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Freiberuflichkeit – ein schützenswertes Gut

Ausgabe 6/2017

14 Titelthema

14 Titelthema Bundeszahnärztekammer Freie Berufe im Visier Auf europäischer Ebene findet seit einiger Zeit eine intensive Diskussion über die Zukunft der regulierten Berufe statt, die von der Europäischen Kommission angestoßen wurde. Auslösendes Moment sind die anhaltenden Folgen der Wirtschafts- und Schuldenkrise, die in vielen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu gesellschaftlichen Verwerfungen geführt haben. Um dieser Entwicklung zu begegnen, setzt die Europäische Kommission mit der politischen Rückendeckung der EU-Mitgliedstaaten auf eine Wachstumspolitik und die Vertiefung des Gemeinsamen Binnenmarkts. Mehr Wachstum? Die Europäische Kommission hat verschiedene Initiativen ergriffen, um ihre wachstumspolitischen Ziele mit Blick auf die regulierten Berufe umzusetzen. Oberste Priorität ist die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Zu den von der Kommission identifizierten Wachstumshemmnissen gehören insbesondere auch die nationalen Berufsregeln, die von der Brüsseler Behörde unter einem ökonomischen Blickwinkel zumindest teilweise als „überflüssige Hürden“ für die grenzüberschreitende und nationale Dienstleistungserbringung angesehen werden. Mehr Wirtschaftswachstum? Hier öffnet sich ein weites Feld. Europaweit gibt es mehr als 5.500 reglementierte Berufe. Mehr als 22 Prozent der europäischen Erwerbspersonen, entsprechend einer Gesamtzahl von mehr als 47 Millionen Menschen, sind nach Angaben der Kommission direkt von beruflicher Reglementierung betroffen. Dazu gehören auch die Freien Berufe, die auf europäischer Ebene pauschal als Teil der regulierten Berufe angesehen werden. Von der Kommission in Auftrag gegebene Studien prognostizieren, dass durch den Abbau von „unnötigem und unverhältnismäßigem“ Berufsrecht rund 700.000 zusätzliche Arbeitsplätze in der EU geschaffen werden könnten. Die Europäische Kommission hat vor diesem Hintergrund verschiedene Initiativen ergriffen, um ihre wachstumspolitischen Ziele mit Blick auf die regulierten Berufe umzusetzen. Im Januar 2017 legte sie sowohl Reformempfehlungen für bestehendes Berufsrecht als auch einen umstrittenen Richtlinienvorschlag zur Prüfung Fotos: Fotolia künftigen Berufsrechts vor. Flankierend spricht die Kommission im Rahmen des sog. Europäischen Semesters seit 2011 wirtschafts- und haushaltspolitische Empfehlungen für die EU-Mitgliedstaaten aus. In allen länderspezifischen Empfehlungen für Deutschland findet sich dabei der Ruf nach einer Öffnung des Dienstleistungssektors unter ausdrücklicher Einbeziehung der Freien Berufe wieder. Ferner laufen vor dem Europäischen Gerichtshof verschiedene von der Kommission eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren, die sich mit wichtigen Berufsregelungen der Freien Berufe, etwa zu den Mindestgebühren von Architekten und Ingenieuren in Deutschland, auseinandersetzen und die Signalwirkung für alle anderen Freien Berufe haben könnten. Charta der Freien Berufe. Die BZÄK sieht diese Entwicklung ausgesprochen kritisch. Berufliche Regulierung ist, wie oft unterstellt, kein Selbstzweck. Der ökonomisch motivierte Blick der Kommission auf berufliche Regulierung ist einseitig. Wichtige Gründe für berufliche Regulierung, wie etwa der Patienten- und Verbraucherschutz, werden in den Hintergrund gedrängt. Dies gilt in besonderem Maße für die Freien Berufe, die im gesamtgesellschaftlichen Interesse wichtige Dienstleistungen erbringen. Als besonders nachteilig hat sich erwiesen, dass es bis heute auf europäischer Ebene kein gemeinsames Verständnis von den Freien Berufen und deren gesellschaftlicher Aufgabe gibt. Über den europäischen Dachverband der Zahnärzte, den Council of European Dentists (CED), hat die BZÄK daher bereits 2013 proaktiv die Verabschiedung einer Charta der Freien Berufe initiiert, der sich im Verlauf die europäischen Dachverbände der Ärzte, Apotheker, Tierärzte und Ingenieure angeschlossen haben. Die Charta skizziert die Besonderheiten der Freien Berufe. Sie benennt ZBW 6/2017 www.zahnaerzteblatt.de

Titelthema 15 Weniger Regulierung. Zu den von der Kommission identifizierten Wachstumshemmnissen gehören die nationalen Berufsregeln, die als Hürden für die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung angesehen werden. die Prinzipien, für die die Freien Berufe stehen und stellt konkrete Forderungen auf, wie der EU-Gesetzgeber künftig den Bedürfnissen der Freien Berufe besser gerecht werden kann. Dazu zählt, dass die EU-Institutionen den Mehrwert der Freien Berufe für die europäische Gesellschaft anerkennen und sicherstellen, dass Freie Berufe nicht ausschließlich auf Grundlage rein marktwirtschaftlicher Kriterien beurteilt werden. Die Charta weist ebenfalls darauf hin, dass die Entscheidung zur Deregulierung der Freien Berufe ohne Berücksichtigung der möglichen Konsequenzen zu einem Qualitätsrückgang und dem Verlust einer vollständigen Versorgung führen wird. Gemeinsam handeln! Die notwendigen Korrekturen an den Plänen der Kommission lassen sich allerdings nicht im Alleingang eines Berufsstandes und ohne Verbündete erzielen. Als eine der ersten Berufsgruppen hat sich die Zahnärzteschaft für ein gemeinsames Vorgehen unter dem Dach des Bundesverbandes der Freien Berufe (BFB) ausgesprochen und entsprechende Forderungen in das BFB-Präsidium getragen. Dabei hat die BZÄK die Rückendeckung der Bundesversammlung. Diese hatte im November 2016 einen Antrag aus Baden-Württemberg verabschiedet, der dazu aufruft, zusammen mit anderen Körperschaften des zahnärztlichen Berufsstands und der anderen Heilberufe in Kooperation mit dem BFB eine gemeinsame Strategie gegen die Deregulierungsbestrebungen auf europäischer Ebene zu entwickeln. Da die Europäische Kommission die Diskussion über die Zukunft beruflicher Regulierung vor allem mit ökonomischen Argumenten führt, drängte die BZÄK frühzeitig auf eine wirtschaftswissenschaftliche Auseinandersetzung. In unmittelbarer Reaktion auf Vorschläge der BZÄK hat der BFB daher eine wirtschaftswissenschaftliche Studie bei Prof. Dr. Justus Haucap und Prof. Dr. Alexander Rasch vom Düsseldorfer Institute for Competition Economics der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf in Auftrag gegeben. Die beiden Wirtschaftswissenschaftler hinterfragen in ihrer Arbeit die von der Europäischen Kommission behaupteten marktund wirtschaftshemmenden Folgen beruflicher Regulierung, etwa in Form von Gebühren oder regulierten Preisen, und untersuchen die vielfältigen ökonomischen Wirkungen von berufsrechtlicher Regulierung. Die Arbeit trägt den Titel „Aspekte der Deregulierung bei den Freien Berufen“ und soll aller Voraussicht nach noch im Frühjahr 2017 veröffentlicht werden. BZÄK-Europatag. Ganz aktuell wird die BZÄK die Entwicklungen im Rahmen ihres kommenden Europatags, der am 7. Juni 2017 in Brüssel stattfindet, aufgreifen. Unter dem Titel „Das Dienstleistungspaket Mehr Wachstum durch weniger Regulierung?“ wollen wir die Entwicklungen vor einem breiteren Publikum aufzeigen und kritisch hinterfragen. Dabei konnten wir mit der Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Evelyne Gebhardt (SPD), und Norbert Lins (CDU) gleich zwei Europaabgeordnete aus Baden-Württemberg für die Diskussion gewinnen. Dr. Peter Engel Präsident der BZÄK Dr. Alfred Büttner Leiter des Brüsseler Büros der BZÄK Kunst kaufen Kindern helfen! Bekannte Künstler haben exklusiv für die SOS-Kinderdörfer Werke geschaffen. Mit dem Kauf eines limitierten Kunstwerks aus unseren SOS-Editionen unterstützen Sie Projekte der SOS-Kinderdörfer weltweit. Anzeige André Butzer, Katze dunkelrot, Auflage 10, signiert und nummeriert, Linoldruck auf Papier, 2009, 50 x 65 cm Besuchen Sie die Ausstellung in unserem Büro in Berlin-Charlottenburg oder unsere Internetseite www.sos-edition.de. Berliner Büro Gierkezeile 38, 10585 Berlin Tel: 030/3450 6997-0 www.sos-kinderdoerfer.de SOSKD_Anzeige_EB2_Edition_240,6x83,5_4c_RZ.indd 1 04.07.13 08:44 www.zahnaerzteblatt.de ZBW 6/2017

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