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Ausgabe 01 2024

18_TITELTHEMA ZBW_1/2024

18_TITELTHEMA ZBW_1/2024 www.zahnaerzteblatt.de BZÄK-Bundesversammlung WO SCHATTEN IST, MUSS AUCH LICHT SEIN So eine Groteske hat es in der Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer noch nie gegeben. Zwanzig Jahre nachdem mit Horst Seehofer der letzte Gesundheitsminister in der Bundesversammlung gesprochen hat, hatte sich für den 17. November 2023 Prof. Dr. Karl Lauterbach angekündigt, um ein Grußwort an die Delegierten zu richten. Kurzfristig sagte er sein Kommen ab und schickte stattdessen den Referatsleiter im Bundesgesundheitsministerium, Andreas Brandhorst, der sichtlich verlegen die Rede des Ministers verlas: „Ich denke jeden Tag an Zahnärztinnen und Zahnärzte …“. Die Aussage des Ministers löste im Auditorium nicht nur schallendes Gelächter aus, sondern auch ein nervöses Mundwinkelzucken beim Referatsleiter. Teambuilding. Nach dem harmonischen gemeinsamen Abendessen am Vorabend traten die baden-württembergischen Delegierten als geschlossene Einheit in der Bundesversammlung der BZÄK auf. Fotos: BZÄK / Tobias Koch Die täglichen Gedanken des Bundesgesundheitsministers an den Berufsstand fanden eine versöhnliche und sehr schöne Auflösung: Henriette Hirschfeld- Tiburtius war die erste niedergelassene Zahnärztin in Deutschland. Auf dem Weg zu seinem Berliner Dienstsitz passiert Prof. Lauterbach täglich den ehemaligen Praxisstandort von Henriette Hirschfeld-Tiburtius in der Behrenstraße, wo eine Gedächtnistafel an die Zahnärztin erinnert. Dass Henriette Hirschfeld-Tiberius als verheiratete Mutter weiterhin ihren Beruf ausübte, war zu einem Zeitpunkt, als Frauen in Deutschland noch nicht zum Studium zugelassen waren, sehr ungewöhnlich. BUDGETIERUNG Anders als erwartet nahm der Minister zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz Stellung. Mit dem Gesetz hat die Bundesregierung die Mittel für zahnärztliche Leistungen ab 2023 durch eine strikte Budgetierung begrenzt und damit die erforderlichen Finanzmittel für die erst im Juli 2021 in den GKV-Leistungskatalog aufgenommene neue präventionsorientierte Parodontitis-Therapie entzogen. „Es ist nachvollziehbar, dass Sie mit der Regelung nicht zufrieden sind, es ist Ihr gutes Recht“, ließ Prof. Lauterbach von seinem Referatsleiter verlesen und versuchte, die Sparmaßnahmen zu rechtfertigen. „Das Gesetz war notwendig, um den Fehlbetrag auszugleichen.“ Die Lasten seien auf mehrere Schultern verteilt worden und der Protest von Ärzten, Zahnärzten und Apothekern gebe ihm recht, so Lauterbach, dass die Belastung gleichmäßig verteilt worden sei. Kinder und Jugendliche, Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung seien zudem ausgenommen worden, betonte Lauterbach. Beim Thema investorengeführte Medizinische Versorgungszentren (i-MVZ) kündigte der Minister Regelungsvorschläge an, er sei entschieden „gegen Renditehäufungen“ versicherte er der Versammlung über Andreas Brandhorst.

ZBW_1/2024 www.zahnaerzteblatt.de 19_TITELTHEMA Verlesen. Der Referatsleiter im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Andreas Brandhorst, richtete das Grußwort von Minister Prof. Dr. Karl Lauterbach aus. Grußworte. Der Geschäftsführende Vorstand der BZÄK mit Vertretern der Politik (v. l.): Dr. Romy Ermler, Prof. Dr. Christoph Benz, Andreas Brandhorst, Dietrich Monstadt und Konstantin von Laffert. SOLIDES KONZEPT Prof. Dr. Christoph Benz rief das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) auf, seine Entscheidung der strikten Budgetierung der Parodontitis-Therapie zu überdenken, denn der Berufsstand habe ein solides wissenschaftliches Konzept, das funktioniere. Genauso wie die Zahnärztinnen und Zahnärzte die Karies halbiert hätten, könne man auch bei der Parodontitis liefern: „Die Parodontitis ist das viel größere Biest als die Karies.“ Ein Euro, der in die PAR-Therapie gesteckt würde, würde 76 Euro an Krankheitskosten sparen. „Das ist doch ein super Deal.“ Der Gesundheitsminister solle seinen Ankündigungen bezüglich der investorengeführten Medizinischen Versorgungszentren (i-MVZ) endlich Taten folgen lassen, forderte BZÄK-Vize Konstantin von Laffert. Stattdessen werde das Problem ständig größer: „Das BMG steht unter dem Einfluss der Lobbyisten der Heuschrecken.“ Die investorengeführten MVZ verschlängen die knappen Budgets und trügen nichts zur Versorgung bei, betonte von Laffert. Auch Vizepräsidentin Dr. Romy Ermler fragt sich: „wo ist das Ethos dieses Ministers?“. Den Schaden seiner Entscheidungen hätten Patientinnen und Patienten sowie die Zahnärzteschaft zu tragen. „ES REICHT“ Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der KZBV, Dr. Wolfgang Eßer, der für seine Verdienste um den zahnärztlichen Berufsstand, gemeinsam mit Lutz Müller, mit der Ehrennadel der deutschen Zahnärzteschaft in Gold ausgezeichnet wurde, rief die Versammlung in seiner Dankesrede dazu auf, nicht „über Banalitäten zu diskutieren, sondern sich auf die Existenzgefährdung dieser Gesundheitspolitik für den Berufsstand zu konzentrieren“. Es sei an der Zeit, den Schulterschluss innerhalb der Heilberufe zu suchen, um in schonungsloser Offenheit zu demonstrieren, in welche katastrophale Lage diese Gesundheitspolitik geführt habe. „Es ist an der Zeit, andere Formen der politischen Agitation einzuschlagen.“ Auch Dietrich Monstadt MdB, CDU, forderte den Berufsstand auf: „Bleiben Sie dran, kämpfen Sie um Ihre berechtigten Anliegen bei der Parodontitis terapie“. Die Parodontitistherapie sei wichtig, da viele Wechselwirkungen bestünden. Es sei unerklärlich, warum die Versorgung zurückgefahren werde. Entscheidende Fakten würden ignoriert. „Ich stehe als Berichterstatter für Sie zur Verfügung“, versicherte der CDU-Politiker und versprach, im Falle eines Regierungswechsels „werden Sie Ihre Standards wieder zurückbekommen“. Beim Thema MVZ brachte Monstadt seine Sorge zum Ausdruck, dass viele junge Kolleginnen und Kollegen den Verführungen der MVZ erliegen. Die jetzige Situation zeige, dass das Zurückdrängen der investorengeführten MVZ gescheitert sei. Daher müsse man jetzt dringend handeln. GROBFAHRLÄSSIGES FOULSPIEL Als „grob fahrlässiges Foulspiel“ bezeichnete Dr. Romy Ermler die Ignoranz der Politik bei der GOZ bzw. dem seit 35 Jahren nicht angepassten Punktwert. Die Vizepräsidentin stellte ihre Ausführungen unter das Motto: „Wo Licht ist, ist auch Schatten, doch wo Schatten ist, muss auch Licht sein!“ Sie berichtete der Versammlung von den Aktivitäten der Bundeszahnärztekammer bei der GOZ und verwies auf das Beratungsforum und die von BZÄK, Beihilfe und PKV konsentierte Abrechnungsbasis für Leistungen der Parodontologie in der GOZ. Dr. Ermler ging auch auf die Chancen und möglichen Folgen einer GOZ-Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ein. „Wir haben nur einen Schuss; wenn das misslingt, ist die Tür für eine Novelle möglicherweise für lange Zeit geschlossen.“ Die Vizepräsidentin riet zur Selbsthilfe und forderte die Kolleginnen und Kollegen auf, die Möglichkeiten der GOZ über die Paragrafen 2,5 und 6 zu nutzen. „Scheuen Sie sich nicht vor der Auseinandersetzung mit den Patientinnen und Patienten – keiner kann heute mehr nach dem alten Schema liquidieren.“ KAMPAGNE GOZ 4.0 Diese Position vertritt die Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg schon lange und hatte im Jahr 2023 die Kampagne „35 Jahre Punktwert GOZ“ ausgerufen, die den Kolleginnen und Kollegen die wirtschaftliche Erbringung von Privatleistungen unter Anhebung des Steigerungsfaktors und unter Zuhilfenahme einer Honorarvereinbarung nach § 2 GOZ vor Augen führen sollte. Damit die Kampagne im kommenden Jahr bundesweit gestartet wird, brachten die Delegierten aus Baden-Württemberg einen Antrag in die Bundesversammlung ein, in der die Bundeszahnärztekammer aufgefordert wurde, eine Kampagne „GOZ 4.0“ bundesweit zu starten, um über die Anwendung des § 2 GOZ zu informieren. Der Antrag fand eine große Mehrheit unter den Delegierten. Andrea Mader

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