40_KOMMUNIKATION ZBW_10/2023 www.zahnaerzteblatt.de Foto: LZK BW/Franziska Kraufmann Dr. Torsten Tomppert: „Die Zahnärzteschaft Baden-Württemberg ist sich der Herausforderungen bewusst, denen vulnerable Gruppen gegenüberstehen.‟ die eigene Gesundheit treffen zu können. Die gesetzlichen Krankenkassen in Baden-Württemberg stellen dafür Projektmittel über das Präventionsgesetz zur Verfügung. Außerdem ist das Land Mitglied im Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit. Die bei uns ansässige Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit trägt mit ihrer Arbeit – von der Länderebene hin zur kommunalen Ebene – zur Koordination und Unterstützung von Aktivitäten zur soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung bei. Und welche Initiativen oder Projekte hat die Zahnärzteschaft Baden-Württemberg entwickelt, um vulnerable Patient*innen im Bereich der zahnärztlichen Versorgung zu unterstützen? Dr. Tomppert: Die Zahnärzteschaft Baden-Württemberg ist sich der Herausforderungen bewusst, denen vulnerable Gruppen gegenüberstehen. Daher setzen wir uns stetig dafür ein, diesen Personengruppen den Zugang zu einer umfassenden zahnärztlichen Versorgung zu gewährleisten und diese kontinuierlich zu verbessern. Dies geschieht sowohl intern durch Referenten in den zahnärztlichen Körperschaften und auch durch die Fortbildungsangebote der kammereigenen Institute, um Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf entsprechend behandeln zu können. Aber auch durch unser soziales Engagement wollen wir ein klares Zeichen setzen: So unterstützen wir sowohl die Obdachloseneinrichtungen und die Frauen- und Kinderschutzhäuser in Baden-Württemberg kontinuierlich mit Zahn- und Mundpflegesets wie auch im vergangenen Jahr die Landeserstaufnahmestellen (LEAs) für Flüchtlinge im Land. Zudem gibt es bereits seit 2007 den Arbeitskreis Alterszahnheilkunde und Behindertenbehandlung der Kammer, um ein flächendeckendes Betreuungskonzept für Zahn- und Mundgesundheit zu etablieren, und um die Lebensqualität pflegebedürftiger Älterer und Menschen mit Behinderungen zu verbessern. Die Initiative fördert seitdem die zahnärztlichen Betreuungsmöglichkeiten und stärkt die Vernetzung mit Pflegeeinrichtungen und anderen Kooperationspartnern. Gibt es ein spezifisches Konzept oder Maßnahmen, die das Land umsetzt, um die Bedürfnisse von vulnerablen Menschen zu berücksichtigen? Minister Lucha: Nicht nur eines – wir sind hier mit einer ganzen Reihe von Konzepten gut unterwegs. Unsere Primärversorgungszentren, die im Zuge der derzeitigen Krankenhausreform in das Regelsystem übernommen werden, sind unter anderem dafür da, chronisch und mehrfach erkrankte Personen adäquat und bedarfsgerecht zu versorgen. Denn die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure wird immer wichtiger. Mit Blick auf die Langzeitpflege haben wir mit verschiedenen Partnern die Arbeitsgruppe „Ärztliche Versorgung in Pflegeheimen“ ins Leben gerufen. 2022 haben wir hier auch im Rahmen des Zukunftslands Baden-Württemberg das Projekt „Mund-Pflege 3D – digital, dynamisch, dreidimensional“ der Landeszahnärztekammer gefördert. Ziel ist es, gesicherte und bewährte Methoden der Mundpflege anschaulich zu demonstrieren, denn bei allen Menschen mit pflegerischem Unterstützungsbedarf ist » 2022 haben wir [...] im Rahmen des Zukunftslands Baden-Württemberg das Projekt „Mund-Pflege 3D – digital, dynamisch, dreidimensional“ Landeszahnärztekammer gefördert.« Manne Lucha MdL, Minister für Soziales, Gesundheit und Integration
ZBW_10/2023 www.zahnaerzteblatt.de 41_KOMMUNIKATION » Es braucht das Zusammenspiel möglichst vieler Akteure, um Erfolge zu generieren und Ziele zu erreichen.« Dr. Torsten Tomppert, Präsident der Landeszahnärztekammer und Vorstandsvorsitzender der Kassenzahnärztlichen Vereinigung es wichtig, Mundpflege bedarfsgerecht und sicher auszuführen. Eine konkrete wirkungsvolle Maßnahme des Landes zur zahngesundheitlichen Chancengleichheit im Kindesalter ist zudem die flächendeckende Gruppenprophylaxe. Dabei erreichen wir Kinder und Jugendliche in Kindergärten und Schulen mit überdurchschnittlichem Kariesrisiko. Arbeitet die Zahnärzteschaft im Land mit anderen relevanten Akteuren zusammen, um eine verbesserte Versorgung für vulnerable Patient*innen zu gewährleisten? Dr. Tomppert: Es braucht das Zusammenspiel möglichst vieler Akteure, um Erfolge zu generieren und Ziele zu erreichen. So arbeiten wir bei den Special Olympics mit Special-Smiles-Gesundheitsprogramm zur Zahn- und Mundhygiene eng mit den Organisatoren zusammen: Zudem ist der Koordinator für das Zahngesundheitsprogramm der Special Olympics in Baden-Württemberg zugleich der LZK-Referent für Inklusive Zahnmedizin. Er und sein Team befähigen die Teilnehmenden, selbstverantwortlich Zahn- und Mundgesundheitsrisiken zu erkennen und lehren sie Methoden zu deren Vermeidung. Zudem entsteht derzeit bundesweit der erste Flyer zu Zahngesundheit für pflegende Angehörige in leichter Sprache. Auch die Bemühungen um die Kooperationsverträge mit Pflegeeinrichtungen zähle ich hier dazu. Unser Referent für Alterszahnheilkunde, Dr. Elmar Ludwig, ist hier sehr engagiert. Er initiiert Schulungen und schafft geeignete Infrastrukturen, damit Menschen mit Pflegebedarf entsprechend zahnmedizinisch versorgt werden. Zu diesem Thema haben wir erst kürzlich einen Podcast produziert, der wiederum Angehörige informiert und unterstützt. Da die Kooperation relevanter Akteure im Pflegebereich dringend notwendig ist, bisher aber nur rudimentär wahrgenommen wird, hat die Kammer das Netzwerk für Mundgesundheit bei Unterstützungsbedarf (NeMU) im Land eta-bliert, in dem sich alle an der Pflege und Unterstützung beteiligten Personen und Institutionen in Baden-Württemberg zusammenschließen, um Kräfte zu bündeln. Nur durch den gezielten interprofessionellen und sektorenübergreifenden Austausch sind das notwendige Basiswissen über Zahnund Mundgesundheit bei Unterstützungsbedarf sowie die Möglichkeiten der Prävention und Behandlung auf einen Level zu bringen. Zur Umsetzung würde sich nach dem Vorbild im Prophylaxe-Bereich, wo die Landesarbeitsgemeinschaft Zahngesundheit bereits langjährige erfolgreiche Präventivarbeit leistet, die Struktur einer Landesarbeitsgemeinschaft Pflege eignen. Wie werden vulnerable Patient*innen in die Entscheidungsprozesse des Landes eingebunden, um sicherzustellen, dass ihre Anliegen gehört und berücksichtigt werden? Minister Lucha: Hier haben wir unter anderem mit dem Landesgesundheitsgesetz Strukturen geschaffen, um Beteiligungsmöglichkeiten zu gewährleisten. So sind etwa die unterschiedlichsten Interessenvertretungen Mitglieder in Gremien auf Landesebene, beispielsweise dem Landesausschuss für Gesundheitsförderung und Prävention, dem sektorenübergreifenden Landesausschuss für Gesundheit und Pflege und der Landesgesundheitskonferenz. Die Patientenvertretungen sind beispielsweise in den fachlichen Beratungsgremien des Lan- des wie dem Landesbeirat Onkologie oder dem Landesbeirat Personalisierte Medizin vertreten. Wir haben zudem einen umfassenden Beteiligungsprozess bei unserem Landesaktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Hierbei wurde in Workshops unter anderem das Thema Gesundheit von den beteiligten Menschen mit Behinderungen als wichtiges Thema benannt. Die Zwischenergebnisse des Beteiligungsprozesses haben wir in das Beteiligungsportal des Landes zur Kommentierung durch die Bürgerinnen und Bürger eingestellt. So konnten auch stark beeinträchtigte Personen von Zuhause aus ihre Stellungnahmen und Wünsche einbringen. Die Resonanz war insgesamt sehr groß und bildet die Vielfalt der Anforderungen an eine umfassende Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sowie chronisch kranken Menschen ab. Und welche Maßnahmen ergreift die Zahnärzteschaft, um sicherzustellen, dass vulnerable Patient*innen einen angemessenen Zugang zu zahnärztlichen Leistungen haben und ihre Bedürfnisse erfüllt werden? Dr. Tomppert: Natürlich strebt die Zahnärzteschaft in Baden-Württemberg auch weiterhin danach, dass jeder Mensch, unabhängig von seinen Lebensumständen, einen gleichberechtigten und zu möglichst barrierearmen Zugang zur zahnärztlichen Versorgung und präventiven Leistungen erhält. Dabei versuchen wir stets die Balance zwischen digitaler Kommunikation und niederschwellig erreichbaren Informationen zu wahren. Wir haben eine Podcastreihe, die zu aktuellen zahnmedizinischen Themen informiert. Es gibt eine zahnmedizinische Patientenberatungsstelle, die bei Fragen und Problemen rund um die Zahnund Mundgesundheit neutral und umfassend informiert. Die digitale Kommunikation stellt einen entscheidenden Pfeiler für leicht zugängliche Informationen und die Förderung der Gesundheitskompetenz dar. Wir haben jedoch festgestellt, dass ein ausgewogenes Zusammenspiel mit analogen Informationsmedien von großer Bedeutung ist. Daher bieten wir Informationen sowohl über sämtliche sozialen Medienportale als auch in Form von klassischen Flyern an. Das Gespräch führte Cornelia Schwarz
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