegt werden. Hierbei könnten Ansätze wie „brain meets music“. Prof. Dr. Herta Flor, wissenschaftliche Direktorin des Instituts für Neuropsychologie und Klinische Psychologie am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim (links oben), Dr. Reinhard Schugg, Gastgeber und Leiter des Forums Rottweil (unten), sowie die Musiker Joan Pau Cumellas und Miguel Talavera aus Barcelona (rechts oben). Spiegeltraining, Vorstellungsübungen und sensorische Diskrimination eine Rolle spielen, um die Neuorientierung des Nervensystems zu unterstützen. SPANISCHER BLUES Ein weiterer Höhepunkt des Abends war das Konzert von Joan Pau Cumellas und Miguel Talavera aus Barcelona. Mit Gesang, Gitarre und Mundharmonika zauberten die beiden Musiker eine einzigartige Atmosphäre in den Jugendstil- Festsaal. Das spanische Duo präsentierte Blues in seiner feinsten Form, gewürzt mit Einflüssen aus Flamenco und Jazz. Das Publikum war begeistert von den erdigen Blues-Klängen, die Joan Pau Cumellas (Mundharmonika, Gesang) und Miguel Talavera (Dobro-Gitarre, Gesang) in dem fast zweistündigen Konzert darboten. Gabriele Billischek Fotos: G. Billischek
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