10_TITELTHEMA ZBW_1/2024 www.zahnaerzteblatt.de Vertreterversammlung der KZV BW in Stuttgart „RAUS AUS DER KOMFORTZONE“ Gesundheitsvorsorge im Krisenmodus: Während der Bundesgesundheitsminister mit den Ländern um die große Krankenhausstrukturreform ringt, gehen die Akteure der ambulanten Versorgung auf die Barrikaden. Die Delegierten der badenwürttembergischen Vertragszahnärzteschaft machten auf der Vertreterversammlung am 24. und 25. November in Stuttgart deutlich, wie groß die Belastungen sind, mit denen die Praxen tagtäglich konfrontiert sind. Doch trotz großer Sorgen und unsicherer Zukunftsaussichten konnte der KZV-Vorstand auch positive Entscheidungen für die Mitglieder verkünden. UNZUREICHENDE FINANZIERUNG Im Interesse der Praxen. Dr. Torsten Tomppert berichtet den Delegierten von den aktuell laufenden Gesetzesvorhaben im Gesundheitsbereich und formuliert klare Erwartungen des Berufsstands. PHANTOM LAUTERBACH Dass der ambulante Sektor bei der amtierenden Bundesregierung derzeit praktisch kein Gehör findet, mache die Situation im Versorgungsalltag umso schwieriger. Kritisch bemerkte Dr. Dr. Alexander Raff, Vorsitzender der Vertreterversammlung, in seiner Eröffnungsrede, der Minister gehe dem Dialog systematisch aus dem Wege. So habe Lauterbach jüngst seinen groß angekündigten Auftritt bei der Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer kurzfristig abgesagt und sich von einem Referatsleiter aus seinem Hause vertreten lassen. Diese „offensichtliche Geringschätzung“ sei ein Schlag ins Gesicht aller Kolleginnen und Kollegen, die jeden Tag die Folgen der verfehlten Gesundheitspolitik auszubaden hätten. » Die Politiklüge eines unendlichen Leistungsversprechens muss endlich aufhören!« Dr. Torsten Tomppert Foto: Martin Stollberg ÜBERLASTUN DURCH BÜROKRA Das Verhältnis von Minister Lauterbach zum freien Beruf, zur Selbstverwaltung, zur ambulanten Versorgung sei geprägt von erheblichem Misstrauen. Es bestehe „keinerlei Bereitschaft, zuzuhören und sich mit uns auseinanderzusetzen“. Dabei gehe es längst nicht mehr um unbezahlte PAR- und Kons-Behandlungen, sondern um die drohende sukzessive Transformation des Gesundheitssystems in ein staatlich organisiertes. Minister Lauterbach mache sich so zum „Systemsprenger des Gesundheitssystems“, betonte der VV-Vorsitzende. AMBULANTE VERSORGUNG Auch der Vorstandsvorsitzende der KZV BW, Dr. Torsten Tomppert, diagnostizierte Minister Lauterbach eine
ZBW_1/2024 www.zahnaerzteblatt.de „Hörschwäche auf dem ambulanten Ohr“. Eindrücklich machte Dr. Tomppert deutlich, wie dramatisch die Situation der Zahnarztpraxen im Land sei. Man habe es mit einer multiplen Krise durch eine unzureichende Finanzierung, Überlastung durch Bürokratie, Personalmangel, Preissteigerungen, unausgereifte Digitalisierung und Arzneimittelengpässe zu tun. Während im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung noch von einer Stärkung der ambulanten Versorgung die Rede sei, erreiche die bisherige Gesundheitspolitik das genaue Gegenteil dessen. „Der vertragszahnärztlichen Versorgung werden durch die Budgetierung die nötigen Finanzmittel für unsere Patientinnen und Patienten entzogen. Die Politiklüge eines unendlichen Leistungsversprechens muss endlich aufhören!“ UNAUSGEREIFTE DIGITALISIERUNG Berufspolitischer Dialog. Der VV-Vorsitzende Dr. Dr. Alexander Raff im Gespräch mit Delegierten und Vorstandsmitglied Dr. Peter Riedel. 11_TITELTHEMA Foto: Martin Stollberg G TIE AKTUELLE ENTSCHEIDUNGEN Während die Zahnärzt*innen mit den schwerwiegenden Folgen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes zu kämpfen haben, sind längst eine Reihe weiterer Gesetzesvorhaben mit direkten Auswirkungen auf den ambulanten Sektor im Werden (Im ZBW, Ausgabe 11- 12/2023, haben wir über die aktuellen Vorhaben berichtet). Gerade im Bereich der Digitalisierung seien tiefgreifende Veränderungen für den Praxisalltag zu erwarten, wie Dr. Tomppert darlegte. Allerdings sei die Missachtung des ambulanten Sektors auch hier spürbar. So sei etwa die erweiterte Nutzung von Daten in der elektronischen Patientenakte durch die Krankenkassen ein massiver Eingriff in die Berufsausübung der Ärzt*innen und Zahnärzt*innen. Auch das jüngst in Eckpunkten skizzierte Entbürokratisierungsgesetz des BMG sei alles andere als ein großer Wurf: Außer der Digitalisierung des Bonushefts stehe dort nichts Relevantes für die Praxen drin, die meisten Maßnahmen beträfen ausschließlich die Verwaltungsebenen. Und nicht zuletzt lasse das BMG weiterhin auf konkrete Maßnahmen zur Regulierung investorengetragener Medizinischer Versorgungszentren (MVZ) warten. INFO Die Beschlüsse der Vertreterversammlung sind online unter https://t.ly/sdsjI einsehbar. PROTESTAKTIONEN „Wir müssen ‚raus aus der Komfortzone‘“, machten der VV-Vorsitzende und der Vorstandsvorsitzende unisono deutlich. Der Berufsstand müsse sich wehren und mit seinen berechtigten Forderungen öffentlich sichtbar werden. Verwiesen wurde auf den Brandbrief, den die Vorstände von KBV, KZBV und den Apothekerverbänden an Bundeskanzler Olaf Scholz geschrieben und vor einem Zusammenbruch der ambulanten Versorgung gewarnt hatten. Ein solcher Schulterschluss der Heilberufe sei nötig, zudem müsse die Bereitschaft zum Protest auch an der Basis gegeben sein. „Die Diagnose stimmt, aber jetzt kommt die Therapie“, betonte Dr. Tomppert. „Es wird von uns erwartet, aus dieser Vertreterversammlung rauszugehen und ein politisches Signal zu senden. Wir sind gefordert, wie auch die Apotheker und Ärzte eine adäquate Reaktion auf die aktuelle Gesundheitspolitik zu finden und klarzumachen: Wir sind nicht mehr bereit zu akzeptieren, was mit unserem Berufsstand gemacht wird.“ Die Delegierten verabschiedeten einstimmig einen entsprechenden Antrag, in dem Vorstand, Landesbeirat und VV- Vorsitzender aufgefordert werden, „Protestaktionen für den zahnärztlichen Berufsstand in Baden-Württemberg zu organisieren“. VERTRAGSVERHANDLUNGEN Nachdem die Bundesregierung nach zwei coronabedingt budgetfreien Jahren die Rückkehr zur strikten Budgetierung vertragszahnärztlicher Leistungen ab 2023 beschlossen hatte, waren den diesjährigen Vertragsverhandlungen mit den Krankenkassen enge Grenzen gesetzt. Mit dem GKV-FinStG wurde die Begrenzung der Punktwerte auf maximal die Höhe der Grundlohnsumme (GLS) minus 0,75 Prozent festgelegt. Diese maximale Steigerungsrate der Punktwerte um 2,7 Prozent wurde mit allen Kassenarten erreicht. Soweit Leistungen, etwa im Bereich der Individualprophylaxe, extrabudgetär sind, lagen die Abschlüsse auf Höhe der GLS oder darüber. Dies sei bei allen bestehenden Problemen ein sichtbarer Erfolg, berichtete Dr. Tomppert. In den Verhandlungen sei dagegen keine Einigung über die Ausgabenvolumina erzielt worden, weshalb sich Verfahren vor dem Schiedsamt abzeichnen. HVM Vor dem Hintergrund der noch anstehenden Schiedsamtsverfahren mit unsicherem Ausgang galt es, über einen Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der KZV BW für das Jahr 2024 zu diskutieren. Dr. Georg Bach, Sprecher des HVM-Ausschusses, formulierte die Empfehlung an die Vertreterversammlung, einen HVM für das Jahr 2024 zu beschließen, der erneut auf dem IST- Wert von 2022 mit den entsprechenden Fortschreibungen – Grundlohnsumme minus 1,5 Prozent Abschlag und einigen anderen Faktoren – basiere. Der Entwurf für den HVM 2024, der bereits im Oktober an den Vorstand, den Landesbeirat und die Bezirksgruppen übermittelt und in den Vorbesprechungen erörtert wurde, fand angesichts der außergewöhnlichen
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