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Freiberuflichkeit – ein schützenswertes Gut

Ausgabe 6/2017

26 Fortbildung

26 Fortbildung resultieren zeitgemäße Okklusionskonzepte vor dem Hintergrund neuer Materialien und Verfahrenstechniken, die er ausführlich darstellen konnte. Festvortrag. In seinem Vortrag zur „Nachhaltigkeit der Gesundheitsversorgung“ wies Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen, Freiburg, auf die Konsequenzen des demografischen Wandels für die Nachhaltigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hin. Der Experte für Finanzwissenschaft gab zu bedenken, dass es mehr als fraglich ist, dass künftige Generationen bedingungslos das „solidarische“ System der GKV weiterführen. denen seiner Ansicht nach oft viel zu lange zugewartet wird, ehe man mit einer Wurzelkanalbehandlung beginnt. Eine Entscheidung zur Wurzelkanalbehandlung muss nach schweren Dislokationsverletzungen immer am Unfalltag getroffen werden und auf keinen Fall aufgrund eines Kältetests, der in dieser Situation nichts über die Vitalität der Pulpa aussagen kann. Biomechanik. Historisch begann Prof. Dr. Marc Schmitter, Heidelberg, seinen Vortrag über die Rolle der Okklusion. Er erinnerte daran, dass man noch in den 1970er Jahren durch Einschleifen oder Überkronung von gesunden Zähnen eine „Verbesserung“ der Okklusion erreichen und damit kiefergelenkspezifische Funktionsstörungen beheben wollte. Seit einigen Jahren können nun aufgrund der rasant voranschreitenden Computertechnik biomechanische Aspekte im stomatognathen System simuliert und genauer untersucht werden. Daraus Attraktives Programm. Dank des attraktiven Programms konnte der Vorsitzende der Bezirkszahnärztekammer Freiburg, Dr. Peter Riedel, über 870 Zahnärztinnen und Zahnärzte zum wissenschaftlichen Kongress begrüßen. Neben der zahnärztlichen Prominenz aus dem Ländle und aus angrenzenden Bundesländern hatten sich auch führende Standespolitiker aus dem Elsass eingefunden. Reparatur. Vor nicht allzu langer Zeit ein Tabu, ist die Reparatur von Restaurationen, vor allem bei lokalisierten Defekten, kleineren Chippingfrakturen oder überschaubarer Sekundärkaries inzwischen das Mittel der Wahl. Priv.-Doz. Dr. Anne-Katrin Lührs, Hannover, wies in ihrem vielbeachteten Vortrag darauf hin, dass komplette Neuversorgungen mit einer durchschnittlichen Kavitätenvergrößerung von etwa 30 Prozent einhergehen, Reparaturen dagegen die gesunde Zahnhartsubstanz erhalten und die Überlebensrate der Primärrestaurationen signifikant erhöhen die richtige Indikationsstellung und ein geeignetes Reparaturkonzept vorausgesetzt. In ihrem Vortrag ging sie speziell auf „Universaladhäsive“ ein, die durchaus interessante Behandlungsmöglichkeiten bei der Reparatur zulassen. Defekte. Mit eingeschränkten Behandlungsmöglichkeiten zufriedengeben muss man sich oft bei der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH), die sich meist an den ersten bleibenden Molaren und bleibenden Frontzähnen manifestiert. Univ.-Prof. Dr. Katrin Bekes, Wien, sprach davon, dass MIH weltweit auftritt, wobei die Angaben in der Literatur zur Prävalenz zwischen 3,6 Prozent und 28 Prozent schwanken. Die Defekte zeichnen sich klinisch durch eine Veränderung in der Transluzenz des Schmelzes und durch Farbveränderungen aus. Wichtig ist, Patienten mit MIH frühzeitig zu erfassen und einer umfassenden Betreuung zuzuführen. Die Ätiologie des Krankheitsbildes ist immer noch nicht völlig geklärt, diskutiert wird ein multifaktorielles Geschehen. Bekannt ist, dass die Störung der Zahnentwicklung zwischen dem 8. Schwangerschaftsmonat und dem 4. Lebensjahr eintritt, da in dieser Zeit die Amelogenese der ersten Molaren und der Inzisivi stattfindet. Dorothea Kallenberg » info@zahnaerzteblatt.de ZBW 6/2017 www.zahnaerzteblatt.de

Fortbildung 27 2. Spezialpodium Kieferorthopädie Premieren-Erfolg wiederholt Die Kieferorthopädie führt bei wissenschaftlichen Fortbildungstagungen oftmals ein Mauerblümchendasein. Nicht so bei der Bezirkszahnärztekammer Freiburg. Die Südbadener widmeten dem Fachgebiet bereits zum zweiten Mal ein eigenes Spezialpodium bei ihrer Jahrestagung in Rust. Während im benachbarten „Sala Bianca“ angesichts der wenigen verbliebenen rein oralchirurgischen Lehrstühle diskutiert wurde, ob die Oralchirurgie in Deutschland noch eine Zukunft hat, freute sich Vorstandsmitglied und Moderator Dr. Martin Haas, dass auch das 2. Spezialpodium von den vier KFO-Ordinarien der baden-württembergischen Universitäten bestritten wurde. Den Auftakt des wissenschaftlichen Teils bildete Prof. Dr. Christopher J. Lux von der Universität Heidelberg mit seinen Ausführungen zum Timing kieferorthopädisch-kieferchirurgischer Maßnahmen bei Dysgnathiebehandlungen. Zum klassischen Ablauf mit präoperativer Ausformung der Zahnbögen kommen zugunsten kürzerer Behandlungszeiten für manche Patienten alternative Protokolle wie surgery first in Frage. Erkenntnisse des surgery-first- Ansatzes sind auch für die konventionelle kombinierte Therapie nützlich. Prof. Lux verlieh seiner Überzeugung Ausdruck, dass das Timing immer patientenindividuell zu entscheiden ist, wobei sich die Kieferorthopädie aktiv einbringen müsse. Zum Schluss präsentierte Prof. Lux komplexe Fälle mit Hinweisen, welche Maßnahmen eher präoperativ und welche eher postoperativ angegangen werden sollten. Patientencompliance. „Das beste Therapiekonzept ist unwirksam, wenn der Patient nicht mitarbeitet“. Diese Aussage ist wenig überraschend, aber nirgendwo ist sie zutreffender als in der Kieferorthopädie: Bei herausnehmbaren Zahnspangen ist die Tragezeit besonders therapieentscheidend. Prof. Dr. Timm Schott von der Universität Tübingen stellte Sensoren und das Handy als Mittel zur Optimierung der Patientencompliance bei herausnehmbaren Zahnspangen vor. Anhand der elektronischen Tragezeitmesser konnte das Team von Prof. Schott feststellen, dass die verordnete Standardtragezeit von 15 Stunden realitätsfern ist und fast 85 Prozent der Patienten ihre Zahnspange nur unregelmäßig auch tagsüber tragen. „Die größten Unterschiede bei der Tragezeit gehen auf den Einfluss des Behandlers zurück“, resümierte Prof. Schott die Ergebnisse seiner Studie. Ist die Compliance steigerbar, wenn die Patienten per SMS erinnert werden? Den erhofften großen Einfluss konnten die Tübinger nicht nachweisen, dennoch hilft eine wöchentliche Erinnerungs- SMS am Nachmittag noch besser wäre eine WhatsApp-Nachricht. Update KFO. Neuere Entwicklungen und Trends waren Inhalt des Vortrags „KFO in Theorie und Praxis ein Update“ von Prof. Dr. Britta A. Jung von der Universität Freiburg. Prof. Jung stellte anhand einer Vielzahl von Beispielen fest, dass technische Neuerungen nur vor dem objektiven Hintergrund valider Studien und Forschung Bestand haben. So hat das Team von Prof. Jung die Risiken einer Kontaktallergie eruiert und in Brackets sowie in allen anderen KFO-Materialien Nickel nachgewiesen, ohne dass die zulässigen Grenzwerte der EU überschritten oder erhöhte Allergisierungsraten festzustellen waren. Auch die aktuell beworbenen Neuerungen in der sogenannten „accelerated orthodontics“ konnten durch die aktuelle Studienlage bislang nicht positiv untermauert werden. Designrichtlinien. Den wissenschaftlichen Teil des Podiums beschloss Prof. Dr. Dr. Bernd Lapatki von der Universität Ulm mit seinem Vortrag „Segmentierte Behandlungstechniken Update und evidenzbasierte Design- Richtlinien“. Die evolutionäre Weiterentwicklung segmentierter Behandlungstechniken ermöglicht eine effektive Kraft- und Drehmomentkontrolle unter Minimierung von Nebenwirkungen. An ausgewählten klinischen Beispielen wie der Tiefbisskorrektur und der Frontzahnretraktion konnte Prof. Lapatki verdeutlichen, dass segmentierte Behandlungstechniken für das Verständnis der Biomechanik und zur Lösung klinischer Probleme unverzichtbar sind. Standespolitisches Forum. Wie im Vorjahr schloss sich an den wissenschaftlichen Teil des Podiums ein standespolitisches Forum an, bestritten von den KFO-Referenten des Zahnärztehauses Freiburg. Zunächst berichtete Dr. Gabriele Güde über Erfahrungen und Entwicklungen mit der GOZ 2012. Im Vortrag von Dr. Christian Wanura wurde die korrekte Umsetzung der Mehrkostenberechnung in der Kieferorthopädie behandelt, die im Interesse des Erhalts der Wahlfreiheit der Patienten unverzichtbar ist. Bildimpressionen von der Veranstaltung finden Sie unter www.zahnaerzteblatt.de. » mader@lzk-bw.de Dr. Martin Haas www.zahnaerzteblatt.de ZBW 6/2017

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