34 Im Blick den waren – wurden einbestellt. Die Blutung auf Sondieren wurde erhoben. Suprakonstruktionen und Abutments wurden entfernt und auf Zementreste untersucht. Nach sorgfältiger Revision und Rezementierung mit einem Zinkoxid-Zement wurde der Patient entlassen und zu einer weiteren Nachuntersuchung einbestellt. Die quantitativen Ergebnisse wiesen eindeutig nach, dass der Einsatz des Methacrylatzementes mit pathologischen Veränderungen des periimplantären Gewebes verbunden war. Eine ganze Reihe von Studien, auch in Zusammenarbeit mit dem mikrobiologischen Institut des KIT, konnten diese Ergebnisse erhärten und die Unbedenklichkeit alternativer Zementierungsverfahren nachweisen. In 59 bis 62 Prozent der mit Methacrylatzement versorgten Fälle wurden überschüssige Zementreste nachgewiesen. Dieses Material kann mit Veränderungen des periimplantären Gewebes in Verbindung gebracht werden, die bis zum Verlust des Implantates führen können. Nach abgeschlossenem Habilitationsverfahren erhielt Michael Korsch 2016 seine Habilitationsurkunde aus den Händen von Prof. Matthias Hannig, Studiendekan der Universität des Saarlandes (Abb. 3). Abb.: Darstellung Dr. Andreas Bartols, M.A. Abb. 4 Studie. Versorgungsforschung zum Thema „Erfolg endodontischer Leistungen“: Ablauf der Studie von Andreas Bartols. Ist das Neue ausgereift? Diese Frage war Ausgangspunkt für eine Studie von Dr. Andreas Bartols, die 2008 im Rahmen der „Nachwuchsakademie Versorgungsforschung“ durchgeführt wurde. Hat es einen Vorteil, die endodontische Aufbereitung statt mit Handinstrumenten mit einem 1-Feilen-System durchzuführen? Andreas Bartols rekrutierte 10 Kolleginnen und Kollegen, die die Studie in ihrer Praxis durchführten. Der Ablauf der Studie ist in Abbildung 4 dargestellt. Zunächst behandelten die Studienteilnehmer wie gewohnt mit Handinstrumenten. Es wurde festgestellt, ob durch den Eingriff die erwartete Schmerzreduktion und die damit verbundene Erhöhung der Lebensqualität erreicht wurde. Außerdem wurde gemessen, wie lang der Eingriff dauerte. Dann gab es für alle zahnärztlichen Studienteilnehmer eine Fortbildung. Sie lernten, das 1-Feilen-System „WaveOne“ anzuwenden. Anschließend trat die Studie in die zweite Phase. Wieder wurde behandelt. Im Anschluss wurden dieselben Daten erfasst wie in Phase 1. Die Ergebnisse zeigten, dass in Phase 2 genauso zuverlässig Schmerzreduktion erzielt wurde wie in Phase 1. Der Eingriff war jedoch wesentlich kürzer. Die gewonnene Zeit kann sinnvoll in die gründliche Desinfektion der Wurzelkanäle investiert werden. Die teilnehmenden Kolleginnen und Kollegen schätzten die neue Technologie zu Recht außerordentlich positiv ein. Wird die Praxis besser? Verbessern wir die Versorgung, wenn wir neue Technologien einführen oder bleibt alles beim Alten? Diese Frage stellte sich Dr. Bartols, um zu erfahren, was durch neue endodontische Behandlungskonzepte in der Akademie letztendlich für den Patienten erreicht worden ist. Dafür musste die Dokumentation zeigen, was sie kann. Die Auswertung der elektronischen Patientenkartei ergab, dass im Zeitraum von Juli 1999 bis Oktober 2016 bei 5858 Patienten endodontische Behandlungen durchgeführt worden waren. Bei diesen Patienten wurden insgesamt 9967 Wurzelkanalbehandlungen durchgeführt. Auf Basis dieser Daten entstand eine der größten retrospektiven Studien zum Erfolg endodontischer Maßnahmen. Insgesamt konnten drei unterschiedliche Gruppen identifiziert werden, die nach unterschiedlichen Behandlungsprotokollen therapiert wurden (Gruppe 1 = Handinstrumente, Gruppe 2 = Rotationsinstrumente mit mehreren Feilen und Ultraschallspülung, Gruppe 3 = Reciproc-Instrumente und Ultraschallspülung). Insgesamt konnten 9938 Fälle in die Analysen einbezogen werden. Die Ergebnisse zeigten eine 5-Jahres-Überlebensrate ohne unerwünschte Ereignisse von 73,9 Prozent, 75,1 Prozent und 78,4 Prozent für Studiengruppe 1 (N = 5580), 2 (N = 1700) bzw. 3 (N = 2658). Die Unterschiede zwischen der Gruppe 1 und 3 waren statistisch signifikant (p < 0,006). Dadurch wurde gezeigt, dass endodontische Behandlungsprotokolle mit Reciproc- Technik und Ultraschallspülung höhere Zahnüberlebensraten aufweisen als die Vorgehensweise mit Handinstrumenten. Ohne eindeutig definierte Behandlungsprotokolle und ohne eine große Vertrautheit im Umgang mit großen klinischen Datenmengen wäre diese Studie nicht möglich gewesen. Das Ergebnis weist aus, dass die Patienten heute wirklich eine bessere Prognose ihres endodontisch behandelten Zahnes erwarten können als noch vor ein paar Jahren. Wir werden also tatsächlich besser – aber es verlangt viel Knowhow, das nachzuweisen. Dr. Dr. Hans Ulrich Brauer, M.A., Prof. Dr. Winfried Walther, Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe Info Die Jubiläums-Beiträge finden Sie auf der Website der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe. Scannen Sie einfach den QR-Code. ZBW 10/2020 www.zahnaerzteblatt.de
Im Blick 35 Dr. Forschner-Dannecker behandelt Menschen mit seelischen Problemen Wir suchen gemeinsam die passende Behandlung Etwa jede*r fünfte Patient*in in einer Zahnarztpraxis weist Beschwerden auf, bei deren Verlauf psychosoziale Faktoren eine Rolle spielen. Hier ist eine besondere Sensibilität gefragt, denn vielfach bereitet es den Betroffenen große Schwierigkeiten, sich in eine Praxis zu begeben, die Behandlung zuzulassen, mit dem/der Zahn*ärztin zu kooperieren und auf diese Weise mittelfristig zu einem Behandlungserfolg zu kommen. Dr. Susanne Forschner-Dannecker hat sich auf die Behandlung von Menschen mit seelischen Problemen spezialisiert und gibt uns Einblicke in ihre Arbeit. Man müsse in schwierigen Situationen die „Zähne zusammenbeißen“, weiß der Volksmund. Damit ist ein direkter Zusammenhang zwischen Psyche und Zähnen schon in unserer Alltagssprache angelegt. Zähneknirschen als Ventil für emotionale Belastungen ist aber auch wissenschaftlich belegt. Doch wie können Zahnärzt* innen mit Patient*innen mit seelischen Problemen umgehen und diesen helfen? Wenn starke psychische und psychosoziale Probleme auf das Kausystem projiziert werden, spricht man von Okklusaler Dysästhesie (OD). Laut Leitlinie der DGFDT und DGZMK handelt es sich dabei um „ein Beschwerdebild, bei dem Zahnkontakte, die klinisch weder als Fehlkontakte objektivierbar sind noch im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen (beispielsweise des Parodonts, der Pulpa, der Kaumuskulatur oder der Kiefergelenke …) stehen, dauerhaft (länger als sechs Monate) als störend oder unangenehm empfunden werden. Der klinische Befund steht in keinem nachvollziehbaren Verhältnis zu Inhalt und Stärke der beklagten Beschwerden.“ Dr. Susanne Forschner-Dannecker kümmert sich als niedergelassene Zahnärztin mit Vorliebe um Patient*innen, die besondere Schwierigkeiten haben, sich auf eine Behandlung einzulassen – aber auch Patient*innen mit allen anderen Problemen und Erkrankungen, die eine Zahnbehandlung erschweren können. Es geht um Menschen, die häufig schon eine Odyssee hinter sich haben und das Gefühl mit sich tragen, „mir kann oder mir will keiner helfen“. Häufig hört sie dabei auch den Satz „Ich bin doch kein Psycho.“ Ich besuche Dr. Forschner- Dannecker an einem Donnerstagnachmittag in ihrer Praxis, um mehr über ihre Arbeit zu erfahren. „Viele Kollegen stöhnen auf, wenn ‚wieder so einer‘ kommt, der sieben Garnituren Zahnersatz auf den Tisch legt, wovon keine passt, und sagt: ‚Sie sind meine letzte Rettung‘“, erzählt sie. „Ich schicke niemanden weg, ich sehe das als Herausforderung.“ Spezialgebiet. Dass sie sich diese Herausforderung gesucht hat, sei mehr oder weniger zufällig passiert. Schon mit 23 Jahren habe sie in der Praxis angefangen und sich damit ihren Kindheitswunsch, Zahnärztin zu werden, erfüllt. In den ersten Jahren hätten sich viele Patient*innen bei ihr angesammelt, „die sich nicht gern anfassen lassen, empfindlich sind oder Angst haben.“ Dabei habe sie deutlich die Grenzen der zahnärztlichen Heilkunst erfahren und infolge dessen den Entschluss gefasst, sich im Umgang mit dieser Zielgruppe ausbilden zu lassen. Nachdem sie eine psychotherapeutische Ausbildung absolviert hatte, sei es besser geworden. „Am Schluss machte es mir immer mehr Spaß mit Menschen zu arbeiten, die sonst keiner haben will und das macht es auch noch heute“, erläutert Dr. Forschner-Dannecker. Psychotherapie. Normalerweise ist es schwer vorstellbar, dass mehrere Zahnarztpraxen nacheinander ein zahnmedizinisches Problem nicht lösen können. Doch bei manchen Patient*innen komme es eben vor, dass der Zahnersatz oder die Behandlung generell einfach nicht toleriert werde, so Dr. Forschner-Dannecker. Um zum Behandlungserfolg zu kommen, müsse diese Blockade gelöst werden, wenngleich sich viele Leute scheuen würden, sich ihren Problemen zu stellen und diese behandeln zu lassen. „Ich versuche dann, erstmal ein Gespräch anzubieten, so dass sie ganz ohne Spiegel und Zange darüber reden können, was in der Vergangenheit war, was jetzt ist und wie es ihnen geht“, sagt Dr. Forschner-Dannecker. Im Obergeschoss – getrennt von ihrer Zahnarztpraxis – hat sie auch eine Praxis für medizinische Hypnose und Gesprächstherapie. „Das ergänzt sich prima“, ist sie überzeugt. Ein solcher Ansatz könne ein Schlüssel sein, um zahnmedizinischen Problemen zu begegnen, bei denen andere nicht weiterkommen. „Wenn man in einer schweren Depression steckt, ist Zahnpflege das letzte, was einen interessiert.“ Schwierig sei der Weg zum/zur Zahnärzt*in besonders für diejenigen, die sich des Zustandes ihrer Zähne schämen. „Die weinen schon, wenn sie reinkommen.“ Da müsse man vor einer Behandlung erst das Vertrauen gewinnen. Abrechnung. Für diese Gruppe braucht es also viel Geduld und natürlich mehr Zeit. Ob das in irgendeiner Form in der Abrechnung abgebildet wird, frage ich. Für die www.zahnaerzteblatt.de ZBW 10/2020
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