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Gesund beginnt ab Mund

Ausgabe 10/2020

16 Titelthema Special

16 Titelthema Special Olympics Baden-Württemberg Ich will gewinnen, doch wenn ich nicht gewinnen kann, so will ich mutig mein Bestes geben Foto: Alexander Seeboth Special Olympics möchte Menschen mit geistiger Behinderung mit den Mitteln des Sports zu mehr Lebensfreude, Selbstbewusstsein und Anerkennung in der Gesellschaft verhelfen. Aber es geht nicht um den Sport allein – Special Olympics versteht sich als Alltagsbewegung mit einem ganzheitlichen Angebot. Ein Beispiel dafür ist das Gesundheitsprogramm Healthy Athletes ® zur Verbesserung von Gesundheit und Fitness. Eines der Gesundheitsprogramme ist „Special Smiles – Gesund im Mund“, für das die Landeszahnärztekammer mit Special Olympics Baden-Württemberg seit 2017 in einer Kooperation verbunden ist. Seit 14. März musste Special Olympics Baden-Württemberg (SOBW) seine sportlichen Wettbewerbe und das Gesundheitsprogramm wegen der Coronapandemie aussetzen. Welche Auswirkungen hatte das auf die Psyche und die Gesundheit der Athlet*innen? Wir haben nachgefragt bei SOBW-Geschäftsführer Christian Sigg und beim Referenten des Gesundheitsprogramms „Healthy Athletes ® – Gesunde Athleten“ von SOBW, Florian Rauch. Viele Vorgaben. Am 23. und 24. September fand nach über einem halben Jahr der erste Wettbewerb, Gesichter. Handballprofi Patrick Groetzki (Mitte) beim Fotoshooting für die Gesichter der Landes-Sommerspiele in Mannheim 2021 mit den Athlet*innen Jenni Kurz und Lofink. das Landes-Leichtathletik-Fest in Ettlingen, statt. Seit dem Lockdown sind etwa 30 Wettbewerbe ausgefallen – einige konnten auf den Herbst verschoben werden, die meisten mussten jedoch abgesagt werden. Für 2020 sind jetzt noch sechs Wettbewerbe geplant. Für die Durchführung dieser sechs verbliebenen Wettbewerbe müssen die Verantwortlichen von Special Olympics viele Vorgaben beachten. „Unsere vulnerable Zielgruppe, Menschen mit Behinderung, ist anfälliger für gesundheitliche Risikofaktoren und als Risikogruppe benötigen sie einen besonders hohen Gesundheitsschutz, entsprechend viele Vorgaben sind zu beachten“, erklärt Christian Sigg. Zu diesen Vorgaben gehören die Bestimmungen des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) bzw. der einzelnen Fachverbände des DOSB. Der eigene Dachverband, Special Olympics Deutschland hat ebenfalls Vorgaben gemacht. Und letztlich gelten die Hygienevorschriften der Coronaverordnung des Landes mit den zusätzlichen Hinweisen der Werkstättenverordnung. „Wir versuchen die Anmeldung zu den Wettbewerben so reibungslos wie möglich für die Athlet*innen zu gestalten“, berichtet Christian Sigg, „wegen der Registrierung sind wir mit den zuständigen Ordnungsämtern in Kontakt und die Formulare werden im Vorfeld von den Betreuer*innen ausgefüllt“. Dennoch gibt es für viele Werkstätten für Behinderte ein logistisches Hindernis für die Anmeldung: Aufgrund der gebotenen Trennung nach Wohngruppen können nur Athlet*innen, die in den gleichen Kleingruppen in den Werkstätten zusammen arbeiten, in einem Bus zu den Wettbewerben fahren. „Wenn dann vier Busse eine Fußballmannschaft zum Turnier befördern sollen, ist das natürlich unmöglich und wir erhalten eine Absage“, erklärt Christian Sigg. Ein Blick auf den Terminkalender auf der Webseite von SOBW weist viele Wettbewerbe als sogenannte Anerkennungswettbewerbe aus, das heißt durch die Teilnahme und das Erreichen einer guten Platzierung können sich die Athlet*innen für nationale Spiele qualifizieren. „Diese sportlich regulative Seite ist derzeit eher unwichtig“, erklärt Christian Sigg, „es geht vor allem darum, dass die Menschen endlich wieder rauskommen aus ihren vier ZBW 10/2020 www.zahnaerzteblatt.de

Titelthema 17 Wänden, die Geselligkeit steht derzeit im Mittelpunkt, wir führen alle Wettbewerbe unabhängig von der Teilnehmerzahl durch“. Special Olympics ist derzeit eine der wenigen (Sport-)Organisationen, die wieder Angebote für Menschen mit geistiger Behinderung macht. TK-Pizza statt Gemüse. Seit dem Lockdown spielte sich das Leben vieler Menschen mit Behinderung ausschließlich in der Wohnung bzw. der Wohngruppe ab. Die Arbeit in den Werkstätten und damit auch die Beschäftigung sind ebenso weggefallen wie die Kommunikation und das Zusammensein mit Freunden und vor allem Angehörigen. „Die Auswirkungen der Kontaktbeschränkungen kennen wir aus unserer eigenen Erfahrung“, erklärt Florian Rauch, „bei Menschen mit geistiger Behinderung sind all diese Problematiken verstärkt“. Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung haben viele Begleiterkrankungen und ein um 40 Prozent höheres Risiko für zusätzliche gesundheitliche Einschränkungen: Hör- und Sehfähigkeit sind eingeschränkt, sie neigen zu Übergewicht und falscher Ernährung und um ihre Zahn- und Mundgesundheit ist es im Vergleich zu Menschen ohne Behinderung deutlich schlechter bestellt. „Vermutlich haben Viele Hoffnung. „Wir bewegen sehr viel mit unseren Angeboten und ich hoffe, dass wir unter Einhaltung aller Vorgaben bald wieder sämtliche Wettbewerbe und die Gesundheitsprogramme anbieten können“, sagt SOBW-Geschäftsführer Christian Sigg. (Das Bild zeigt Athlet*innen beim Radsporttag Walldürn 2019) während der Ausgangssperre lieber eine TK-Pizza verdrückt statt auf gesunde Ernährung mit Obst und Gemüse zu achten; der Spaziergang mit dem Betreuer war eher die Ausnahme als die Regel und sportliche Betätigung gab es vermutlich so gut wie keine“. Zündende Idee. Die Verantwortlichen bei SOBW waren sich dieser Situation bewusst und „dann hatte unser Sport-Inklusionsmanager die Idee für Online- Wettbewerbe“, erzählt Christian Sigg. Gemeinsam mit einem Praktikanten hat sich Martin Metz einfache Übungen ausgedacht und daraus verschiedene Online-Wettbewerbe kreiert: Kugel-Schreiber-Werfen, Hampel-Männer, Stand-Weitsprung, Leicht-Wurf, Pendel-Lauf, Besen-Hockey. Für jeden Online-Wettbewerb haben die SO-Filmregisseur*innen jeweils einen Film zur Anleitung für die Athlet*innen und einen Film mit einer Zusammenfassung und der Siegerehrung gedreht. Die Filme sind auf dem eigenen You- Tube-Kanal von SOBW zu sehen. 95 Online-Athlet*innen haben Foto: SOBW Gesundheitsprogramm. Viele Menschen mit geistiger Behinderung haben während der Corona-Pandemie den Arztbesuch vernachlässigt – deshalb sind die Untersuchungen im Rahmen des Gesundheitsprogramms wertvoller denn je, betont Florian Rauch. (Im Bild die beiden Landeskoordinatoren für Special Smiles von SOBW, Dr. Guido Elsäßer (r.) und Dr. Abdul-Razak Bissar, bei den Untersuchungen im Jahr 2019). Fotos: Hans Riemer www.zahnaerzteblatt.de ZBW 10/2020

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