36_BERUFSPOLITIK ZBW_1/2024 www.zahnaerzteblatt.de Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Marienhospitals sowie unseren überweisenden zahnärztlichen Kolleginnen und Kollegen, die ihre Patienten vertrauensvoll zur Behandlung ins ZFZ schicken“, betont Sarah Gronwald. Auch die neue Direktorin des ZFZ Stuttgart, PD Dr. Yvonne Wagner, schätzt die kompetent und zuverlässig aufgebaute Kooperation mit dem Marien hospital. „Wir freuen uns über die langjährige gute Zusammenarbeit, auch mit den vielen Kolleginnen und Kollegen der Kinderzahnheilkunde aus ganz Baden-Württemberg.“ BEGINN DES BEHANDLUNGSTAGS Skandana, die erste Patientin an diesem Mittwoch, wird von Stephanie Bach, Fachkrankenschwester für Anästhesie und Intensiv, im Marienhospital zuständig für Kindernarkosen, in den OP-Saal getragen und in den Behandlungsstuhl gelegt. Skandanas Handrücken schmückt ein Schmetterlingsaufkleber genau am Zugang zur Einleitung des Narkosemittels. Im Beisein der Eltern haben die Narkoseärztin und die Fachkrankenschwester das Mädchen im Nebenraum für die Operation vorbereitet. Das Mädchen aus Indien ist vier Jahre alt, aber so zierlich und klein, als hätte sie gerade ihren zweiten Geburtstag gefeiert. Im Arm hält Skandana ihr Kuscheltier. Sie sträubt sich etwas gegen die Elektroden, die Dr. Anja Witzke, Fachärztin für Anästhesiologie im Marienhospital, ihr zur EKG-Messung auf die Brust klebt. Die Eltern beruhigen sie, sie dürfen bis zum Einschlafen bei ihrem Kind im OP bleiben. Klara. Bei der zweijährigen Klara konnte vorab kein Venenzugang gefunden werden, so dass Dr. Csilla Weber-Tumbass entschied, die Narkose über eine Maske einzuleiten. Bei Klara mussten vier tiefzerstörte Frontzähne extrahiert werden, die wegen unzureichender Mundhygiene und ungesunder Ernährung nicht mehr zu retten waren. HOHE VERANTWORTUNG Das Anästhesiegerät im OP-Raum, hinter dem Behandlungsstuhl, auf dem Skandana liegt, ist beindruckend – und respekteinflößend zugleich. Es ist das Reich von Dr. Witzke. Die nächsten zehn Minuten gehören ihr. Sie bringt sämtliche Überwachungsgeräte an: Die Hirnströme werden über die Elektroden an der Stirn gemessen. Das ist wichtig, um zu erkennen, ob Skandana auch tief genug schläft. Der Sauerstoff im Blut wird am Finger gemessen. Die Herzfrequenz ist am Monitor des Anästhesiegeräts auf der grünen Kurve abgebildet. Der Blutdruck wird in Rosa angezeigt, fällt er, müssen Medikamente zugeführt werden. Sobald Skandana eingeschlafen ist, führt Dr. Witzke den Beatmungsschlauch über die Nase in die Luftröhre. Normalerweise geschieht dies über den Mund, aber dort ist das Arbeitsfeld von Sarah Gronwald und ihrer Assistenz, ZFA Ebru Kamis. Sobald sich der vertraute Klang an Warntönen in der richtigen Tonlage für Puls, Blutdruck und Atmung eingestellt hat, beginnt Sarah Gronwald mit der zahnärztlichen Behandlung. Sie folgt stets dem gleichen Ablauf: Nach dem Röntgen werden die Zähne zuerst gereinigt, dann die Karies entfernt, Füllungen gelegt und nach notwendiger Pulpotomie die Milchzähne auch mit Kronen versorgt – erst zum Schluss werden nicht zu rettende Zähne extrahiert. Bei Skandana sind alle 20 Zähne behandlungsbedürftig. Die Frontzähne im Oberkiefer haben an der Wurzelspitze bereits Entzündungszeichen und müssen deshalb extrahiert werden. Zwei Meter entfernt sitzt ZFA-Azubine Nilay Gülum, die alle Behandlungsschritte dokumentiert und Behandlungsinstrumente reicht. Nebenbei hat sie etwas Zeit und bastelt aus bunten Pflastern nette Tiere, die die Kinder später im Aufwachraum erfreuen sollen, wenn sie den Verband um den gelegten Zugang sehen. In regelmäßigen Abständen gibt Sarah Gronwald den Behandlungsfortschritt an Dr. Witzke und Stephanie Bach weiter. Dr. Witzke weiß dann, wann sie die Narkosemittelzufuhr zurücknehmen muss und Stephanie Bach geht in den Raum nebenan, um das nächste Kind für die OP vorzubereiten. Alle Kinder haben bereits zu Hause von den Eltern ein Pflaster auf den Handrücken und die Ellenbeuge geklebt bekommen, das die Einstichstelle für den Zugang betäubt. Jetzt erhalten sie noch einen Beruhigungssaft, um ihnen die Ängste zu nehmen beim Legen des Zugangs. Narkosen bei Kindern erfordern ein besonderes Einfühlungsvermögen und spielerische Sprachbilder. Auch die Führung der Eltern ist wichtig. Auf all das ist Stephanie Bach spezialisiert, sie hat zusätzlich eine Ausbildung als Hypnose-Coach. Die Eltern der Kinder sind sehr dankbar und komplett begeistert, wie viel Ruhe Stephanie Bach vermittelt und mit wieviel persönlicher und herzlicher Anteilnahme ihre Kinder aufgenommen wurden. EINGESPIELTES FRAUEN-TEAM Es ist beruhigend, den fünf Frauen bei ihrer Arbeit zuzusehen. Man weiß alle drei Kinder in den besten Händen. Das Frauen-Team arbeitet wie ein Uhrwerk, jedes Rädchen fügt sich in das nächste. Jeder Handgriff sitzt. Jede weiß, was sie zu tun hat, und dennoch denkt jede für die andere mit. In den nächsten sechs Stunden fällt kein lautes Wort, keine ungeduldige oder unangepasste Bemerkung. Im Gegenteil, die Atmosphäre ist ruhig, vertraut, freundlich. Alle sind per Du, egal ob Ärztin oder Krankenschwester, Zahnärztin oder Zahnmedizinische Mitarbeiterin. Zum Team gehört noch die leitende Oberärztin und Fachärztin für Anästhesiologie, Dr. Weber-Tumbass. Die beiden Narkoseärztinnen wechseln sich an den Behandlungstagen, die immer mittwochs stattfinden, ab. GUTE AUSSICHTEN Raphael ist sechs Jahre. Er hat einen angeborenen Herzfehler. „Seine rechte Herzkammer ist doppelt so groß wie die linke“, erzählt seine Mutter, „wegen seines Implantats hat er einen Herzpass.“ Seit zweieinhalb Jahren gilt Raphael als gesund und er muss keine Medikamente mehr nehmen. Raphael ist in einer auf die Behandlung kleiner Patienten spezialisier-
ZBW_1/2024 www.zahnaerzteblatt.de 37_BERUFSPOLITIK ten Praxis in Stuttgart in Behandlung. Seine Eltern sind sehr zufrieden mit der Praxis, die ihnen empfohlen wurde und das Ende einer langen Zahnarztsuche war. Im Enzkreis, wo sie zu Hause sind, gibt es keine derart spezialisierte Praxis. Zu einer ambulanten Behandlung der 15 schwer geschädigten Zähne von Raphael sah sich die Stuttgarter Kinderzahnarztpraxis dennoch nicht in der Lage. Raphaels Herzfehler war der behandelnden Kinderzahnärztin ein zu hohes Risiko. Sie hat Raphael an das ZFZ Stuttgart und somit an Sarah Gronwald überwiesen. Die Zahnärztinnen kennen sich aus dem Curriculum Kinderzahnheilkunde, das Sarah Gronwald im ZFZ Stuttgart seit vielen Jahren mit betreut. Sarah Gronwald ist es wichtig, alle an sie überwiesenen Kinder gut versorgt an die Überweiser-Praxen zurückzuschicken und wünscht sich, dass die Patienten außer engmaschigen Prophylaxe- Terminen zukünftig keine umfangreichen zahnärztlichen Folgebehandlungen mehr benötigen. „Wir hatten zwei Termine im ZFZ Stuttgart und es hat nur einen Monat gedauert, bis wir den heutigen OP-Termin bekommen haben“, erzählt die Mutter mit großer Erleichterung. Der Arztbericht von Raphael lag im Marienhospital vor, wie alle der an das ZFZ Stuttgart überwiesenen Kinder mit schweren Erkrankungen. Sarah Gronwald schickt dann die Arztberichte an Dr. Witzke und Dr. Weber-Tumbass und beide Ärztinnen entscheiden gemeinsam, ob sie das Kind zur Behandlung übernehmen können. „Zu 99 Prozent können wir es machen“, betont Dr. Witzke, „man könnte es doch auch gar nicht verantworten, wenn bei solch schwer erkrankten Kindern etwas schiefgeht“. Die Narkose bei Raphael ist unproblematisch. Auch die zahnärztliche Behandlung von Raphael verläuft optimal. Nach jeder OP instruiert Sarah Gronwald die Eltern, bevor sie ihr Kind im Aufwachraum im zweiten Stock sehen können. „Es wird wenige Tage dauern bis zur Heilung, putzen Sie bitte ab heute schon die Zähne, geben Sie Raphael lieber Wasser statt Fruchtsäfte, weil das sonst brennt, ein Wassereis darf er essen, sobald er aufgewacht ist.“ Weitere Instruktionen werden den Eltern in einem Informationsblatt ausgehändigt. Ein Behandlungsbericht wird einige Tage später an die überweisende Praxis geschickt, bei der auch die Nachkontrolle erfolgt. Sarah Gronwald wählt ihre Worte mit Bedacht, spricht ruhig und geht verständnisvoll auf die Fragen der Eltern ein. Keine Vorwürfe, keine Anklage. Die extrahierten Zähne übergibt sie in einer Box. Beim Zurückgehen in den OP-Raum sagt sie mir, die Aussichten von Raphael für sein bleibendes Gebiss seien sehr gut, weil die Eltern fürsorglich mitmachten. VIEL MEHR ALS SAUGER HALTEN Einige Tage später werden die Eltern von Raphael einen Anruf von Ebru erhalten. Die ZFA fragt bei allen operierten Kindern nach, wie es ihnen geht. Danach bereitet sie die Arztberichte für die überweisenden Zahnarztpraxen vor. Ebru ist auch im Vorfeld aktiv. Den Arztbericht, auf dessen Grundlage Dr. Weber-Tumbass und Dr. Witzke entscheiden, ob sie die Kinder behandeln können, erhalten sie von ihr, sie vereinbart sämtliche Termine, auch zum Vorgespräch der Eltern mit den Narkoseärztinnen im Marienhospital. „Auf Ebru kann ich mich verlassen, sie weiß um die wichtige Koordination zwischen ZFZ, Marienhospital und den Patienten, gerade auch, wenn ein Patient krank wird und es zu kurzfristigen Terminänderungen kommt“, lobt Sarah Gronwald. Sie freut sich, dass sie schon immer interessierte und verantwortungsbewusste Assistenzen an ihrer Seite hatte, „die alle, wie auch Ebru, sehr aufmerksam sind und reaktionsschnell wissen, was ich mache und mir die richtigen Instrumente reichen“. FAMILIENBERATUNG Wenn eine Mutter nach Zahndurchbruch und Einführung der Beikost über das erste Lebensjahr hinaus, vor allem nachts, häufig stillt, obwohl bereits die Milchzähne da sind und gleichzeitig die Zähne nicht regelmäßig geputzt werden, kann dies Karies verursachen. „Kolleginnen und Kollegen verwechseln das manchmal mit einer Schmelzbildungsstörung“, erklärt Sarah Gronwald, „aber in der Regel handelt es sich um Karies, mit fatalen Folgen.“ Lukas ist drei Jahre und wird noch immer von seiner Mutter gestillt. Er ist das dritte Kind, das am 27. September unter Narkose behandelt wird. Die Frontzähne im Oberkiefer sind in einem solchen Fall besonders betroffen – bei Lukas müssen alle vier extrahiert werden. Auch diese OP verläuft einwandfrei. Ich begleite Sarah Gronwald erneut zum Informationsgespräch mit den Eltern. Im Wartezimmer haben die Eltern nicht nebeneinander Platz genommen, sondern sitzen so weit entfernt voneinander weg, wie es die Stühle im Wartezimmer ermöglichen. „Du stillst ihn jeden Abend zu deiner Beruhigung.“ „Und du gibst ihm Schokolade zum Einschlafen.“ „Aber ich putze ihm danach nochmals die Zähne.“ Stopp! Energisch und bestimmt setzt Sarah Gronwald dem Streit der Eltern ein Ende: „Es geht hier nicht um Sie, sondern um Ihren gemeinsamen Sohn Lukas – und Lukas hat jetzt eine zweite Chance erhalten – ob sie gelingt, liegt wesentlich in Ihrer Verantwortung!“ Clara. Bei Clara konnte Stephanie Bach eine Vene zur Einleitung des Narkosemittels am Fuß finden. WERTSCHÄTZUNG UND DANK Fast zwei Monate später, am 22. November bin ich erneut im Marienhospital, um ein Gruppenbild aller an dieser wichtigen Kooperation beteiligten wunderbaren Menschen zu machen. Um ihre Arbeit zu würdigen, indem ich sie und all das, was sie jeden Mittwoch für die Kinder leisten, in meiner Reportage dokumentiere. Auch für die Redakteurin ist es – der emotionalste Arbeitsplatz der Woche! Andrea Mader
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